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Osnabrücks Einsparungen im ÖPNVVerstoß gegen das Klimaschutzgesetz?

Laut dem Juristen Thomas Groß verstößt Osnabrück mit seinen ÖPNV-Einsparungen gegen das Klimaschutzgesetz. Er hat Rechtsaufsichtsbeschwerde eingelegt.

Sollen künftig häufiger im Depot bleiben: Busse der Osnabrücker Stadtwerke Foto: Friso Gentsch/dpa

Osnabrück taz | Blamabel für eine Stadt, die bis 2040 klimaneutral sein will, ist die Maßnahme des Osnabrücker Stadtrats ganz sicher, abschließend besiegelt nun aber wider Erwarten nicht: Um Geld zu sparen, soll der ÖPNV in Osnabrück eingeschränkt werden. Das beschloss der Rat der Stadt am Dienstag vergangener Woche. Doch nun gibt es gegen die Entscheidung eine Rechtsaufsichtsbeschwerde beim niedersächsischen Innenministerium, die den Entschluss zu Fall bringen könnte.

Die stadteigenen Stadtwerke Osnabrück AG, die den ÖPNV betreiben, stehen finanziell seit Langem massiv unter Druck, auch aus Eigenverschulden. Der Verkehrsbetrieb müsse deshalb einen „Beitrag zur Konsolidierung“ leisten, heißt es in der Beschlussvorlage des Rates. „Allen Beteiligten ist bewusst, dass zum Teil negative Auswirkungen zu erwarten sind.“ Ab Februar 2024 sollen die Maßnahmen greifen. Mehrere „Bedienungsabschnitte“ fallen dann weg; Buslinien werden dafür gekürzt. Hinzu kommen Takt­reduzierungen. Bis zu 1,8 Millionen Euro soll das pro Jahr einsparen.

Doch Thomas Groß, Professor für Öffentliches Recht, Europarecht und Rechtsvergleichung an der Universität Osnabrück, ist in der Beschlussvorlage bei „Auswirkungen auf den Klimaschutz (CO2-Ausstoß/Energieverbrauch)“ ein Kreuzchen aufgefallen. Das Kreuzchen steht im Formularfeld „keine“.

Weniger ÖPNV, und das soll ohne Auswirkungen sein? Groß vermisst Untersuchungen, die das untermauern, Begründungen. Er hat beim niedersächsischen Innenministerium deshalb Rechtsaufsichtsbeschwerde eingereicht.

Für die Grünen sind die Einsparpläne ein schweres Imageproblem

Er habe das Innenministerium als Aufsichtsbehörde angerufen, „weil der Rat der Stadt Osnabrück bei seinem Beschluss über die Kürzung des Busverkehrs gegen das Bundes-Klimaschutzgesetz verstoßen hat“, sagt Groß der taz. „Die Stadt behauptet, ihr Beschluss habe keine Auswirkungen auf den Klimaschutz, obwohl sicher viele Leute auf das Auto umsteigen werden, das eine erheblich schlechtere Klimabilanz hat. Diese Problematik hätte sorgfältig geprüft werden müssen.“

Folge das Ministerium seiner juristischen Einschätzung, müsse es den Beschluss aufheben und eine neue Prüfung über die Auswirkungen der Busverkehrskürzungen verlangen. Osnabrücks Rat nehme seinen Beschluss, „dass die Stadt bis zum Jahr 2040 klimaneutral werden soll, ganz offensichtlich nicht ernst“. Groß hingegen, auch mit Umweltrecht befasst, nimmt die Sache ernst: Schon 2019 hat er im Umfeld von „Scientists for Future Osnabrück“ den Vortrag „Können zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen eingeklagt werden?“ gehalten.

Mittlerweile hat seine Beschwerde den Dienstweg zurück nach Osnabrück gefunden. „Das Innenministerium hat sie uns weitergeleitet“, sagt Arne Köhler, Sprecher der Stadt. „Derzeit nimmt das Rechtsamt eine Prüfung vor, ergebnisoffen.“ Bis zum 10. Oktober muss die Stadt eine Stellungnahme abgeben.

Für die Grünen, die in Osnabrücks Rat die stärkste Fraktion stellen und zusammen mit der SPD den Kurs bestimmen, sind die Einsparpläne ein schweres Imageproblem. Jens Meier, ihr stadtentwicklungspolitischer Sprecher, und Heiko Panzer, der Sprecher für Mobilität der SPD-Fraktion, winden sich, wenn es um die „Anpassungen“ im Busnetz geht.

„Dass wir die schmerzlichen Einschnitte mit Blick auf die Verkehrswende in unserer Stadt alles andere als gut finden, ist klar“, sagen sie. Allerdings sei es gelungen, „alles zu verhindern, was den Kern des Busangebots und des Busnetzes insgesamt angreifen würde“. Es hätte also weit schlimmer kommen können. Priorität habe jetzt, so Meier und Panzer, „der Erhalt der Stadtwerke und die Konsolidierung des Netzes“.

