Kaum Stipendien für schreibende Mütter: Kein Platz im Turmzimmer

Es gibt unzählige Stipendien für Autor*innen. An schreibende Mütter wird nicht gedacht, an Alleinerziehende schon gar nicht. Das muss sich ändern.

Mutter arbeitet am Laptop neben ihrem Sohn am Esstisch

„Zu alt, zu Mutter und auch zu arm“ für Stipendien? Foto: Westend61/imago

Wir kennen bereits viele Gaps: Gender Pay Gap, Gender Time Gap, Gender Wealth Gap, Gender Care Gap und so weiter. Ein Gap, der nicht so viel Beachtung hat, der mir aber als Autorin immer schmerzlicher auffällt, ist der Gender Scholarship Gap, der vor allem schreibende Mütter bei Stipendien komplett außen vor lässt.

In aller Regel kann man heute als freie Autorin ohne Nebenjob nur vom Schreiben leben, wenn man den Ball flach hält und sein Einkommen aus einer Mischung aus Buchverkäufen, Vorschüssen und Honoraren aus Aufträgen für Texte, Vorträge oder Lesungen bezieht. Es gibt natürlich Leute, die problemlos und mitunter sehr gut davon leben können. Die fallen aber entweder in die Kategorie Superstar, Alleinlebend ohne Care-Verpflichtungen oder querfinanziert von Erbe und/oder Partner*in. Deshalb sind Preise und Stipendien für viele Au­to­r*in­nen wichtig, um Lücken zu stopfen, die sich zwischen zwei Veröffentlichungen auftun können.

Es gibt im deutschsprachigen Raum eine Fülle von Stipendien und Preisen, für die man sich als Journalistin oder Autorin bewerben kann. Für Studierende mit Kind, für Frauen bis 35, Arbeits-, Recherche- oder Aufenthaltsstipendien. Es scheint für jeden etwas dabei zu sein. Außer eben für Mütter über 35 oder – der Himmel bewahre – über 40 Jahren. Da ist offenbar die Grenze der Förderwürdigkeit erreicht.

Alleinerziehende werden nicht mitgedacht

Immer wenn ich mich doch wieder durch die ganzen Stipendien wühle, bei denen ich mich nicht bewerben kann, weil ich zu alt, zu Mutter und auch zu arm bin, um 16 Wochen in einem Turmzimmer einer deutschen Kleinstadt zu sitzen, um an meinem „besonders anspruchsvollen literarischen Werk“ zu feilen, kippe ich in ein kleines Tief.

Wochenlang oder monatelang an einem See sitzen und an einem neuen Buch zu schreiben, wäre schon traumhaft. Ideen hätte ich genug, aber Kinder habe ich eben auch genug, um zu wissen, dass das nicht möglich sein wird. Selbst mit einem Partner, der den Laden problemlos alleine schmeißen könnte, sehe ich nicht, wie ich so lange die Stadt verlassen soll. Für Alleinerziehende ist das alles sowieso ein einziger Witz.

Nur, wenn man nicht mehr schreiben kann, muss man es eben auch irgendwann lassen. Und das ist der langfristige Effekt dieser Stipendiensache, sie befördert die vorhandene Ungleichheit noch weiter.

Irrwitzig ist auch das Bild von „dem Schriftsteller“, das in all diesen Ausschreibungen transportiert wird – vor allem für Aufenthaltsstipendien als Stadtschreiber*in. Alleine, monatelang in einem (nicht barrierefreien) Zimmer sitzend, ohne jeglichen Verpflichtungen und sich ganz der Stadt hingebend. So kann man Schrift­stel­le­r*in­nen schon sehen, mir fallen aus dem Stand mehrere ein, deren Vibe das ist. Aber ist das wirklich alles, was wir lesen wollen?

Denn es gäbe durchaus Möglichkeiten, dieses System zu verändern. Man könnte Altersgrenzen abschaffen, oder zumindest Be­wer­be­r*in­nen drei Jahre Lebenszeit pro Kind anrechnen. Man könnte die Barrieren für Aufenthaltsstipendien senken, indem man die Anwesenheitspflicht vor Ort an die jeweiligen Bedürfnisse anpasst und remote Lösungen findet. Man könnte sogar speziell Eltern und Mütter fördern. Kaum auszudenken, was wir bisher an Literatur verpassen.

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Schreibt über Gesellschaft, Politik, Medien und manchmal über Österreich. Kolumne "Kinderspiel". War 2013 Volontärin der taz panter-Stiftung, dann taz-Redakteurin. Von 2019 bis 2022 Ressortleiterin des Gesellschafts- und Medienressorts taz zwei. Lebt und arbeitet in Wien.

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