piwik no script img

Rechtsextreme Drogenhändler in ThüringenNeonazis müssen ins Gefängnis

Sechs „Turonen“ wurden verurteilt, weil sie Drogen verkauften und Geld wuschen. Linke und Grünen beklagen, das Urteil gehe nicht weit genug.

Gelbes Haus in Ballstädt, in dem die Razzia stattfand Foto: Konrad Litschko

Erfurt/Berlin taz | Erst organisierten sie Rechtsrockkonzerte, dann stiegen sie in den Drogenhandel ein: Eine Gruppe um die rechtsextremen Turonen aus Thüringen wurde am späten Mittwoch zu Haftstrafen bis zu elf Jahren verurteilt. Kritik gibt es daran, dass das Landgericht Erfurt – anders als angeklagt – keine kriminelle Vereinigung erkannte und die Beschuldigten in diesem Punkt freisprach.

Die Anklage warf den nun verurteilten fünf Männern und drei Frauen vor, in den Jahren 2020 und 2021 in insgesamt 198 Fällen als Bande mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gehandelt und damit mehr als 800.000 Euro umgesetzt zu haben. An der Spitze stand der langjährige Thüringer Neonazi Thomas W. – der bereits 2015 die rechtsextremen Turonen gründete, die auch als Bruderschaft Thüringen firmierten. Die Gruppe betrieb in Ballstädt und Gotha ein Clubhaus und auch ein Bordell.

Das Gericht verurteilte Thomas W. nun wegen bandenmäßigen Drogenhandels, räuberischer Erpressung und Geldwäsche zu 11 Jahren Haft. Gegen fünf weitere Angeklagte wurden vier bis acht Jahre Haft verhängt, gegen die beiden übrigen Bewährungsstrafen. Das Verfahren gegen einen weiteren Angeklagten, den Szeneanwalt Dirk W., war zuvor aus gesundheitlichen Gründen abgetrennt worden. Gegen ihn wird separat verhandelt.

Eine kriminelle Vereinigung sah das Gericht dagegen nicht: Bei den Drogengeschäften sei es um die Finanzierung des Lebensstils von Thomas W. gegangen, der gerne teure Autos gefahren sei. Dass die Erlöse auch in die rechtsextreme Szene flossen, habe nicht festgestellt werden können. Laut Anklage hatte die Gruppe unter anderem an den NSU-Waffenlieferanten Ralf Wohlleben Gelder weitergegeben.

Linke und Grüne üben Kritik am Urteil

Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) sagte der taz: „Ich begrüße das Urteil. Es ist das Ergebnis unseres konsequenten Vorgehens gegen rechte Strukturen im Bereich Rechtsrock und organisierte Kriminalität“. Die eigens geschaffene Ermittlungseinheit habe „in akribischer Arbeit eine erdrückende Beweislast zu Tage gefördert“. Die rechtsextreme „Bruderschaft Thüringen“ sei mit den Urteilen nun zerschlagen, so Maier. „Ein großer Erfolg für die Thüringer Sicherheitsbehörden.“

Auch die Linken-Abgeordnete Katharina König-Preuß nannte das Urteil ein „gutes, klares Signal“. Wenn diese rechtskräftig würde, wäre die „enorm gefährliche“ Führungsstruktur der rechtsextremen Turonen „handlungsunfähig“. König-Preuß kritisierte aber, dass das Gericht keine kriminelle Vereinigung sah. Das verkenne, wie rechte Neztwerke funktionierten. Die Linken-Politikerin plädierte auch für ein Verbotsverfahren gegen die Turonen: Mehrere Mitglieder seien weiterhin nicht verurteilt.

Auch die Grünen-Abgeordnete Madleine Henfling nannte es „absolut unverständlich“, dass die Gruppe nicht als kriminelle Vereinigung verurteilt wurde. Die Aktivitäten der Turonen würden „entpolitisiert“, ein konsequentes Signal an die rechtsextreme Szene bleibe aus.

Die Polizei hatte im Februar 2021 Thomas W. und weitere Beschuldigte festnehmen und zahlreiche Wohnungen und Geschäftsräume durchsuchen lassen. Darunter war auch das „Clubhaus“ der Turonen im Dorf Ballstädt, wo Thomas W. selbst wohnte und 2014 einen brutalen Überfall auf eine lokale Kirmesgesellschaft verübte. 2022 folgten weitere Durchsuchungen. Dabei wurden unter anderem Waffen, Bargeld, Drogen und rechte Devotionalien gefunden.

Ergänzt und aktualisiert am 07.09.2023 um 15:15 Uhr. d. R.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Man muss sich schon auf der Straße festkleben um als kriminelle Vereinigung eingestuft zu werden /s

  • "Marihuana, Kokain und Crystal"? Ist das nicht das Zeug das "Immigranten" an unsere Kinder verkaufen? Also so wird es doch von der AfD und den noch Rechteren immer kolportiert? Vor allem die "Frauen sind doch so gefährdet. Trauen sich nachts nicht mehr auf die Straße"



    Nannte man sich deswegen nicht auch "Heimatschutz", weil man die "Heimat" vor Kriminellen Drogendealern aus dem Ausland beschützen und die Frauen vor Entehrung bewahren wollte"???

    Also Deutschland den deutschen Verbrechern? Oder habe ich da was falsch verstanden?