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Zukunft der LandwirteWeniger Acker, mehr Geld

Durch eine Landreform wird Arbeit auf dem Acker zum Traumjob. Dann gibt es 16 Hektar verstaatlichten Boden für alle Bauern und ein neues Schulfach.

…und in der 4. Klasse ein Huhn schlachten Foto: Rupert Oberhäuser/imago

W enn ich „Bauernproteste“ höre, denke ich an mittelalterliche Bauernaufstände, bei denen die verarmte Landbevölkerung den Fürsten mit Knüppeln und Mist­gabeln zu Leibe rückte. Heute ist die Situation komplexer: Im Spannungsfeld zwischen Strukturwandel, Investoren-Interessen, Lebensmittelketten, Agrarsubventionen und Umweltschutzauflagen scheint eine Lösung unmöglich. Deshalb frage ich Felix, meinen Freund aus dem Jahr 2124, um Rat. Er kommt immer mal aus der Zukunft zu Besuch und hat mich schon oft aufgebaut, wenn ich an den Problemen der Gegenwart zu verzweifeln drohte. Als ich ihn mit der Bauernfrage konfrontiere, winkt er ab.

„Ach, das klärt sich alles bei der nächsten Landreform.“

„Gibt es eine Revolution? Einen Bürgerkrieg?“

„Nein, eine Tabula rasa. Eine komplette Neuaufstellung der Landwirtschaft. Die 16,6 Millionen Hektar, die in Deutschland als landwirtschaftliche Fläche zur Verfügung stehen, wurden auf 1 Million Bauernhöfe neu verteilt, sodass jeder Betrieb nur gut 16 Hektar bewirtschaftet – etwa ein Viertel des heutigen Durchschnitts.“

„Aber warum brauchen wir das überhaupt?“

„Weil die Landwirtschaft die Basis und die wichtigste Infrastruktur des Landes ist. Oder hast du das letzte Mal, als du hungrig warst, an den Ledersitzen deines Autos gelutscht? Lange wurde versucht, die Marktverzerrungen, die durch Finanzspekulationen, Lebensmittelketten und strategische Käufer internationaler Konzerne verursacht wurden, durch Subventionen abzuschwächen. Aber das hat alles nur verschlimmert und wurde zum bürokratischen Monster. Also haben wir uns dazu durchgerungen, die Landwirtschaft zu verstaatlichen. Landwirte sind bei uns Beamte mit der höchsten Besoldungsstufe! Ein Traumberuf, bei dem sich über 100 Anwärter auf einen freien Platz bewerben. Denn die Staatsbauernhöfe sind top ausgestattet, bestens gepflegt und liefern Lebensmittel von höchster Qualität.“

„Aber wie kann das funktionieren?“, frage ich. „Ver­brau­che­r*in­nen sind es gewohnt, regalmeterweise billiges Fleisch zu kaufen. Wenn in Deutschland nur noch Kleinbetriebe arbeiten, werden wir das Fleisch importieren müssen und damit unsere heimischen Preise kaputt machen.“

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

„Deswegen ging mit der Landreform auch eine Bildungsoffensive einher“, sagt Felix. „Der Großteil der Bevölkerung lebt in Städten und hat den Bezug zur Herkunft der Nahrungsmittel verloren. Um wieder ein Gefühl dafür zu bekommen, was es heißt, von der Natur abhängig zu sein, wurde das Schulfach Agrares Leben eingeführt. Dort lernen Kinder Lebensmittelkunde, nachhaltige Bodenpflege, den Anbau von Getreide und Gemüse und das Kompostieren nach Annie Francé-Harrar.“

„Ach wie schön, einen Schulgarten hatten wir in der Grundschule auch.“

Der Realitycheck für alle, die glauben, die Nuggets würden auf magische Weise im Kühlregal landen

„Ja, aber schön alleine reicht nicht. Besonders wichtig ist der Realitycheck für alle, die glauben, die Chicken-Nuggets würden auf magische Weise im Kühlregal landen. Am Ende des Schuljahres kommt das Schlachten dran. In der 4. Klasse ein Huhn, in der 5. ein Schwein und in der 6. ein Kalb. Seitdem ist der Fleischkonsum in Deutschland drastisch zurückgegangen und die heimische Landwirtschaft kann die Bevölkerung wieder versorgen. Du siehst also: Alles kein Problem, wenn man der Realität ins Auge sieht und nicht chronisch versucht, sie zu verdrängen.“

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9 Kommentare

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  • Das Problem der Subventionen:



    Sie werden nach Fläche bezahlt. Ein Großbetrieb erhält also somit automatisch ein Vielfaches eines kleinere Bauernhofs.



