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Gesellschaftliche Erwartungen an FrauenMädchen, jetzt lach doch mal!

Schon von klein auf wird von Mädchen erwartet, dass sie lächeln sollen. Dabei macht künstliches Lächeln krank – vielleicht reicht auch Zähne zeigen.

Ihr schönstes Lächeln! Foto: Mint Images/imago

W enn ich als kleines Mädchen mit meiner Mutter in den Supermarkt ging, war mein Highlight immer die Fleischtheke. Dort bekam ich eine Scheibe Gesichtswurst geschenkt, in Form eines Grinsegesichts, das auch noch köstlich schmeckte. Doch an jenem Tag guckte ich für den Geschmack meiner Mutter wohl zu griesgrämig, um sie verdient zu haben. „Was machst du bloß für ein Gesicht?“, fragte sie – und forderte mich auf zu lächeln.

Da wurde mir zum ersten Mal klar, dass ich meine Mundwinkel bewusst einsetzen kann und das in bestimmten Situationen auch von mir verlangt wird. Etwa als viele Jahre später ein Mann einen Lachmund in die Luft zeichnete, um mich daran zu erinnern, dass ich lächeln solle. Oder als ein anderer während eines Studijobs zu mir sagte: „Mensch, Mädchen, jetzt lach doch mal, dann siehst du gleich viel hübscher aus!“

Übergriffige Aufforderungen wie diese kennen viele, vor allem Frauen. Laut Wissenschaftler*innen, die 186 Studien zum Thema Lächeln ausgewertet haben, lächeln vor allem junge Frauen häufiger als ihre männlichen Altersgenossen. Einer britischen Umfrage zufolge gaben fast zwei Drittel der weiblichen Teilnehmenden an, mindestens ein Mal in ihrem Leben zum Lächeln ermahnt worden zu sein.

Und das hat weitreichende Konsequenzen. Denn wenn einem immer wieder gespiegelt wird, dass der eigene Gesichtsausdruck unangemessen ist, führt das dazu, dass man ihm irgendwann misstraut und ihn durch ein gefaktes Lächeln milder und zugänglicher wirken lässt. Ein klassischer Fall von Wahrnehmungsmanipulation! Im Patriarchat muss es schließlich ein paar bezaubernde Elfen geben, die all die Helden des XY-Chromosoms nach getaner Arbeit – sei es auf dem Schlachtfeld oder im Büro – mit einem Lächeln auffangen und ihnen damit das Gefühl geben, dass sie das ganz, ganz toll gemacht haben.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Die Frau als fröhlicher Clown, der nicht nur hübsch ausschaut, sondern auch bestens gelaunt die Drecksarbeit erledigt. Zumindest hätten die Herren der Schöpfung gerne das Gefühl. Nicht ohne Grund wird auch im Dienstleistungsbereich meist ein Lächeln verlangt, das den Kun­d*in­nen vorgaukelt, es sei ein großer Spaß, Bierkrüge zu schleppen oder haarige Rücken zu massieren, alles andere gibt eine schlechte Bewertung bei Google oder Yelp. Dabei macht ein solches Servicelächeln krank, ja fördert auf Dauer sogar Depressionen, wie die US-amerikanische Soziologin Arlie Russell Hochschild herausgefunden hat. Darüber hinaus ist es furchtbar anstrengend. Wer schon mal im Service gearbeitet hat, weiß, wie sehr die Wangenmuskulatur schmerzt, wenn sie unnatürlich lang angespannt wurde.

Den Höhepunkt meiner Lächelkarriere erlebte ich übrigens auf einer Elektronikfachmesse. Wir Pro­mo­te­r*in­nen wurden dazu angehalten, stets zu lächeln. „Und wenn euch mal nicht danach zumute ist: Zähne zeigen reicht auch.“ Über diese Aussage muss ich heute noch lächeln. Denn sie verdeutlicht wie kaum eine andere, dass es manchmal nur ein kleiner Schritt von der Unterwerfung zur Drohgebärde ist.

