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Kai Wegner und Katharina Günther-WünschDie Beziehungen des Regierenden

Hanno Fleckenstein
Kommentar von Hanno Fleckenstein

Der Regierende bestätigt das „süßeste Tuschelthema von Berlin“: Er hat eine „Neue“. Kaum ein Thema ist dagegen, dass es Kai Wegner repressiv mag.

Kai Wegner sitzt bei einer Präsentation in einem vernetzten Polizeifahrzeug der Zukunft Foto: picture alliance/dpa/Britta Pedersen

S chlechte Presse ist auch gute Presse: Was wie eine abgedroschene PR-Weisheit klingt, bewahrheitet sich gerade wieder einmal im Tratsch über Berlins Regierenden Bürgermeister Kai Wegner. Schon zwischen den Jahren füllte das „Liebes-Aus“ des CDU-Politikers und seiner Ehefrau Kathleen Kantar die Klatschspalten. Würze erhielt die ganze Angelegenheit, als erste Gerüchte über Wegners neue Partnerin öffentlich wurden: Es sollte sich um Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch handeln. Eine Beziehung, die die beiden nun auch öffentlich gemacht haben.

Es gibt berechtigte Bedenken angesichts der Kabinettsromanze: Kai Wegner ist Günther-Wünschs Vorgesetzter, er hat sie ernannt, er kann sie entlassen. Was ist mit möglichen Interessenkonflikten zwischen Privatleben und Senatspolitik? Regeln zur Bevorteilung oder Benachteiligung von Angehörigen betreffen im Senat nur Ehe­part­ne­r*in­nen und Verwandte, nicht aber amouröse Beziehungen, die weder von Staat noch Kirche abgesegnet wurden.

Derweil verzückt das „süßeste Tuschelthema von Berlin“ (Bild) die Boulevardmedien. Alte Storys werden aufgewärmt von Politikeraffären und Rosenkriegen. Das Internet schmunzelt über den pfiffigen Vergleich zwischen Kai Wegner mit Erich Honecker: Der SED-Generalsekretär und DDR-Staatsratsvorsitzende unterhielt eine Liebesbeziehung zur (Volks-)Bildungsministerin – allerdings ganz offiziell, schließlich waren Erich und Margot verheiratet.

Das schadenfrohe Gerede über die Klüngelgefahr im Berliner Senat erstickt aber wichtige Diskussionen über Wegners politische Handlungen und Positionen: etwa über den Polizeieinsatz in der Silvesternacht, die Kai Wegner liebevoll „Nacht der Repression“ taufte und nun unter dem Stichwort „weitgehend friedlich“ als politischen Erfolg verbuchen will. Oder über Wegners unterkühlten Fernsehauftritt bei RTL gleich am zweiten Morgen des neuen Jahres, als er forderte, Bür­ger­geld­emp­fän­ger*in­nen schrittweise die Zahlungen abzudrehen, bis sie endlich wieder arbeiten.

Und so kommt dem Regierenden Bürgermeister die Aufregung über sein Liebesleben wohl gar nicht mal so ungelegen: Er muss sich aus dem Parlament zwar Fragen zu seinen Liebschaften gefallen lassen, nicht aber zu Demonstrationsverboten und Tausenden Polizeikräften mitsamt Räumpanzern und Wasserwerfern, die unter anderem auf der Sonnenallee in Nord-Neukölln das verhindern sollten, was andernorts als der Bür­ge­r*in­nen gutes Recht gilt: böllern.

Noch vor einem Jahr hatten Wegner und die CDU die damaligen Silvesterkrawalle wochenlang gekonnt ausgeschlachtet, sie boten willkommenes Wahlkampfmaterial, die Unions-Fraktion im Abgeordnetenhaus verstieg sich dazu, nach den Vornamen der Tatverdächtigen zu fragen, um allen zu zeigen, dass „die Ausländer“ schuld waren. Geschadet hat es ihr nicht, im Gegenteil, die ressentimentgeladene Welle spülte Kai Wegner unverhofft ins Rote Rathaus.

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Ein Jahr später existiert anscheinend kein ernsthaftes Interesse an einer Antwort, warum es dieses Mal nicht so laut geknallt hat wie beim Jahreswechsel davor. Einige Tage lang stand Wegner gar als der Held da, der mit einem massiven Polizeiaufgebot die „Böllerchao­ten“ in die Schranken gewiesen hat. Diese wohlwollende Berichterstattung wurde zwar abgelöst vom Interesse an der Beziehung zu seiner Parteifreundin Günther-Wünsch – was aber nicht an Wegners neuem Law-and-Order-Image kratzt. Der liebestolle Bürgermeister kann so auch in Zukunft – etwa beim anderen Berliner Problemtag, dem 1. Mai – seine reaktionäre Sicherheitspolitik fortführen.

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Hanno Fleckenstein
Redakteur taz.berlin
Redakteur für Innenpolitik im Berlinteil. Seit 2021 bei der taz, zuerst als freier Mitarbeiter und Text-Chef in den Ressorts Inland, Wirtschaft+Umwelt, Meinung und taz.eins. Hat Politikwissenschaft und Publizistik in Berlin und Maskat (Oman) studiert.
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5 Kommentare

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  • Gibt es keine wichtigeren Themen.

  • Och, man kann auch darüber reden.

    Nur dürfte die Diskussion dem Autor weit weniger gefallen als Wegner.

    Wirklich friedlich war es ja nicht.

    Man muss sagen, Senat und Polizei hatten Silvester im Griff.

    Den Personalaufwand kann Wegner natürlich nicht laufend halten.

    Wegner wurde insebesondere wegen Silvester gewählt, und er hat geliefert.

    Gibt es in Berlin nicht so häufig.

    Dass man hier an manchen Ecken knallen darf, an anderen – vorwiegend migrantischen – Ecken eher nicht, hatte schon der rot-grün-rote Senat eingeführt.

    Scheint Herr Fleckenstein irgendwie vergessen zu haben.

    Und sonst?

    Berlin ist aktuell das einzige Bundesland mit einem Winterabschiebestop.

    Merz ist er in die Parade gefahren.

    Eigentlich recht handzahm.

    Der 1. Mai ist in Berlin seit einiger Zeit kein herausragender Problemtag mehr.

    Wegner wird Spanger und die Polizei machen lassen.

  • Das alles hat Berlin nur Frau Giffey zu verdanken. Warum Sie nicht nach dem Parteivorsitz endlich auch ihren Senatsposten abgibt? Professionell hat Sie ohnehin nur heiße Luft vorzuweisen. Wahrscheinlich wären auch noch weitere Konsequenzen in den Bezirken und im Landesvorstand nötig, der G. dabei geholfen hat der "reaktionären Welle" zum Durchbruch zu verhelfen.

    • @ingrid werner:

      Schon mal darüber nachgedacht, warum die Berliner*innen von Kai Wegner und seinem Senat mehr begeistert sind als von RRG?

  • Die Frauen fliegen halt auf den starken Mann, dass der beim weiblichen Reiz ganz schwach wird gehört dazu, der großstadtkasanova.