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Femizid in BremenGetötet wegen ihres Lebensstils?

Ein Mann soll seine 23-jährige Schwester getötet haben. Die Staatsanwaltschaft sieht Hinweise, dass er mit ihrer Art zu Leben nicht einverstanden war.

Flatterband sperrt den Tatort in Bremen ab. Hier soll ein 24-Jähriger seine Schwester getötet haben Foto: Nord-West-Media TV/dpa

Bremen taz | Nach der Tötung einer 23-jährigen Frau im Bremer Stadtteil Walle, mutmaßlich durch ihren Bruder, ruft ein feministisches Bündnis zu einer Kundgebung am Donnerstagnachmittag auf. „Schon wieder ein Femizid“, heißt es in einer Pressemitteilung des Feministischen Streiks Bremen, „eine weitere, die sterben musste, eine weitere, die nicht geschützt wurde“.

Als Femizide werden Tötungsdelikte bezeichnet, wenn das Opfer aufgrund seines weiblichen Geschlechts getötet wurde. In Deutschland ist dies bisher kein eigener Straftatbestand, daher gibt es auch keine Statistik dazu.

Auf der Kundgebung solle aller gedacht werden, die in diesem Jahr weltweit durch Femizide starben, heißt es in dem Aufruf. Und: „Femizide sind kein Zufall, sondern Resultat einer sexistischen Gesellschaft.“ Die Ursachen seien „patriarchale Machtvorstellungen, Kontrollausübung und eine Gesellschaft, in der Gewalt Alltag ist“.

Am Dienstag hatte sich der Sprecher der Bremer Staatsanwaltschaft, Frank Passade, zu einem möglichen Tatmotiv geäußert. Der Tatverdächtige selbst, ein 24-jähriger somalischer Staatsbürger, habe dazu nichts gesagt, sagte er am Dienstag der taz. „Es gibt aber Hinweise darauf, dass er mit dem Lebenswandel seiner Schwester nicht einverstanden war und sich persönlich in seiner Ehre verletzt gefühlt hat.“

Der 24-Jährige hat selbst die Polizei gerufen

Die Tat hat sich nach Angaben der Polizei am Samstagabend gegen halb zwölf in einem Mehrfamilienhaus in der Waller Heerstraße ereignet. Der 24-Jährige habe selbst die Polizei angerufen und gesagt, er habe seiner Schwester „etwas angetan“, heißt es in einer Pressemitteilung der Polizei. Die Einsatzkräfte hätten eine leblose Frau in einem Zimmer vorgefunden, die am Tatort verstarb. Wiederbelebungsmaßnahmen seien erfolglos geblieben. Die Tatwaffe sei ein Messer gewesen, sagte Passade zur taz.

In der Wohnung hätten sich weitere Familienangehörige aufgehalten, heißt es in der Polizeimeldung. Wie viele und wer – ob Eltern, Kinder oder andere Verwandte – könne er nicht sagen, so Passade. Die Ermittlungsergebnisse sprächen für eine allein begangene Tat. Es gebe keinen Hinweis darauf, dass andere Personen beteiligt waren.

Kundgebung (nicht am Tatort)

Donnerstag, 14. Dezember, 17 Uhr, Familie-David-Platz (Ecke Wartburgstraße/Vegesacker Straße/Grenzstraße)

Das feministische Bündnis, das zu dem Gedenken am Donnerstag aufgerufen hat, kritisierte die Berichterstattung in einigen Bremer Medien, weil diese die Tat als „Ehrenmord“ bezeichnet hatten. „Dieser Begriff entspricht rassistischen Diskursen, er ignoriert, wie alltäglich sexistische Gewalt in allen Teilen unserer Gesellschaft ist“, finden die Au­to­r:in­nen des Aufrufs. Dahinter steckt die Überzeugung, eine derartige Tat habe nichts mit dem kulturellen Hintergrund des Täters zu tun, sondern mit universellem Frauenhass.

Andere halten dem entgegen, dass benannt werden müsse, wenn eine Frau nicht nur getötet wurde, weil sie eine Frau ist – sondern weil der Täter glaubt, damit eine patriarchale Ordnung wieder herzustellen, die in seiner Herkunftskultur dominant ist und die Frauen keine eigenständigen Entscheidungen zugesteht. „Wer verharmlost und kulturrelativistisch argumentiert, der macht sich mitschuldig“, hatte etwa der Berliner Psychologe Ahmad Mansour 2020 im Tagesspiegel geschrieben. „Welten liegen zwischen Beziehungstaten, die es überall gibt, auch unter Migranten, und den Verbrechen ‚im Namen der Ehre‘“, hatte Mansour argumentiert.

Zuletzt wurde vor zwei Jahren öffentlich über den Begriff gestritten – nach der Tötung einer 34-jährigen Afghanin in Berlin, ihre beiden Brüder wurden deswegen Anfang des Jahres zu lebenslanger Haft verurteilt. „In Deutschland wird jeden dritten Tag eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. Das ist kein Ehrenmord, das ist Femizid“, hatte dazu die damalige Berliner Integrationssenatorin Elke Breitenbach (Die Linke) gesagt und war dafür von SPD- und CDU-Politiker:innen kritisiert worden. Sie hatte sich auch gegen den Begriff gewehrt, weil er nahe lege, Mord habe etwas mit Ehre zu tun.

2022 sind laut Bundeskriminalamt 133 Frauen und 19 Männer Opfer von Gewalt durch Part­ne­r:in oder Ex­part­ne­r:in mit tödlichem Ausgang geworden. Eine Auswertung zu Straftaten weiterer Angehöriger wie Brüder gibt es nicht.

