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Kritische RohstoffeDie EU ruft nach dem Bergbau

Ohne Metalle keine Transformation. Europa muss fast alle importieren. Deshalb will die EU nun auf Recycling und heimische Rohstoffe setzen.

Visionen des Bergbauunternehmens Saxore: noch virtueller Stolleneingang bei Rittersgrün Foto: Hendrik Schmidt/dpa

Berlin taz | Ein Klick auf die Internetseite der kleinen Gemeinde Breitenbrunn, und das Problem der Rohstoffgewinnung in Deutschland ist verstanden: Unter dem Reiter „Geschichte“ wird über den Bergbau berichtet, der das Dorf im sächsischen Erzgebirge „über Jahrhunderte prägen sollte“ und schon in der ersten urkundlichen Erwähnung im Jahre 1380 vorkommt. Unter „Gegenwart“ wird auf der Website über Sportplätze, Restaurants und Wanderwege informiert: „Moderne Ferieneinrichtungen“, „fernab des Massentourismus“. Früher Bergbau – heute Tourismus. Und morgen?

„Wir hoffen, dass wir im Laufe des Jahres 2026 mit der Zinn-Förderung anfangen können“, sagt Thomas Bünger, Geschäftsführer der Saxore Bergbau GmbH mit Sitz in Freiberg, eins von 35 Unternehmen der Bergbaubranche, die sich im Rahmen des neuen „Berggeschreis“ in Sachsen niedergelassen haben.

Mit der Förderung von Lithium, Gallium oder Silber begonnen hat allerdings noch keines. Experten gehen nicht davon aus, dass im Erzgebirge in den nächsten zehn Jahren Dutzende Bergwerke eröffnet werden. Zwei bis drei Projekte könnten eine Genehmigung erhalten, und die Freiberger Saxore ist in den Verfahren schon weiter fortgeschritten als andere. Sie will mehrere Metalle fördern, darunter Zinn, Antimon, Indium, Gallium, Silber.

Einige dieser Stoffe führt die EU auf ihrer Liste „kritischer Metalle“; sie werden für die Transformation der Wirtschaft dringend benötigt, für Photovoltaik, Turbinen, Batterien, und ihre sichere und günstige Versorgung auf dem Weltmarkt ist nicht gewährleistet. Das Problem ist nicht neu, doch der Angriff Russlands auf die Ukraine und das neue Selbstverständnis Chinas haben es verschärft.

Kurzer Prozess geplant

Die EU reagiert darauf mit dem „Critical Raw Materials Act“. Am Dienstag verhandeln Parlament, Kommission und Rat der Europäischen Union darüber, wie dieses „Gesetz über kritische Rohstoffe“ genau formuliert sein soll. Weil das Thema drängt, könnte das Vorhaben ungewöhnlich schnell vorangehen: Bis Ende des Jahres soll verhandelt werden, im Frühjahr könnte das Gesetz verabschiedet werden. Die Folgen währen weitreichend.

Trilogverfahren finden klassischerweise hinter verschlossenen Türen statt, der genaue Verhandlungsstand ist unbekannt. Im Kern geht es um mehr heimischen Bergbau, mehr Recycling und stabilere Lieferpartnerschaften mit sicheren Herkunftsländern. Die EU will Zielvorgaben machen, wie viele der „kritischen Rohstoffe“ aus Recycling und wie viele aus europäischem Bergbau stammen müssen. 34 „kritische Stoffe“ führt sie auf ihrer Liste, von Antimon über seltene Erden bis zu Vanadium.

„Das Bewusstsein dafür ist groß, dass wir in Sachen kritische Rohstoffe mehr europäischen Bergbau brauchen“, sagt Nicola Beer. Die FDP-Politikerin führt die Trilogverhandlungen für das EU-Parlament. Hierbei gelte es, Genehmigungsverfahren zu straffen und Projekte schneller zu genehmigen. Es gehe nicht darum, die Umweltstandards zu senken oder die Mitsprache der Bür­ge­rinnen und Bürger einzuschränken, betont sie, „die Beschleunigung bewirken wir durch Bündelung“. Sie stellt sich einen „One Stop Shop“ vor – eine einzige Stelle, an der alle Verfahren eines strategischen Bergbauprojekts von der Umweltverträglichkeitsprüfung bis zur Bauplanung und Verkehrsanbindung zusammenlaufen.

