Währungskrise in Lateinamerika: Argentinien sucht den Dollar

Der Mangel an US-Währung macht erfinderisch: In Argentinien gibt es nun einen Wechselkurs für WM-Reisende, den Katar-Dollar. Und nicht nur das.

Gelschein mit dem Gesicht von Evita Eron

Peso und Dollar in Buenos Aires Foto: Agustin Marcarian/reuters

BUENOS AIRES taz | Argentiniens Dollarnot macht erfinderisch. Neben dem offiziellen Wechselkurs der Zentralbank und den inoffiziellen der Wechselstuben gibt es inzwischen etliche Wechselkurse mit unterschiedlichen Beinamen. Mit dem Katar-Dollar und dem Coldplay-Dollar kommen nun noch zwei weitere hinzu. Selbst die finanzgeschulten Ar­gen­ti­nie­r*in­nen verlieren da schon mal den Überblick.

Grund für die Unübersichtlichkeit auf dem Devisenmarkt ist der chronische Dollarmangel der Zentralbank. Sie stemmt sich gegen die Abwertung des Peso, versucht aber mit immer neuen Wechselkursvarianten die heimische Nachfrage nach der US-Währung einzudämmen. So werden auf den offiziellen Wechselkurs von aktuell 160 Peso pro Dollar mal mehr und mal weniger Steuern und Abgaben aufgeschlagen.

Den Dollar zum offiziellen Wechselkurs bekommen nur Einfuhrunternehmen. Damit sollen die Preise für Importwaren in dem ohnehin von Inflation gebeutelten Land niedrig gehalten werden. Dennoch betrug die Inflationsrate im September 6,2 Prozent im Vergleich zum Vormonat, wie die Statistikbehörde meldete. Damit stiegen die Preise in den ersten neun Monaten des Jahre um 66,1 Prozent. Inzwischen wird mit einer Jahresinflation von über 90 Prozent gerechnet.

Sparen in Peso ist ein Verlustgeschäft, obgleich die Zentralbank den Leitzins Mitte September auf satte 75 Prozent angehoben hatte. Wer die Inflation umgehen will, kann den Spar-Dollar für 261 Peso kaufen, aber nur 200 Dollar pro Monat. Wer im Ausland mit Kreditkarte bezahlt, wird zu Hause mit 280 Peso pro Dollar belastet. Ähnliches gilt für den Netflix-Dollar, mit dem die internationalen Streamingabos bezahlt werden.

Eigener Wechselkurs für WM-Reisende

Wer allerdings mit seiner Kreditkarte mehr als 300 Dollar im Monat bezahlt, muss zukünftig 320 Peso pro Dollar berappen. Damit werden vor allem jene Fußballfans zur Kasse gebeten werden, die im November zur WM nach Katar reisen, weshalb der aktuelle Spitzenreiter unter den Wechselkursen prompt den Beinamen Katar-Dollar trägt. Günstiger ist der ebenfalls gerade eingerichtete Coldplay-Dollar für 208 Peso. Mit ihm wird die Gage der britischen Band Coldplay für ihre zehn Konzerte im River Plate-Stadion Ende Oktober gewechselt werden. Zukünftig soll er bei allen internationalen Gastauftritten gelten.

Wichtigster Dollarlieferant der argentinischen Zentralbank ist die Agrarwirtschaft. Sämtliche Exporterlöse müssen bei ihr zum offiziellen Ankaufskurs in Peso umgetauscht werden. Dabei werden von den 152 Peso praktischerweise gleich die unterschiedlich hohen Exportsteuern wie etwa auf Soja, Mais und Weizen abgezogen. Was von den 152 Peso dann jeweils noch bleibt, ist der Soja-Dollar, der Mais-Dollar und der Weizen-Dollar.

Als die Agrarproduzierenden in Erwartung einer allgemeinen Abwertung nur noch das absolut Notwendigste zu verkaufen, schrumpften die Dollarzuflüsse der Zentralbank bedenklich zusammen. Deshalb lockten die Währungshüter im Fall von Soja mit einem drei Monate währenden Wechselkurs von 200 Peso pro Dollar, mit dem die Verkäufe wieder anzogen. Jetzt fordern die Weinkellereien vehement sogar einen Malbec-Dollar – einen eigenen Wechselkurs für die vielexportierte argentinische Weinrebe.

Gleich zwei Wechselkurse gibt es für Peso-Dollar-Transaktionen an der Börse. Dabei werden mit auf Peso nominierten Wertpapieren Aktien gekauft, die auf Dollar nominiert sind und nach einer mehrtägigen Wartezeit an der Börse in Buenos Aires oder an der New Yorker Börse verkauft. Daraus errechnen sich die beiden Umtauschkurse von aktuell 291 Peso beziehungsweise 304 Peso für einen Dollar. Letzterer wird von Unternehmen für den Dollartransfer ins Ausland verwendet. Mehr als 100 Millionen Dollar werden dabei börsentäglich umsetzt. Etwas komplizierter zu erklären ist der Techno-Dollar, zu dem Technologieunternehmen ihre Produkte im Ausland verkaufen.

Noch am einfachsten geht es in den klandestinen Wechselstuben zu, in denen der blaue oder informelle Dollar gehandelt wird. Seit immer mehr Ar­gen­ti­nie­r*in­nen mit ihren Einkünften nicht mehr zum Monatsende kommen und auf die unter den Matratze lagernden Dollarreserven zugreifen müssen, agieren sie in einer von der Regierung geduldeten Grauzone. Hier gibt es für den Dollar aktuell 287 Peso. Wer kaufen will, zahlt 291 Peso.

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