In Hannover hatte es kürzlich eine ähnliche Kundgebung gegeben, nachdem eine 21-Jährige mutmaßlich von ihrem Ex-Freund getötet worden war.

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10 Kommentare

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  • Diese Frau wurde getötet, weil sie nicht den somalischen (von der Sharia vorgegebenen) Verhaltensweisen gefolgt ist. Da jetzt "Das Patriachat" als einzige Ursache auszumachen ist politisch vielleicht bequem, reicht aber zu kurz. Frauen aus diesen Communities brauchen extra Schutz, alle extra Schulung.

  • Was ist eigentlich der aktuell korrekte Begriff dafür, wenn ein schwuler Mann von seiner Familie getötet wird, weil diese meint, dass sie nur so den traditionellen Vorstellungen von Familienehre und Reputation genügen könne?

    Femizid kann es ja wohl nicht sein.

  • Wir müssen aufwachen. Solche Täter gibt es überall! Wer kümmert sich um die Frauen? Warum können wir von diesen Tätern keinen Schutz gewähren...warum sind die überhaupt hier?

  • Über den konkreten Begriff "Ehrenmord" kann man sicher streiten.

    Ich habe jedoch keinerlei Verständnis für die "antirassistische" Position in dieser Frage. Morde von Männern an ihren noch- oder ex-Partnerinnen, ja die gibt es überall.



    Aber dass Männer ihre eigene Schwester, Tochter oder Cousine aufgrund deren Lebenswandels umbringen oder verstümmeln, tw. nach Beschluss eines Familienrates, in dem auch Frauen Stimme haben können, so was ist in modernen westlichen Gesellschaften völlig unüblich.

    Übrigens halte ich den Begriff des Femizides auch für schwierig. Es wird ja in den betreffenden Konstellationen nicht eine x-beliebige Frau nur aufgrund ihres Frauseins umgebracht, sondern eine konkrete, in einer Beziehung zu dem oder die Täter stehende Frau. Und auch dann ist nicht deren Weiblichkeit das Motiv, sondern ein von bestimmten Normen abweichendes Verhalten.

    • @Chris McZott:

      Frauen werden im Falle eines Femizids nicht umgebracht, weil sie Frauen sind, sondern weil sie ALS Frauen gegen toxische Regeln oder Erwartungen verstoßen. Männern (wenn sie nicht schwul oder sonst was unerwünschtes sind) widerfährt das idR nicht. Also schon zum großen Teil wegen des Geschlechts, zumal für sie in entsprechenden communities extraharte Anstands-, Keuschheits- usw-Regeln gelten.

      • @dites-mois:

        Das Wort Femizid bedeutet dennoch einfach nur „Frauenmord“. Darin ist eben kein Verweis auf die erwähnten extraharten Regeln enthalten.

        Und diese Regeln sind nun mal kulturspezifisch. Es ist nun mal so, dass eine biodeutsche Familie sich garantiert nie am Küchentisch versammelt und die Mutter den Söhnen erklärt, dass sie die Schwester umzubringen haben, damit sie, die Mutter, sich wieder in der Community sehen lassen könne. Exakt das ist aber wohl vor dem



        Mord an Hatun Sürücü passiert. Und das unterscheidet Ehrenmorde dann eben fundamental von einer deutschen „Familientragödie.“ Bei letztere käme niemand im Umfeld des Täters auf die Idee, ihn zu verteidigen und keiner glaubt, dass er eben so handeln musste und das Opfer es hätte wissen müssen.

        • @Suryo:

          Kein Widerspruch, ich finde den Begriff Ehrenmord durchaus passend und den Rassismusvorwurf lachhaft. Es ist aber gleichzeitig ein Femizids. Und auch bei der beliebten deutschen „Familientragödie" handelt es sich immer dann um einen Femizids, wenn eine Frau gegen auferlegte "Treue"-Regeln oder den Besitzanspruch des Mannes verstoßen hat. Toxische Regeln gibt's auch bei den Kartoffeln.

  • Natürlich haben solche Morde etwas mit "Ehre" zu tun, wenn toxische Männer mit einem brachial reaktionären Gesellschaftsverständnis auf Frauen treffen, die Versuche in Selbstbestimmung unternehmen. Das ist an keine Herkunft gebunden, hat aber natürlich viel mit kulturellen Praktiken zu tun.

  • Die Begriffe Femizid und Ehrenmord sind beide auf ihre Weise problematisch und sinnvoll zugleich, je nachdem, welche Analyse oder Aussage ich treffen möchte.



    Femizid als Oberbegriff für Morde, die an Frauen aufgrund ihres Frauseins verübt werden, Ehrenmord alsKategorie dessen. Bei aller Achtung vor AntiRa-Ansätzen bleibt für Adressierung von Problemen oder möglicher Täter sowie möglicher Prävention eine Notwendigkeit der Binnendifferenzierung. Sollte sich ein besseter Begriff für diese Kategorie von Taten finden, wäre das wünschenswert. Sich jedoch auf ein kulturbefreites Patriarchat als Ursache berufen zu wollen, um ja niemensch zu diskriminieren, verbleibt leider im unterkompkexen Raum; weder für Analyse noch Prävention ist damit etwas gewonnen.

    • @Ijon Tichy:

      Ehrenmorde werden auch an Männern begangen. Zum Beispiel, wenn ein Familienmitglied sich als schwul outet.