Sieben lange Jahre

„Es ist gut, dass sich Europa jetzt um das Thema kümmert“, sagt Bünger. Vor allem die 2-Jahres-Frist, die diskutiert wird, hält er für notwendig. Seit dem Jahr 2011 arbeitet die Saxore an dem Projekt. 2019 erteilte das zuständige Sächsische Oberbergamt aus Freiberg ihr eine Aufsuchungsgenehmigung. Das heißt, die 20-Mann-Firma durfte in dem benannten Gebiet nach Zinn suchen. Die noch im selben Jahr erteilte Gewinnungsberechtigung erlaubte dem Unternehmen, die Anträge für die weiteren Genehmigungsverfahren zu stellen – das Raumordnungsverfahren, die Umweltverträglichkeitsprüfung oder das Planfeststellungsverfahren. Die Dauer aller Genehmigungsverfahren ist schwer vorhersehbar, Bünge hofft auf insgesamt sieben Jahre.

Bernhard Cramer kennt die Vorwürfe, die Verwaltungen arbeiteten zu bürokratisch und zu langsam. Er leitet das Sächsische Oberbergamt in Freiberg, bei dem alle Genehmigungsverfahren über sächsische Bergbauprojekte zusammenlaufen. „Unsere Verfahren dauern, weil die Unternehmen bei uns umfangreiche Unterlagen und Planungen vorlegen müssen, damit wir rechtssichere Entscheidungen treffen können“, sagt er. Die aufwändigen und langen Verfahren seien nötig, damit im Vorfeld möglichst alle Konflikte gelöst werden könnten, die ein Bergwerk für Umwelt und Bevölkerung bedeuten könnte.

Für das Zinnbergwerk in Breitenbrunn bedeutet das etwa, dass der zu erwartende Verkehr berechnet werden muss. Das Ergebnis der Verkehrsstudie gefiel den Breitenbrunnern allerdings gar nicht: Täglich zwischen 8 und 18 Uhr sollen bis zu zehn Lkws pro Stunde über die Staatsstraße im Erzgebirgstal fahren, und das für die nächsten 10, vielleicht 25 Jahre. Diese Belastung sei zu groß, finden die Anwohner.

Komplexe Genehmigungsverfahren

Also hat die Saxore eine weitere Verkehrsstudie in Auftrag gegeben, die nun ermitteln soll, wie der Verkehr „noch effizienter organisiert werden könnte“, so Bünger. Ist es nicht richtig, vor solch großen Projekten Zeit in die Planung zu stecken, um Fehler und Belastungen im Vorfeld so klein wie möglich zu planen oder gar auszuräumen? „Um die Firma Saxore GmbH zu betreiben, brauchen Sie im Monat 100.000 Euro“, sagt Bünger trocken, „sie können die Investoren nicht ewig hinhalten“,

Gesetze und Vorschriften sind nicht das Problem, sondern Teil der Lösung

Ferdinand Pavel, Ernst & Young

Im vergangenen Jahr hat die Unternehmensberatung Ernst & Young im Auftrag der Bundesregierung die Genehmigungsverfahren im Rohstoffsektor untersucht. Ergebnis in der Kurzfassung: Die Verfahren werden komplexer, es gibt mehr Initiativen zur Rohstoffgewinnung – doch „in den Behörden gibt es keinen Personalaufbau, es gibt immer weniger Kompetenz vor allem in den unteren Genehmigungsbehörden, aber auch in den Bergämtern“, sagt Studienautor Ferdinand Pavel von Ernst & Young. „Dabei sind die Gesetze und Vorschriften nicht das Problem, sondern Teil der Lösung“, sagt Pavel. Zwar sei etwa die bei Unternehmen berüchtigte UVP – die Umweltverträglichkeitsprüfung – eine hohe Hürde. „Aber wenn man da einmal drübergesprungen ist, dann hat man auch Ansprüche und Rechtssicherheit“, so Pavel. Zunächst „fundamental erscheinende Gegensätze zwischen Bergbau und Naturschutz lassen sich auflösen“, sagt der Ökonom, „es gibt etwa Konzepte wie ‚Natur auf Zeit‘, bei dem Lebensräume als Ausgleich geschaffen werden“.

Die Einwände der Breitenbrunner allerdings lassen sich kaum auflösen: Sie halten generell nichts von dem Projekt. „Die Firma hat ihren Sitz nicht vor Ort“, sagt der parteilose Ortsbürgermeister Lars Dsaak, „wir hätten also die Belastungen, bekämen aber nicht einmal Gewerbesteuern.“ Es sei nicht einmal sichergestellt, dass die geförderten Metalle am Ende in Europa blieben – „hinterher werden sie nach China verkauft“, befürchtet Dsaak. Er vermisst echte Beteiligungsverfahren.