Busse mit Attraktivitätsproblem

Auch Volker Bajus, Fraktionsvorsitzender der Grünen und Landtagsabgeordneter in Hannover, ist mit den Einsparungen nicht glücklich. „Nach 2020, als wir das Netz um 17 Prozent erweitert hatten, müssen wir es jetzt um sechs Prozent kürzen.“ Und dann zählt er Gründe auf: den Mangel an Busfahrer*innen, den Rückgang der Fahrgastzahlen während Corona, die „Krisensituation der Stadtwerke“. All das habe den Schritt, bei nachfrageschwachen Linien zu kürzen, „unausweichlich“ gemacht. „Leere Busse durch die Stadt fahren zu lassen ist kein Klimaschutz.“

Leere Busse? Auch die Rats-Beschlussvorlage spricht von „geringen Nutzerzahlen“ auf den von der Kappung betroffenen Strecken. Sebastian Philipp, Sprecher der Stadtwerke Osnabrück, bestätigt das: „Wir haben das ja nicht ausgewürfelt“, sagt er. „Auf den von den Einsparmaßnahmen betroffenen Teilstrecken war die Auslastung pro Fahrt wirklich sehr gering, mitunter im niedrigen einstelligen Bereich.“ Osnabrücks Busverkehr, scheint es, hat ein ­Attraktivitätsproblem.

Was jetzt passiert, ist offen. Die Ratsgruppe FDP/Unabhängige Wählergemeinschaft hatte bereits vor dem Entschluss „flexible Bedienungsformen“ in die Diskussion geworfen, On- demand-Angebote, Anrufbusse, Bürgerbusse. Vielleicht sind diese Notlösungen aber auch gar nicht nötig – wenn Groß mit seiner Beschwerde Erfolg hat.

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4 Kommentare

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  • Danke, Herr Groß dass sie hier tätig werden! Auch in meiner Heimat Stadt Augsburg wurden die Straßenbahn und Buslinien ausgedünnt. Die Preise wurden aber weiter erhöht.



    Erklärungen sind Personalprobleme und Einsparungsnotwendigkeit, daneben hat Augsburg eine enorm hohe private Autodichte.



    Der ÖPNV ist ein wichtiger Faktor um erreichen unserer notwendigen Klimaziele und nicht zuletzt für eine sichere und lebenswerte Umwelt. Dafür müssen die notwendigen Gelder zur Verfügung gestellt werden!

  • Oh, da reichen die Gewinne für eine AG nicht? Wie schade! Um wieder auf Kurs zu kommen, muss das Angebot reduziert, Kostenstellen abgebaut und die Menschen zur Autonutzung gezwungen werden.



    Nun ja, alles wie gehabt, in Autoland. VW leidet ja Not!



    Hinweis: Anders als AGs muss eine Kommune keine Gewinne machen, bei Betrieb und Unterhalt von Infrastrukturen der Daseinsvorsorge.



    Mit den von den "Neuen Grünen" angeführten Gründen, „geringe Auslastung/Nutzerzahlen auf Teilstrecken“, haben CDU/CSU/SPD/FDP in den 80er Jahren die Nebenstrecken der Bundesbahn und das ÖPNV-Angebot im ländlichen Raum platt gemacht. Hilfreich waren damals auch, Wegfall von Haltestellen, Ausdünnung der Taktfahrpläne und Einsatz von maroden Fahrzeugen zur „Attraktivitätssteigerung“, Schließung und Verzicht auf Sanierung von maroden Bahnhöfen und Haltepunkten …



    Wie wäre es, mal Verkehrs-/Bedarfszählungen an Autobahn Auf- und Abfahrten (wie damals und heute für das ÖPNV-Angebot) durchzuführen und die nur selten befahrenen Abschnitte nach und nach zurückzubauen und zu renaturieren? Mit der Folge, dass diese Stilllegungen anschließend zu geringer frequentierten Autobahn- und Landstraßenabschnitten führen würden, die dann ebenfalls zurückgebaut werden könnten. Das wäre einem Zwang zum ÖPNV statt zum Auto sehr ähnlich. Es wäre allerdings die Wiederholung eines 80er Jahre Vorschlags der Grünen. Aber das war eine Zeit, als Umwelt und Klima noch nicht „realpolitisch“ der Autoindustrie und den Aktionären geopfert wurden.



    Da tröstet es nur wenig, wenn die mitregierenden "Neuen Grünen" sich auf „Wir haben Schlimmeres verhindert“, zurückziehen.

  • Vllt ist man in OS einfach nur ehrlicher als anderenorts.

    Im benachbarten Münster behauptet man, wegen Personal- bzw Fachkräftemangels ganze Buslinien einstellen zu müssen ...

  • Scharfe Augen, Thomas Groß. Danke!