piwik no script img

Nach Antisemitismus-VorfällenKlimabewegung auf der Suche

Luisa Neubauer distanziert sich von Greta Thunberg. Neben Fridays for Future debattieren auch andere Klimagruppen über das Thema.

Enttäuscht von Greta Thunberg: Klimaaktivistin Luisa Neubauer (Fridays for Future) Foto: Soeren Stache/dpa

Es erschien ihnen ein schlechter Zeitpunkt für eine Klimakundgebung zu sein: Die internationale Organisation 350.org hat sich „angesichts der sich zuspitzenden Weltlage“ dazu entschieden, ihren globalen Klimaaktionstag am 4. November, der auch internationaler Solidaritätstag mit Palästina ist, gegen einen Aktionsmonat zu tauschen.

In dem Zuge hat sich ebenfalls das deutsche Team dazu entschieden, seine Kundgebung „Power Up für gerechte Klimalösungen“ abzusagen. Stattdessen haben sie die Aktion auf den 9. Dezember in den Zeitraum der Weltklimakonferenz verlegt. Der hoffnungsvolle Ton des Aktionstags zu erneuerbaren Energien passe nicht in die Zeit von Trauer und Leid, das viele angesichts des Israel-Palästina-Konflikts verspürten, sagt Sprecherin Kate Cahoon der taz. Für diese Gefühle wolle die Gruppe Raum geben.

Einen Bezug zu dem Konflikt, mit dem Fridays for Future zu kämpfen hat, habe die Entscheidung nicht gehabt. Die Klimabewegung Fridays for Future (FFF) steht nach antiisraelischen Positionierungen in der Kritik.

Vor einer Woche hat der internationale Account von FFF einen mehrteiligen Post veröffentlicht, der behauptet, die weltweiten Medien seien „von imperialistischen Regierungen finanziert, die hinter Israel stehen“. Die Gruppierung sprach von einer „Gehirnwäsche“ und bezeichnete Israel als „Apartheidsystem“. Umgehend distanzierte sich FFF Deutschland – auch von Greta Thunberg, die sich mehrmals mit Palästina solidarisierte.

Luisa Neubauer zeigt sich enttäuscht

Dem Zeit-Magazin sagte FFF-Sprecherin Luisa Neubauer: „Dass Greta Thunberg bisher nichts Konkretes zu den jüdischen Opfern des Massakers vom 7. Oktober gesagt hat, enttäuscht mich.“ Neubauers Haltung gegen Antisemitismus sei klar. Es sei offensichtlich, dass die globalen Realitäten auseinandergingen, wenn es um Israel und Palästina gehe. „Das rechtfertigt aber weder Antisemitismus noch Desinformation.“ Es zerreiße sie, wie Bewegungen gerade auseinanderdrifteten.

Als Konsequenz, erklärt Luisa Neubauer, habe Fridays for Future Deutschland internationale Prozesse, die von ihrer Seite anliefen, angehalten, wie etwa Abstimmungen zu Kampagnen. Sie sagt: „Es ist nicht ganz unkompliziert, sich formal zu trennen, weil es ja keine formalen Strukturen gibt.“ Vielmehr sei die internationale Bewegung ein loses Netzwerk aus Telegram-Gruppen.

Keine Namensänderung von Fridays for Future

Den Namen ändern, wie der Zentralrat der Juden in Deutschland es fordere, wolle die Gruppe nicht. Dafür wolle sie schauen, mit wem noch eine Basis gemeinsamer Werte gefunden werden könne. Einen Rückzug allein auf Deutschland hielt Neubauer nicht für sinnvoll. Das widerspreche „dem Umstand, dass die Klimakrise global ist. Es braucht also eine Form von globaler Bewegung.“

Die komplette globale Bewegung sei aber nicht in Gefahr, glaubt Florian Zander, Sprecher von Extinction Rebellion. Die Klimabewegung bestehe nicht nur aus Fridays for Future. Auch seine Bewegung bespreche das Thema. Bis zum jetzigen Zeitpunkt haben sie sich nicht dazu geäußert.

Zurzeit bereite sich Extinction Rebellion auf die Weltklimakonferenz vor, die vom 30. November bis 12. Dezember in Dubai stattfindet. Doch diesmal könnte ihre politische Schlagkraft geringer sein, wenn die weltpolitische Lage womöglich weiterhin einen tiefen Graben zwischen den Ak­ti­vis­t*in­nen hinterlässt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Klimaspezialisten sollten sich ums Klima kümmern - alles andere ist einfach zuviel.

  • FFF distanziert sich von FFF

  • "Dem Zeit-Magazin sagte FFF-Sprecherin Luisa Neubauer: „Dass Greta Thunberg bisher nichts Konkretes zu den jüdischen Opfern des Massakers vom 7. Oktober gesagt hat, enttäuscht mich.“

    Alles was man schreibt, wird einem vorgeworfen. - Nun ja.



    Alles was man "teilt", wird einem vorgeworfen. - Ein Klick zuviel, und schon ist es passiert.



    Und jetzt neu: Alles was man nicht schreibt, wird einem vorgeworfen. - Das geht zu weit.