Zwar habe sich die Saxore einige Male mit seinem Amtsvorgänger getroffen und das Projekt auch im Gemeinderat vorgestellt.„Aber mehr als eine Stellungnahme abgeben können wir nicht“, sagt Dsaak. Auf die rund 100 Arbeitsplätze, die im Bergwerk entstehen sollen, lege man in der Gemeinde keinen großen Wert: „Wir haben hier Fachkräftemangel.“ Inzwischen gründet sich im Breitenbrunner Ortsteil Rittersgrün eine Bürgerinitiative gegen das Projekt. „Natürlich hat der Bergbau hier Tradition“, sagt Dsaak, „aber wir haben hier jetzt ganz auf Tourismus gesetzt, und unsere Natur ist uns heilig.“ Und überhaupt: Es sei so viel Zinn im Umlauf, den Bedarf könne man aus Recycling decken.

Man benötige beides, sagt Unternehmensberater Pavel, Recycling und mehr Bergbau. Irgendjemand werde in den sauren Apfel beißen müssen. „Es wird Leute geben, die werden von ihrem Schlafzimmer aus Windmühlen sehen und andere haben Bergbau vor der Tür. Dabei muss es gerecht und transparent zugehen, dafür helfen gleiche Regeln, am besten auf europäischer Ebene.“

Es sei doch so, sagt Bergamtschef Cramer: Weltweit glaubhaft für Klimaschutz und die Transformation der Wirtschaft eintreten, das könne Europa nur dann, wenn es die dafür notwendigen Rohstoffe auch in Europa gewinnen würde. „Wir leben hier in einer der reichsten Regionen der Erde und nutzen die Rohstoffe aus ärmeren Ländern, das geht nicht.“

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8 Kommentare

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  • Wesentlich für die Abschöpfung in Deutschland ist das, was im Artikel anklang.

    Es braucht Gewinnbeteiligungen vor Ort. Man sieht es am grünen Strom aus Windrädern als Staccatos in der ostfriesischen Landschaft, für die Bürger vor Ort in Verbrauchs-Kosten und Zerstückelung der Landschaft bestraft werden.

    Die Gewerbesteuer muss rechtlich überholt werden, Unternehmen mit Bergbaurechten müssen anders behandelt werden. Die Gewerbesteuer ist sowieso aus vorigen Jahrhunderten, bedarf einer Reform der Steuerparadiese.

    Die Beteiligungsmodelle der Gemeinden und Bürger vor Ort und die notwendige Logistik, die nachfolgende Generation bedenken.

    Die Umweltausgleichsflächen wie in Sachsen angedacht, werden Naturschutzgebiete wie z.B. Portugal und Spanien für Lithium nicht wettmachen können.

    Es braucht mehr Gehirnschmalz, um Abbau minimalinvasiv zu handhaben.

    Es braucht einen Personalaufbau in Ämtern, und eine Schwerpunktstrategie für diese Studiengänge.

    Alle Veränderungs-Ansätze sind aus dem Artikel durch die Interviewten ersichtlich.

  • Wir sind reich, nur weil wir aus armen Ländern Rohstoffe importieren.

    Bodenschätze und dazu Halbfertigprodukte und Vorprodukte.

    Das ist das Prinzip, auf dem der Reichtum gehalten werden kann, der Grund, warum Arbeitsplätze ins Ausland verlegt wurden. Die Armut dort ist notwendig, um Arbeits- und Umwelt- und Rechtsstandards niedrig halten zu können und uns die Abschöpfung zu ermöglichen.

    Wenn ich von uns schreibe ist allerdings gemeint, dass nur wenige in unserer Gesellschaft vollumfänglich profitieren.

    Wäre es nicht so, hätte die BRD einerseits das geringere BIP der ersten fünf Jahrzehnte und andererseits eine geringere sozial-finanzielle Ungleichheit.

  • "...und das Problem der Rohstoffgewinnung in Deutschland ist verstanden:"



    Das ich nicht lache. Verstanden von den Fachleuten - ja.



    Ich sehe sie schon laufen die Jungen mit ihren Schildern. KEIN FRACKING - Kein xyz.

    Geothermie ist eine wunderbare saubere Energie, die mehr und mehr genutzt wird. Ohne Fracking geht das aber nicht. Damit verbunden ist z.B. die Förderung von Lithium im Oberrheintalgraben.