Wer im Service gearbeitet hat, weiß, wie sehr die Wangenmuskulatur schmerzt, wenn sie unnatürlich lang angespannt wurde

Seit gut 20 Jahren wird auf Social Media und in den Boulevardmedien das „Resting Bitch Face“ diskutiert: Gesichter, die selbst im entspannten Zustand verächtliche oder genervte Züge zeigen und dadurch abschreckend auf ihr Umfeld wirken. Und ja, auch ich kenne Leute mit einem Hang zum „RBF“, die mich schon verunsichert haben. Doch je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr habe ich das Gefühl, dass nicht ihr Gesichtsausdruck das Problem ist, sondern meine Interpretation. Wäre es nicht befreiend, wenn wir uns alle ein bisschen mehr so dreinblicken ließen, wie wir sind? Die einen gucken halt nicht besonders freundlich, weil sie es nicht sind, die anderen, weil ihre Physiognomie es nicht anders hergibt.

Seitdem ich weiß, dass Lächeln einen zwar sympathischer, dafür aber oft nicht besonders kompetent oder durchsetzungsstark erscheinen lässt, versuche ich nur noch zu lächeln, wenn mir danach ist. Und siehe da: Die Welt begegnet mir seitdem zwar nicht unbedingt freundlicher, dafür aber mit mehr Respekt.

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Anna Fastabend
Redakteurin wochentaz
Hat mal Jura studiert und danach Kreatives Schreiben am Literaturinstitut in Hildesheim. Hat ein Volontariat bei der Märkischen Oderzeitung gemacht und Kulturjournalismus an der Universität der Künste Berlin. Schreibt über feministische Themen, Alltagsphänomene, Theater und Popkultur.
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17 Kommentare

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  • "... lächeln vor allem junge Frauen häufiger als ihre männlichen Altersgenossen."

    Sie haben ja auch mehr Grund zum lächeln. Sie sind keine Männer 😉

  • Das ist ein ganz witziger Ansatz: Aber wenn man gute Laune fakt, wird die Laune tatsächlich besser. Man sollte daher auch die Männer dazu mehr ermuntern. Aber wer glaubt Papi denn die harte Arbeit,wenn er breit grinsend nach Hause kommt?

  • Gilt auch im Einzelhandel. Hat mich ganz krank gemacht .

  • Ich versteh nicht, warum frau so eineb Satz aus der Gender-Perspektive interpretiert. Mein Bruder und ich (nicht nur gelesen männlich) haben das auch dauernd gehört, wie meine Schulkollegen auch.

    • @Emmo:

      Hat es aufgehört, als Sie erwachsen wurden? Oder passiert Ihnen das heute immer noch?

      • @sàmi2:

        das passiert (selbstverständlich) immer noch :-)

        • @Emmo:

          Okay, das wundert mich, hätte ich also nicht für selbstverständlich gehalten :-) Ich habe das gegenüber Frauen und Kindern schon öfter und gegenüber Mãnnern noch nie beobachtet. Mag Zufall sein, oder selektive Wahrnehmung. Die Erkenntnisse aus der Lächel-Forschung sind da vermutlich sehr begrenzt.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    „Iss, was gar ist, Trink, was klar ist, Sprich, was wahr ist. " - Norddeutsche Bauernweisheit



    Die Welt verändert ihr Gesicht.



    Wer nicht lügt, dem glaubt man nicht...



    taz.de/AfD-auf-TikTok/!5979204/



    Und ein Lächeln wie gemalt,



    bekommt die, die dafür zahlt.



    Doch die wirklich, wirklich Schlimmen



    verstellen auch noch ihre Stimmen.



    ---



    Owie lacht zur Weihenacht.



    Lesenswert - Interview und Kommentare:



    taz.de/Komiker-ueb...-Lachens/!5979148/

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Ja - “Liebeläutend zieht durch Kerzenhelle,

      mild, wie Wälderduft, die Weihnachtszeit.

      Und ein schlichtes Glück streut auf die Schwelle

      schöne Blumen der Vergangenheit.

      Hand schmiegt sich an Hand im engen Kreise,

      und das alte Lied von Gott und Christ bebt durch Seelen und verkündet leise,

      dass die kleinste Welt die größte ist.