    „Es versteht sich von selbst – so dachte ich zumindest – dass ich gegen die schrecklichen Angriffe der Hamas bin“, schrieb Thunberg am Samstag auf der Plattform X.



    taz.de/Nach-umstri...st-auf-X/!5967826/

    Trotzdem sollte Thunberg sich auf die Klimakrise konzentrieren.



    Man kann Glaubwürdigkeit nur langsam aufbauen, aber sehr schnell verspielen.

    • @Diogeno:

      Die Dame hat am Tag nach dem größten Pogrom an Juden seit dem Dritten Reich die Fahne des Angreifers hochgehalten. Was soll man da denken? Es sieht doch sehr nach "Ätschbätsch!" aus.

    • @Diogeno:

      Sehr richtig. Manche Kritik klingt für mich wie ein verweifelter Versuch einer Demontage der KlimabotschafterInnen.

      Für die Klimabewegung ist das aber leider nicht förderlich gewesen.

      Wobei m.W. jedoch dieses besagte Posting eben nicht von einer Organisation stammte, sondern von lose zusammengefassten, recht individuellen Aktionisten.

      Man kann deshalb per Definition nicht FFF verantwortlich machen - es sei denn, man will das krampfhaft.

    • @Diogeno:

      "Und jetzt neu: Alles was man nicht schreibt, wird einem vorgeworfen. - Das geht zu weit."

      Nein, sicherlich nicht. Hätte Greta das Thema komplett ausgeklammert, hätte ihr niemand irgendwas vorgeworfen.

      Wenn ich mich aber zu einem Thema äußere und das auf eine sehr einseitige Weise tue, dann kann mir mir diese Einseitigkeit vorgeworfen werden. Und wenn ich Unfug teile, der diese Einseitigkeit nochmal unterstreicht, dann wird es nicht besser. Und wenn dann der Verein den ich gegründet habe dann auch noch mit weltverschwörerischem Unfug aus der untersten Schublade in die gleiche Kerbe schlägt und ich das ignoriere weckt das weitere Zweifel.

      Greta Thunberg ist mehr Medienprofi als Sie oder ich - "das kommt einfach nur etwas schräg rüber" ist kein Argument, sie (und selbst wenn nicht sie, dann ihr Umfeld) weiß es besser.

      Neubauer zeigt wie es geht: keinen Mist posten, sauber abgrenzen, keine Zweifel lassen.

      Ob FFF Deutschland es vermitteln kann dass man leider auf die Rassisten und Verschwörungstheoretiker angewiesen ist um als globale Bewegung etwas zu reißen sei mal dahingestellt. FFF ist zwar weitesgehend unproblematisch (In dem Zeit-Artikel erwähnt Neubauer, dass FFF überwiegend in Deutschland Leute auf die Straße bringt, wenn man dann noch FFF-Sparten dazu nimmt die sich ebenfalls vom Antisemitismus distanziert haben bleibt da nicht mehr viel), aber FFF International und Greta sind ein reichweitenstarkes Problem für die hiesige Bewegung.

  • Die Newsjunkies haben in www.ardaudiothek.d...t-ab/rbb/12855887/ eine sehr gute und kluge Recherche vorgelegt, was den sogenannten "internationalen Account von FFF" anbelangt. Ich wünsche ihr würdet das auch machen.



    Der Klimabewegung täte das bestimmt gut.

    • @Ole Xylander:

      Aus der von Ihnen verlinkten Recherche geht hervor, dass es schon 2021 antisemitische Posts auf dem Account von FFF International gab und dass der Account über 450.000 Follower hat. Was hat die Bewegung denn in den letzten 2 Jahren getan, um sicherzustellen, dass auf dem Account keine antisemitischen Posts in ihrem Namen erscheinen? Es drängt sich der Eindruck auf, dass FFF als globale Bewegung gar kein Problem mit solchen Posts hat, sondern diese mehrheitlich befürwortet.

    • @Ole Xylander:

      Wenn man einer quasi offenen Bewegung wie FFF schaden möchte, braucht man nur irgendwo einen "agent provocateur" installieren. In der Filter-Bubble der Sozialen Medien vervielfältigt sich eine negative Aussage von selbst. Und schon hat die ganze Bewegung den Schaden.

    • @Ole Xylander:

      Ich glaube die taz hat schon ein paar mal darauf hingewiesen dass da nur ein paar Leute am Drücker sind. Ich glaube die Jüdische Allgemeine hat da einen recht langen Artikel zu der Entwicklung verfasst.

      Das Problem endet aber nicht bei dem Mist den einzelne Leute über den FFF International-Account posten. Wo sind die Dementi? Wo sind die FFF-Organe die die Postings aufs schärfste verurteilen und sich klar distanzieren? Deutschland hat (inzwischen) diese Pressesprecher, in Östereich und der Schweiz gab es das auch, aber sonst? Weitesgehendes Schweigen und im Falle von Greta ein Verhalten bei dem ein Schweigen die bessere Wahl gewesen wäre.

      Der Klimabewegung täte es gut sich entweder komplett auf ihr Thema zu konzentrieren (ist ja groß genug), oder aber - wenn man sich auch zu anderen Themen äußert - zuzusehen, dass diese Äußerungen nicht dem eigentlichen Kernthema schaden.