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Hilfe für Menschen in SyrienGeld wird knapp, Hunger größer

In Syrien bekommen die Menschen immer weniger Unterstützung. Das UN-Welternährungsprogramm fährt seine Hilfe zum neuen Jahr drastisch zurück.

Hilfsorganisationen beklagen eine Unterfinanzierung der Syrien-Hilfe: Kind in Idlib, Nordwest-Syrien, Februar 2023 Foto: Muhammed Said/Anadolu Agency/Getty Images

Berlin taz | In Syrien ist Hunger allgegenwärtig. Trotzdem stellt das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) sein größtes Hilfsprogramm für das Land ein. Mit Beginn des Jahres bekommen 3,2 Millionen Menschen keine Essensspenden mehr. Die Kürzung betrifft vor allem den Nordwesten des Landes, wo das Leiden durch das Erdbeben im Februar sowie durch Binnenvertreibung und Bombardierung vonseiten der Türkei oder Russlands gemeinsam mit Machthaber Baschar al-Assad besonders groß ist. In der Region sind von der Kürzung mehr als drei Viertel der bedürftigen Bevölkerung betroffen. Durch den Krieg und die Hyperinflation gibt es laut WFP „fast nichts mehr, was sich ein durchschnittlicher syrischer Haushalt leisten kann“.

„Angesichts der massiven Finanzierungskrise müssen wir auch in Syrien die Unterstützung drastisch zurückfahren“, sagte ein WFP-Sprecher der taz. Gekürzt werde vor allem das Programm zur allgemeinen Ernährungshilfe. WFP musste diese Hilfen bereits im Juli 2023 von 5,5 Millionen auf 3,2 Millionen Menschen reduzieren. „Unser Ziel war es immer, möglichst viele Menschen zu erreichen, doch mit dem vorhandenen Geld können Rationen nicht noch weiter gekürzt werden oder Verteilungen in noch größeren Abständen erfolgen.“

Erhalten bleiben Ernährungsprogramme für Kleinkinder, Schwangere und stillende Mütter sowie Schulmahlzeiten und Unterstützung von Bauernfamilien. Auch sollen lokale Ernährungssysteme wieder in Gang gebracht, Bewässerungssysteme repariert oder Bäckereien unterstützt werden. 2024 sollen noch 1,6 Millionen Menschen Hilfe bekommen – laut WFP ist dies „weit unter dem, was nötig wäre“. 12,7 Millionen Sy­re­r*in­nen litten an Hunger.

Nach fast 13 Jahren Krieg sind die Ge­be­r*in­nen müde. Auch gibt es konkurrierende Prioritäten. Die WFP-Kürzung führt auch dazu,dass der Bedarf bei privaten Hilfsorganisationen steigt. Sie können die Lücke aus eigenen Mitteln nicht schließen.

Von der Welt­hungerhilfe heißt es beispielsweise: „In Anbetracht der Tatsache, dass fast 200.000 Haushalte mit (Geld für) Essen vom WFP unterstützt wurden, während die Welthungerhilfe derzeit nur 5.000 Haushalte mit Food-Vouchers unterstützt, ist die Lücke beträchtlich.“ Und selbst die eigenen Mittel werden knapper: Um auf das Erdbeben zu reagieren, hatte die Welthungerhilfe 2023 zusätzliche Mittel bekommen, hauptsächlich vom Auswärtigen Amt sowie vom UN-Nothilfebüro Ocha. Die für 2024 zugesagten Gelder werden nun von 13 auf 5 Millionen Euro reduziert.

Folgen: Kinderarbeit und Zwangsverheiratungen

Auch bei der Hilfsorganisation Care werden die Mittel für Syrien drastisch gekürzt – nicht nur für die Ernährungssicherheit, sondern auch für Unterkünfte oder im Bereich Gesundheit und Wasser. 2023 bekamen 41.980 Haushalte Bargeld oder Lebensmittelgutscheine und 9.000 Haushalte fertige Mahlzeiten. Dieses Jahr reicht das Bargeld nur noch für 23.700 Haushalte und Fertiggerichte für 1.500 Haushalte.

Care arbeitet in den gleichen Gebieten in Nordwest-Syrien, in denen zuvor auch das WFP tätig war. Die für Syrien zuständige Länderdirektorin in der Türkei, Rishana Haniffa, sagte der taz: „Wir rechnen mit schwerwiegenden Auswirkungen auf den Lebensmittelkonsum und zunehmender Unterernährung.“ Sie warnt vor Folgen wie Kinderarbeit, früher Zwangsverheiratung und Kauf von Nahrungsmitteln durch Verschuldung oder Verkauf von Vermögenswerten. „Darüber hinaus werden Barmittel für Unterkünfte und Überwinterungshilfen möglicherweise eher für Lebensmittel ausgegeben.“

Um die Ernährungssicherheit zu gewährleisten, brauche es vor allem Unterstützung von Land­wir­t*in­nen und des Lebensunterhalts von Menschen, sagt Haniffa. Dann wären auch weniger Lieferungen von Hilfsgütern notwendig. Derzeit fehlt eine UN-Resolution, die garantiert, dass Hilfslieferungen über die Grenze auch direkt in jene syrischen Gebiete im Nordwesten gelangen, die von oppositionellen Kräften kontrolliert werden. Russland und China, Verbündete des syrischen Regimes, haben mehrmals Resolutionen zur Öffnung von Grenzübergängen blockiert. Zurzeit gestattet jedoch noch das syrische Regime der UNO, die Übergänge zu nutzen.

Bargeld statt Hilfsgüter

Die meisten Hilfen, die nach Syrien kommen, werden von der UNO gestellt. Die UNO verfügt über die beste Logistik, kann umfangreiche Operationen leiten und die Hilfe vor bewaffneten Gruppen schützen. Zudem spielt die UNO eine zentrale Rolle in Verhandlungen mit der türkischen Regierung über den Zugang zu Nordwest-Syrien. Viele Organisationen sind daher auf UNO-Strukturen angewiesen.

Falls die UNO ihre Strukturen für die Lieferung von Nahrungsmittelhilfe nicht mehr bereitstellen sollte, könnte das Management der Hilfslieferungen auf NGOs verlagert werden, heißt es bei der Welthungerhilfe. Die meisten NGOs hätten deshalb bereits auf Bargeldhilfen umgestellt – mit Ausnahme von Partnerorganisationen, die für die UNO Sachleistungen verteilen.

Die Welthungerhilfe arbeitet mit Bargeld und Gutscheinen. „Das einzige Produkt, das wir nach Syrien importieren, ist Mehl, für das wir den Grenzübergang Bab al-Hawa nutzen (zwischen der Türkei und Nordwest-Syrien, Anm. d. Red.). Für diese Transporte sind wir jedoch weder von der UN-Resolution noch von der Zustimmung der syrischen Regierung abhängig, da sie unter der Schirmherrschaft des Türkischen Roten Halbmonds durchgeführt werden.“

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