    Das ist falsch, weil es eben Basiskosten und Flächen-abhängige Betriebskosten gibt.



    Die Subventionen sollten so gestaltet sein, dass alle Betriebe zuerst einmal einen Sockelbetrag bekommen, unabhängig der Fläche und dafür eine geringere Flächensubvention.



    Dann können die kleineren Betriebe eher überleben und man schmeißt den Großbetrieben nicht so viel Geld hinterher.



    Wobei es eigentlich eh ein Trauerspiel ist, dass man Bauern überhaupt subventionieren muss, damit sie überleben können.

  • Klasse statt Masse!



    Weniger ist mehr!



    Klein, aber fein!

    Aber nicht mit dem derzeitigen Verbandspräsidenten - da sei Monsanto vor.

    • @Erfahrungssammler:

      Ohne Masse ist Klasse nichts. Landwirtschaft und Ernährung sind total global. 8 Mrd. Tendenz steigend, wollen ernährt werden. Ohne Masse geht das nicht.

      • @Bernhard Hellweg:

        Ach das ist zu kurz gedacht, Wir haben nämlich kein Produktions- sondern ein Verteilproblem. Wir produzieren heute schon für über 12 Mrd. Und schmeißen zu viel weg. Das ganze über die gesamte Verarbeitungskette.

  • Jetzt fehlen nur noch die Plakate "Grüne wollen Kolchosen!" bei den Trakoraufläufen...

  • Dreaming of a green christmas...

    Enteignung des Bodens: 500 Mrd



    Jährliche Kosten: Besoldung (A16) 8 Mrd, Verwaltung und beste Ausstattung 16 Mrd

    Fehlt noch staatliche Kontrolle der Lebensmittelhänder.

    Moment, gab es nicht schon so was ähnliches, nur mit deutlich geringerer Entlohnung?

    • @fly:

      Danke für die Schätzung der Kosten, aber ich glaube, die Kosten wären noch höher:

      Wenn ich die Utopie richtig verstanden habe, gibt es eine Million Bauernhöfe und damit mindestens 1 Million Beamte der höchsten Besoldungsstufe. Da sind die von ihnen berechneten 8 Milliarden in einem Monat verbraten, pro Jahr würden 100 Milliarden gebraucht. Sollte ein Bauernhof von einem Paar / zwei Personen (m/w/d) bewirtschaftet werden, dann bitte nochmal verdoppeln.



      Beste Ausstattung: angenommen, das wären eine Million pro Betrieb (Haus, Stall/Lagergebäude, Maschinenpark, Computer), das wären dann 1 Billion. Da Ställe, Traktoren und Mähdrescher länger halten als Autos oder gar Computer, schreibe ich das Ganze über lange 20 Jahre ab - das ergibt dann immer noch 50 Milliarden pro Jahr (bei schnellerer Abschreibung entsprechend mehr).

      Ich gebe zu, ich halte mich für einen Realisten, und bei Utopien bin ich skeptisch und rechne auch mal nach.

      • @Offebacher:

        Gehen aber dann die Einnahmen nicht ebenfalls an den Staat?

        • @sàmi2:

          Die Einnahmen gehen an den Staat, allerdings gibt es dann auch laufende Ausgaben: Saatgut, Dünger, Betriebsstoffe (Diesel!), Wasser, Heizung und und und... und ich befürchte, dass beamtete Landwirte auf Miniparzellen weniger auf Gewinne achten (ist ja nicht mehr ihr Geld) als die bisherigen selbständigen Landwirte. Ob also nach Abzug der laufenden Ausgaben noch was von den Einnahmen übrig bleibt? Oder hochtrabend ausgedrückt: ich befürchte, es gibt dann einen negativen Cashflow. Wobei bei der staatlichen Wortklauberei (aus Schulden werden Sondervermögen) es dann auch bestimmt positivere Wortschöpfungen dafür gibt.