    Schiefergas ist in Deutschland für die nächsten 25 Jahre vorhanden. Da schreien sie auf, die Nichtwissenden. Stattdessen kauft man teures Frackinggas aus den USA. Sind die irre?

    Ein riesiges Gasfeld liegt im Mittelmeer, in der Nähe Zyperns. Da streiten sich die Anrainerstaaten wie die Kesselflicker, v.a. Griechenland und Türkei. Alle wollen den größten Anteil haben. Passieren tut nichts. EU-Versagen.



    Stattdessen kauft Habeck in Katar ein?

    • @Lord Jim:

      // Stattdessen kauft Habeck in Katar ein?

      Aber erst ab 2026 wird geliefert. Und auch nicht viel, so knappe 2-5% unseres Verbrauchs. Liegt eher im Bereich des Rauschens wie man so schön sagt.

      • @Der Cleo Patra:

        Also nur ein Beruhigungsmittel für die frierenden Seelen in diesem Land.

  • "Ohne Metalle keine Transformation" - Ohne Metalle keine Industrialisierung, nicht seit der Eisen, nicht in der Bronze[*]-, nicht ab der Kupferzeit.... So ganz neu is das somit nich - da sollten wir "Transformationsresilienzsozialökolo..." und ähnlich Schlagwortiges vielleicht nicht ganz so hoch hängen.



    Bis auf Skandinavien ham wir im 'Westen'' den Bergbau ja bittschön hoppladihopp aufgegeben. Sogar unsre Steinkohle de.wikipedia.org/w...skohlebeihilfe.jpg (neulich noch Ibbenbühren und Bottrop) kommt mittlerweile bloß noch aus Kolumbien. Und so-gut-wie-neue Stahlwerke hamwer abmontiert und nach Korea verkauft, wenn die Erinnerung nicht trügt - Exportweltmeister halt. Wer möcht und könnt da dran glauben, dass wir jetz wieder ernsthaft anfangen, in unsern eigenen Landschaften zu buddeln, nach Lithium und Co. ? Das mit der endlich mal ernsthaften Ressourcenverwaltung (vulgo: 'Recycling') glaubt mensch da schon eher.



    Stahl: Thyssenkrupp steht trotz Fusionitis auf Weltrang 35, anfang der 90-er warn die beiden noch Platz 9 und Platz 15. de.wikipedia.org/w...en_Stahlhersteller



    Und das seltene Zeugs ? Tantal etc. ? Am besten schön weiter ewige Kriege finanzieren per extraktionistischem (Post?-)Kolonialismus. de.wikipedia.org/wiki/Coltan Lithium? Australien und die USA werden EU-ropa das Zeugs wohl weiterhin freundlich verkaufen. Wird halt teuer.



    [*] Zinn ? Früher haben sogar Phoenizier und Griechen das bei 'uns', in Britannien, eingekauft. Handelsplatz dafür war z.B. Cádiz - is halt 3000 Jahre her. Den Großteil der diesbezgl. Einkäufe tätigte man allerdings schon damals über die Seidenstraße (nein, nicht die Neue). Indien und China hatten rechtzeitig die Großindustrie erfunden.



    Und jetz wolln wir Industrialisierungsnachzügler ausm 18./19, Jahrhundert nochmal ne neue Runde nachzüglern, im 21.? Abwarten, Tee (!) trinken ...

    • @lesnmachtdumm:

      Aufschlussreicher und humorvoller Beitrag.

  • Mit dem Punkt, dass es nicht sichergestellt ist, dass die Metalle in der EU/Deutschland verwendet werden, hst der Herr Bürgermeister einen guten Punkt (sollte das stimmen).



    Wenn jemand eine Windkraftanlage oder Bergwerk vor sein Haus gesetzt bekommt, sollte er dafür „grosszügig“ entschädigt werden, die Kommune deutlich am Gewinn beteiligt werden und natürlich ein nutzen für Deutschland daraus entstehen und dies alles sollte rechtssicher und verbindlich geschehen unter grösstmöglicher Rücksicht auf Umweltauflagen. Denn eine wirtschaftlich Transformation muss zu besseren Bedingungen für unsere Umwelt führen und da sollte man keine Abstriche machen. Wenn die Firma das Genehmigungsverfahren nicht übersteht, dann sollte sich ihr Geschäftsmodell überdenken und wir/der Staat eine andere Firma bitten, den Job zu übernehmen.