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US-Rollstuhlbasketballerin Vanessa ErskineSweet Home Hannover

Die Amerikanerin Vanessa Erskine ist nach Deutschland gekommen, um Rollstuhlbasketball-Profi zu werden. In ihrer Heimat wäre das nicht möglich gewesen.

Einzige Frau unter Männern: Vanessa Erskine spielt Rollstuhl­basketball bei Hannover United Foto: Emilie Haag

Hamburg taz | In die neue Saison der Rollstuhlbasketball-Bundesliga ist Vanessa Erskine mit einem überdeutlichen Sieg gestartet, 82:44 hieß es Ende für ihr Team Hannover United bei den München Iguanas. Die erfolgreiche Profispielerin geht mit großen Zielen in die Saison: Nach mehreren Jahren in der Ersten Bundesliga will sie dieses Jahr bis ins Finale.

Ihr Weg dahin ist ungewöhnlich: Die 29-Jährige hat nicht noch härter trainiert, sondern ganz im Gegenteil mit einer dreimonatigen Basketballpause ihren Ehrgeiz reflektiert. „Profisport macht einen ungenügsam und unzufrieden, weil es immer weiter nach oben geht“, sagt sie. „Man verliert schnell die Distanz zwischen dem eigenen Ich und dem Sport.“ Deshalb möchte Erskine wieder mit mehr Spaß an den Sport herangehen.

Die vergangenen sieben Jahre hat sie ausschließlich für den Leistungssport gelebt. „Mein Leben war Basketball“, sagt sie. Ihre Profikarriere, die 2015 mit ihrem Umzug nach Deutschland begann, verzeichnet Siege wie Gold bei den Paralympics in Rio de Janeiro 2016 mit dem US-Team oder Silber beim Pokal des Deutschen Rollstuhl-Sportverbands 2018.

Sie hat bereits für die Top-Teams Zwickau und Thuringia Bulls gespielt. In ihrer Heimat, den USA, wäre ein solcher Werdegang nicht möglich gewesen, sagt sie. Dort, im Geburtsland des Rollstuhlbasketballs, gebe es keine Profis. In Deutschland kann Erskine, wenn auch bescheiden, vom Rollstuhlbasketball leben.

Ins kalte Wasser

Inzwischen baut sie sich ein zweites Standbein auf. Sie hat sich als Sportwissenschaftlerin und Ernährungsberaterin selbstständig gemacht und ist Kooperationspartnerin des Olympiastützpunkts Niedersachsen. Das gibt ihr nicht nur finanzielle Sicherheit, sondern auch ein eigenes Projekt.

Seit sie mit ihrem Teampartner Jan Sadler zusammen ist, die beiden daher jede Saison zusammen verbringen, versucht sie sich etwas Freiraum zu schaffen. „Basketball ist zu Hause ein Tabu-Thema“, erzählt sie lachend. Der Umzug nach Hannover 2017 war für die US-Amerikanerin privat ein Sprung ins kalte Wasser, hat sich aber als die „beste Entscheidung“ ihres Lebens erwiesen. Heute nennt sie die Stadt ihr Zuhause.

Rollstuhlbasketball beschreibt Erskine als inklusives Basketball: Die Regeln sind wie bei normalem Basketball – bis auf ein Klassifizierungssystem für den Grad der Behinderung. Spie­le­r*in­nen mit leichter oder ohne Behinderung werden mit 4.5 Punkten klassifiziert.

Erskine wird durch ihre Querschnittslähmung, die sie bei einem Arbeitsunfall in den USA 2011 erlitt, mit einer 1 eingestuft. Um körperliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen auszugleichen, bekommt sie als Frau im geschlechtergemischten Team von Hannover United zusätzliche 1,5 Punkte abgezogen. Mit insgesamt -0,5 Punkten ist sie eine Art Geheimwaffe: Sie ermöglicht anderen Spielern mit leichter Behinderung Einsatzzeiten, ohne dass dadurch die Obergrenze von 14,5 Punkten pro Team gerissen wird.

Bei Hannover United ist Vanessa Erskine die einzige Frau im Team. Doch diese vermeintliche Sonderrolle vergisst sie im Spiel eher. Durch die verschiedenen Behinderungen sei das Team ohnehin sehr divers und inklusiv.

In der Nationalmannschaft dagegen wird auch im Rollstuhlbasketball geschlechtergetrennt gespielt. Unterschiede gebe es da schon, erklärt sie: Von den Männern bekomme sie mehr Vorlagen, führe selbst eher aus. Wenn sie mit Frauen spielt, habe sie mehr Verantwortung, die Abläufe seien viel durchdachter. „Das sind ganz verschiedene Dynamiken, die ich aber als Herausforderung wahrnehme.“

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