      (Joachim Ringelnatz)



      & derselbe -



      “Komm, sage mir, was du für Sorgen hast

      Es zwitschert eine Lerche im Kamin,



      wenn du sie hörst.



      Ein jeder Schutzmann in Berlin



      verhaftet dich, wenn du ihn störst.

      Im Faltenwurfe einer Decke



      klagt ein Gesicht,



      wenn du es siehst.



      Der Posten im Gefängnis schießt,



      wenn du als kleiner Sträfling ihm entfliehst.



      Ich tät' es nicht.

      In eines Holzes Duft



      lebt fernes Land.



      Gebirge schreiten durch die blaue Luft.



      Ein Windhauch streicht wie Mutter deine Hand.



      Und eine Speise schmeckt nach Kindersand.

      Die Erde hat ein freundliches Gesicht,



      so groß, daß man's von weitem nur erfaßt.



      Komm, sage mir, was du für Sorgen hast.



      Reich willst du werden? – Warum bist du's nicht?“

  • Kind, lächele mal.



    Kind, sei stark.



    Kind, stell Dich nicht so an.



    Kind,...

    Es ist gut, wenn man sich irgendwann von den elterlichen Wünschen emanzipiert.



    Geschlechterneutral.

    • @fly:

      Diese Aussagen hört man allerdings nicht nur von Eltern. Abgesehen davon richten Eltern damit großen Schaden an. Sie bringen ihren Kindern mit diesen Aussagen nämlich bei, dass sie 'falsch' fühlen und wer falsch fühlt, ist selbst schuld -- zumindest wird diese Behauptung immer wiederholt. Solange bis man es selbst glaubt. Das lässt sich nur sehr schwer bis gar nicht mehr 'abtrainieren' oder umdenken.

  • Spontan kam mir der Gedanke, dass Lächeln schnell verbindet und Sympathie mit Vertrauensvorschuss begründet, aber auch Einzelne ausschließt. Selbst oder insbesondere Heidi Klum wird sicherlich auch einen eigenen Bewertungsrahmen zu "erfolgreich formbaren" Gesichtszügen haben. Menschen erkennen je nach Erfahrungshorizont aber Täuschungen desgleichen recht gut. Manchmal ist es überraschend, wenn die am Telefon so freundliche Person nicht adäquat dazu lächeln kann, wie das nach der Stimme zu erwarten gewesen wäre.



    Eine Alternative für Lächel-Karenz: "Dinner in the Dark."



    Ein weiterer Tipp, um die Wertigkeit des Blickes für die Kommunikation zu prüfen:



    „Sie sollen alles machen – nur nicht sehen“: Simone Bettermann-Grüttner kann man blind vertrauen. Die 35-jährige erblindete Sozialarbeiterin ist seit zwei Jahren „Guide“ in der Hamburger Ausstellung „Dialog im Dunkeln“. Dort zeigt sie den Besuchern, wie es ist, eine Stunde lang nichts zu sehen."



    taz.de/Es-ist-noch...-gegangen/!718963/



    "Ein Lächeln kostet nicht viel, aber es ist viel wert", sagt der Volksmund.

  • Man wurde (und wird immer noch) auch als Junge aufgefordert, zu lachen.

    • @Offebacher:

      Da gibt es heute auch noch deutlich jüngere Kolleginnen, die den alten Boomer auffordern mal zu lächeln ....

  • "Lächeln ist die eleganteste Art, seinen Gegnern die Zähne zu zeigen."



    (Werner Finck)

    Diesen Grundsatz habe ich in meinem Berufsleben beherzigt - und bin immer gut damit gefahren!

  • Aber jetzt wollen wir unseren Ärger bei einer großen Schale Erdbeereis vergessen!

  • "Doch je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr habe ich das Gefühl, dass nicht ihr Gesichtsausdruck das Problem ist, sondern meine Interpretation"



    Es wäre sicherlich deutlich empathischer die Gesichtsausdrücke anderer Menschen einfach zu ignorieren. Die Evolution wird dahingehend sicher fortschreiten