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EU-LieferkettengesetzUnternehmen wollen Regeln

Wirtschaftsverbände laufen Sturm gegen das EU-Lieferkettengesetz, die FDP will es verhindern. Dabei sind viele Unternehmen für ein starkes Gesetz.

Eine Frau arbeitet in einer Textilfabrik. Die Kirchen haben die Regierung zur Zustimmung zum EU-Lieferkettengesetz aufgefordert Foto: Dominik Butzmann/laif

Leipzig taz | Milliardenschwere Reedereien, ein großer deutscher Supermarkt, ein Möbelgigant, ein Pharma-Unternehmen, mittelständische Bekleidungshersteller aus Süddeutschland – sie alle wollen, dass die Politik ihre Lieferketten reguliert: mit einem starken EU-Lieferkettengesetz.

Das ist bemerkenswert. Denn momentan scheint es in Deutschland so, als laufe die gesamte Wirtschaft Sturm gegen das Gesetz, das einheitliche Regeln für den Schutz von Menschenrechten in den Lieferketten größerer Unternehmen schaffen soll. Zu viel Bürokratie, heißt es, eine Überlastung kleiner Unternehmen, das Ende des Wirtschaftsstandorts Europa.

Hinter dem Wirbel steckt eine breite Kampagne deutscher Wirtschaftsverbände. In einem gemeinsamen Brief an den Bundeskanzler forderten der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) und der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH), dem geplanten Gesetz nicht zuzustimmen.

Das Gesetz ist fertig verhandelt und muss im Februar eigentlich nur noch formal beschlossen werden. Doch auf den letzten Metern stellt die FDP sich quer, flankiert von den lauten Stimmen deutscher Verbände.

Unternehmen wollen starkes Gesetz

Nur: Wer sich bei Unternehmen umhört, bekommt ein viel differenzierteres Bild. Mittelständler und Großkonzerne in Deutschland und Europa sprechen sich für ein starkes Gesetz aus. Die Reedereien Maersk und Hapag-Lloyd etwa, der Konsumgüterriese Unilever, der Möbelgigant Ikea, der Discounter Aldi Süd, der Versandhandel Hess Natur, das Bekleidungsunternehmen S.Oliver oder der Outdoor-Hersteller Vaude. In Dänemark und in den Niederlanden haben große Wirtschaftsverbände ein starkes Lieferkettengesetz ausdrücklich begrüßt – ganz im Gegensatz zu ihren deutschen Partnern.

Im Dezember hat sich die EU nach mehrjähriger Verhandlung auf ein relativ scharfes Lieferkettengesetz geeinigt. Nach der Richtlinie können etwa Betroffene von Menschenrechtsverletzungen Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen auf Schadenersatz verklagen. Das ist nach dem deutschen Lieferkettengesetz nicht möglich, das seit Anfang 2023 in Kraft ist.

FDP blockt

Justizminister Buschmann von der FDP war an den Verhandlungen beteiligt – und trotzdem versucht die FDP, das Gesetz auf der Zielgeraden zu stoppen. Wenn die FDP sich innerhalb der Ampelkoalition weiter querstellt, muss die Bundesregierung sich bei der formalen Abstimmung im EU-Rat im Februar enthalten. Ziehen daraufhin weitere Länder ihre Zustimmung zurück, wäre das Gesetz auf den letzten Metern gescheitert. Die FDP nutzt für ihre Blockade die Argumente der Wirtschaftsverbände. Nur: Offensichtlich sprechen die Verbände nicht für alle Unternehmen.

Umfragen zeigen, dass sich Unternehmen in Deutschland längst auf die Lieferkettengesetze eingestellt haben. Die Unternehmensberatung Inverto hat jüngst für eine Studie über 600 Manager großer deutscher und französischer Unternehmen befragt. Ein Großteil der Firmen plant demnach bereits mit einem europäischen Lieferkettengesetz. Drei Viertel der Befragten rechnen durch eine einheitliche EU-Richtlinie sogar mit zusätzlichen Einnahmen.

Tchibo-Managerin: „Entsetzt über das Handeln der FDP“

Beispiel Aldi Süd. Man begrüße die Einigung, schreibt der Discounter auf Anfrage. Sie schaffe ein „level playing field“, also gleiche Bedingungen für alle Wettbewerber. Ein spanischer Supermarkt etwa muss mit dem neuen Gesetz dieselben Regeln befolgen wie der Supermarkt Aldi, der momentan durch das deutsche Lieferkettengesetz vergleichsweise viel Aufwand hat. Ähnlich argumentiert die Bekleidungsfirma s.Oliver.

