piwik no script img

DFB-Team gewinnt in den USAFast schon wieder perfekt

Julian Nagelsmann ist bei seinem Debüt als Bundestrainer der gefeierte Mann. Nach dem 3:1-Sieg in den USA herrscht eine geradezu euphorische Stimmung.

Applaus, Applaus: Julian Nagelsmann während des Spiels in Hartford Foto: Federico Gambarini/dpa

Wer bei der Europameisterschaft im nächsten Jahr auf Gastgeber Deutschland setzen und noch eine halbwegs gute Quote einstreichen möchte, der sollte sich beeilen. Nach dem erfolgreichen Debüt von Bundestrainer Julian Nagelsmann am Samstag im US-amerikanischen Hartford verkehrt sich die Untergangsstimmung der letzten Monate, die von Rudi Völler und Co beim letzten Auftritt gegen Frankreich zumindest gebremst werden konnte, verblüffend schnell in ihr komplettes Gegenteil.

Julian Nagelsmann war der gefeierte Mann nach dem 3:1-Erfolg ­gegen die USA. Das Team hatte er mit dem Einbau des erfahrenen Mats Hummels schließlich nur nuanciert verändert. Dass er auf den letzten Veränderungen seiner Vorgänger aufbaute und Pascal Groß sowie Jonathan Tah das Vertrauen gab, konnte zudem als Signal verstanden werden, nicht alles neu erfinden zu wollen.

Und doch überwog nach dem Abpfiff auch innerhalb der Mannschaft der Eindruck, es sei da an diesem Abend etwas ganz Neues entstanden. Kapitän İlkay Gündoğan, der in der DFB-Elf gestalterisch auffiel wie schon lange nicht, stellte fast schon ehrfürchtig fest: „Es war eine Art und Weise von Fußball, die etwas anders ist.“ Und Niklas Füllkrug lobte: „Die Dinge ziehen, die wir angehen. Die Ideen des Trainers haben Kraft und bringen uns aufs nächste Level.“

Die Gemütsempfindungen im Fußball sind recht volatil. In den letzten Zügen der Ära Hansi Flick vor wenigen Wochen vermittelte dieser selbst die Überzeugung, der deutsche Fußball hinke dem japanischen gefühlt um Jahrzehnte hinterher.

Zum damaligen Zeitpunkt hätte sich keiner ausdenken können, dass nur zwei Spiele später die Analysten sich in ähnlicher Genauigkeit wie mit dem Spiel auch mit dem offenen Holzfällerhemd beschäftigen würden, das der neue, um Lässigkeit bemühte, Bundestrainer zu seinem Einstand trug. Lediglich bei der offiziellen Pressekonferenz zog er sich die DFB-Jacke mit Adler und Hauptsponsor auf der Brust über.

Ungestümer Drang nach vorne

Nüchtern betrachtet wäre allerdings die Bewertung von Nagelsmanns Premiere längst nicht so euphorisch ausgefallen, wenn das DFB-Team nicht auch gewisse Schwachstellen aufgezeigt hätte. In der ersten Hälfte war der Auftritt wenig ausbalanciert. Beim zu ungestümen Drang nach vorne stand die Absicherung gegen die schnellen Gegenangriffe der US-Offensive zu unsortiert.

So fiel der Führungstreffer von Christian Pulisic in der 28. Minute, so kamen obendrein weitere gute Gelegenheiten der Gastgeber zustande. Nagelsmann erkannte das Problem, sprach es in der Kabine an und gab dem Team Lösungsvorschläge mit auf den Weg, die sich sichtbar niederschlugen. Die Umstände waren wie gemalt für ein Trainerspiel.

Offensiv war die Nagelsmann-Elf sowieso über die ganze Spielzeit auffällig aktiv. Die Küken im eher betagten Team, Florian Wirtz (20) und Jamal Musiala (20) sorgten mit dem formstarken Leroy Sané für mächtig Schwung und Durchschlagskraft. Dass die DFB-Elf nach dem Rückstand nicht konfus wurde und noch vor der Pause durch Gündoğan ausglich, konnte sich Nagelsmann ebenfalls auf die Fahnen ­schreiben. Nagelsmann erinnerte, dies sei in der Vergangenheit ja nicht immer so gewesen. Nötig war der Hinweis eigentlich nicht. Die Erinnerungen sollten noch frisch genug sein.

In einer anderen Zeitsphäre gelandet

Andererseits war die Stimmung in Hartford so anders, als wäre der DFB nicht nur in einer anderen Zeitzone, sondern auch in einer anderen Zeitsphäre gelandet. Nagelsmann resümierte: „Es war nicht alles perfekt, aber das ist gut. Ich arbeite gern.“ Es gibt also noch ein wenig Raum bis zum Idealzustand. Nur wenige hätten es wohl bis vor Kurzem für möglich gehalten, dass ein deutscher Bundestrainer aus dieser Erkenntnis seine Zufriedenheit zieht, ohne dafür verspottet zu werden.

Mit Blick auf die nächste Partie am Dienstag (Ortszeit) gegen Mexiko in Philadelphia erklärte er: „Jetzt haben wir ein Spiel gewonnen. Und es wäre ganz gut, wenn wir auch noch das zweite gewinnen.“ Nagelsmann tritt erstaunlich forsch auf. Als ob das normal wäre. Ein deutsches Nationalteam, das drei Spiele hintereinander gewinnt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Wir werden es nicht schaffen, solange die Spiele nicht einmal für alle frei zugänglich sind. Wer holt sich ein Abo bei RTL, um die National11 zu sehen?????????? Und warum sollte man? Wir sind Teil der Mannschaft oder gibt es keine.

  • Wir haben zwar schon Herbst, aber auch bei Nagelsmann gilt: eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.



    Sein Vorgänger hat auch die ersten (9?) Spiele gewonnen .

  • Die großen Fußballnationen sind von der individuellen Klasse her ungefähr vergleichbar, z.B. Deutschland, Italien, England, Niederlande, Portugal, die Franzosen ragen etwas heraus, hat man doch bis weit auf die Bank Weltklasse, insbesondere im Offensivbereich. Entscheidend für ein gutes Turnier ist, dass die Spieler miteinander können und dass es zwischen Trainer und Mannschaft passt. Taktisch wird in den Nationalmannschaften das Rad nicht neu erfunden.