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Inflation in ArgentinienPeso im freien Fall

Vor den Wahlen in Argentinien verliert der Peso weiter an Wert. Als „Scheißdreck“ bezeichnet ihn der rechte Präsidentschaftskandidat Javier Milei.

Peso, verliert immer mehr an Wert Foto: Patricio Murphy/Zuma Press/imago

Buenos Aires taz | Der Wert des argentinischen Peso befindet sich im freien Fall. Zwölf Tage vor den Präsidentschafts- und Kongresswahlen wurden in den klandestinen Wechselstuben erstmals mehr als 1.000 Pesos für einen Dollar verlangt. Allein am Dienstag verteuerte sich die US-Währung um 65 Pesos, seit Monatsbeginn sind es damit 210 Pesos.

Angeheizt hatte den steilen Anstieg der rechte Präsidentschaftskandidat Javier Milei. Am Montag antwortete er auf die Frage, ob man fällige Festgeldanlagen jetzt noch erneuern sollte: „Niemals in Pesos. Der Peso ist die von den argentinischen Politikern ausgegebene Währung. Er ist einen Scheißdreck wert und taugt als solcher nicht einmal als Dünger.“

Mileis Wahlversprechen, das Finanz- und Wirtschaftssystem zu dollarisieren und die Zentralbank abzuschaffen, sind seit Wochen zentrale Wahlkampfthemen. Der 52-Jährige erhielt bei den Vorwahlen im August die meisten Stimmen und hat gute Aussichten, der nächste Präsident Argentiniens zu werden. Mileis Versprechen mögen den Verfall des Pesos beschleunigen, die Ursache des Wertverlustes sind sie nicht.

Seit Jahren ist der Dollar in Argentinien ein knappes Gut. Dennoch versucht die Zentralbank mittels ihrer klammen Dollarreserven durch Stützungsverkäufe den offiziellen Wechselkurs von aktuell 365 Peso pro Dollar zu halten. Die ohnehin angespannte Situation wurde zu Beginn des Jahres durch die dürrebedingten Ernteverluste von 20 Milliarden Dollar bei den landwirtschaftlichen Exporten noch verschärft.

Die Zentralbank ist pleite

Technisch gesehen ist die argentinische Zentralbank pleite. Dennoch muss sie auf Anweisung der Regierung das Defizit im Staatshaushalt finanzieren – mangels Alternativen mit der Notenpresse. Im laufenden Jahr emittierte sie bereits 12 Billionen Peso. Buntes bedrucktes Papier, das in einer seit Jahren in der Rezession steckenden Realwirtschaft keinen materiellen Gegenwert hat.

Wirtschaftsminister Sergio Massa, zugleich Präsidentschaftskandidat des Regierungsbündnisses Unión por la Patria, hat die Emission beschleunigt. Seit Wochen verordnet Massa Steuersenkungen und Bonuszahlungen an formell und informell Beschäftigte, Rent­ne­r*in­nen und Sozialhilfeempfänger*innen. Allein im September lieferte die Notenpresse 2,3 Billionen Peso.

IWF prognostiziert Preisanstieg von 135 Prozent

Am Donnerstag gibt die Statistikbehörde Indec die Inflationsrate bekannt. Seit Januar pendelt der monatliche Preisanstieg zwischen 6 und 8,4 Prozent. Im August stieg er auf 12,4 Prozent, die höchste Rate der letzten 32 Jahre. Für September wird abermals eine zweistellige Zahl erwartet und für das Jahr 2023 prognostiziert der Internationale Währungsfonds (IWF) gerade einen Preisanstieg von 135 Prozent. Im Vergleich dazu erwartet der IWF für Deutschland eine jährliche Preissteigerungsrate von 6,9 Prozent.

Der Lohnzuwachs hält damit nicht mit. Zwar stiegen die Löhne von Januar 2016 bis Juli 2021 um sage und schreibe 446,5 Prozent, doch mit 591,6 Prozent lag die Inflation deutlich darüber. Und obwohl der durchschnittliche Monatslohn eines abhängig Beschäftigten in diesem Zeitraum von knapp 16.000 Pesos auf knapp über 90.000 Pesos stieg, verlor er 16 Prozent seiner Kaufkraft. Alles offizielle Zahlen der Statistikbehörde, die zudem 40 Prozent der 46 Millionen Ar­gen­ti­nie­r*in­nen als arm ausweist.

„Wir haben die niedrigste Arbeitslosenquote seit 2016 und mit über 40 Prozent die höchste Armutsquote der letzten 20 Jahre“, sagt der linke Wirtschaftswissenschaftler Claudio Katz. Dies sei die Folge eines seit Jahren vorherrschenden Anpassungsmodells, bei dem die Anpassung nicht durch eine staatliche Sparpolitik erfolgt, sondern durch die Inflation, die einem Kaufkraftverlust der Einkommen gleichkommt, so Katz. Der Anstieg der Lebensmittelpreise liegt in der Regel sogar über der durchschnittlichen Rate und trifft damit vor allem die unteren Einkommensschichten.

Es erscheint paradox, dass vor allem Milei von der Abwertung des Peso und der steigenden Inflation profitiert. Die Dollarisierung und die Abschaffung der Zentralbank würden Millionen Ar­gen­ti­nie­r*in­nen zusätzlich oder noch weiter in die Armut treiben. Doch Frustration und Wut über das nie enden wollende Zerbröseln der Kaufkraft scheinen größer als Ende 2001. „Que se vayan todos – Alle sollen abhauen“, lautete damals die Forderung. Ein rechter Populist, der verspricht den Laden aufzumischen, stand nicht zur Wahl.

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