Das Unternehmen Tchibo, bekannt für Kaffee und Konsumgüter, geht von sich aus in die Offensive. „Es ist wichtig, dass Deutschland dieser EU-Richtlinie […] jetzt zustimmt“, schreibt Johanna von Stechow, Leiterin der Unternehmensverantwortung auf LinkedIn. Ihre Kollegin Frederike Boll, Managerin im Bereich Menschenrechte, ergänzt: „Ich bin entsetzt über das Handeln der FDP und hoffe, dass der Rest der Bundesregierung stabil bleibt und sich durchsetzt, für das europäische Lieferkettengesetz zu stimmen.“ Dem Vernehmen nach will sich die Bundesregierung dieses Wochenende auf eine gemeinsame Linie einigen, beteiligt sei auch Bundeskanzler Scholz.

Menschenrechte und gutes Wirtschaften: kein Widerspruch

Die „Responsible Business Alliance“, ein Zusammenschluss aus 230 internationalen Unternehmen, habe sich in diesen Tagen erneut an den Bundeskanzler gewandt, um ihre Wertschätzung für das Gesetz auszudrücken, heißt es. Zu dem Unternehmensbündnis zählen etwa BMW, Airbus oder Amazon.

Antje von Dewitz, die Geschäftsführerin des Outdoor-Herstellers Vaude aus Baden-Württemberg, hat dem Bundeskanzler sogar einen offenen Brief geschrieben, damit er dem Gesetz zustimmt. Darin steht: „Es ist möglich, Verantwortung in der Lieferkette zu übernehmen und gleichzeitig wirtschaftlich erfolgreich zu sein.“

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3 Kommentare

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  • 4G
    47351 (Profil gelöscht)

    Es wäre mir neu, dass der VDMA, dessen Mitglieder der Motor unseres Wohlstandes sind, die Werbetrommel für die weitere Übernahme genuin politischer Aufgaben durch seine Mitglieder rührt.

    Neben dem strukturellen Demokratiedefizit in der EU stellt sich an diesem Beispiel die immer drängendere Frage nach deren Normsetzungsbefugnis. Wir haben in Deutschland bereits ein Lieferkettengesetz, das weit in unternehmerische Handlungsfreiheit eingreift. Ausgehend von dem ursprünglichen Grundsatz der Subsidiarität, wie es einer supranationalen Organisation wie der EU angemessen ist (siehe Artikel 4 (1), 5 EUV), hat sich schleichend eine Praxis entwickelt, die Themen regelt, die zum Teil als willkürlich herausgegriffen erscheinen und, und das ist der wesentliche Kritikpunkt, die EU-Mitgliedsstaaten immer mehr zu Quasi-Bundesstaaten degradiert.

  • Die FDP betreibt reine Klientelpolitik für die fossile Industrie und für Superreiche. (Hat bisher jedes Klimagesetz in Deutschland UND der EU blockiert z.B. das Aus für neue Verbrennerautos ab 2035 in der EU, das Heizungsgesetz in Deutschland). Nun positioniert sich die FDP also auch noch klar gegen die Einhaltung menschenrechtlicher Standards in den Lieferketten. Die irrationale Blockade zum Schaden Deutschlands, der EU und der Welt einer knapp 5 Prozentpartei funktioniert aber auch nur, weil SPD und Grüne nicht längst die Reißleine gezogen haben. Ein Koalitionspartner der mit verhandelte Gesetze und die meisten Koalitionsvereinbarungen störrisch blockiert gehört in die Opposition und nicht in die Regierung. Bei Neuwahlen würde die FDP sehr wahrscheinlich auch aus dem Bundestag fliegen. Wenn sich MIT der FDP keine Politik mehr für die Menschen und zukunftsfähigen Wirtschaftsinteressen (fossile sind nicht Zukunftsfähig) machen lassen müssen Grüne und SPD Neuwahlen riskieren statt nur an sich und ihre Posten in der aktuellen Regierung zu denken.

    • @Nina Janovich:

      Es wären nicht einmal Neuwahlen nötig.



      Die entsprechenden Minister müssten nur den Mut haben, in Europa die Stimme abzugeben, die in den Koalitionsverhandlungen bereits mit der FDP abgesprochen waren.



      Die FDP Minister fühlen sich ja bei den Abstimmungen in Europa auch nicht an die Meinung der Koalitionspartner gebunden.