Kritik an Agrarminister wegen Gentechnik: Umweltschützer rüffeln Özdemir

Die EU-Regeln für Gentechnik lockern? Dagegen sollte sich der Agrarminister aussprechen, verlangen Naturschutzbund und BUND.

Gewächshaus mit Weizen

Hier wächst er schon: Gentech-Weizen in Einbeck in Niedersachsen Foto: laif

BERLIN taz | Umweltschützer fordern von Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne), eine Lockerung der Regeln für die neue Gentechnik eindeutig abzulehnen. „Ich wünsche mir, dass ein grüner Agrarminister da klarere Kante zeigt, weil eine Deregulierung von gentechnisch veränderten Organismen jeder Form von grüner Politik widerspricht“, sagt Daniela Wannemacher, Referentin für Gentechnikpolitik des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), zur taz.

Bei der Ablehnung von Patenten für Pflanzen von neuen Gentechnikmethoden wie Crispr/Cas und dem Schutz des gentechnikfreien Anbaus solle Özdemir „keine Kompromisse machen, und in dieser Hinsicht sollte er die Position seines Ministeriums und auch der Grünen klarer vertreten“, ergänzt Vivienne Huwe, Referentin für Bioökonomie bei Deutschlands größtem Umweltverband, dem Naturschutzbund (Nabu).

Die EU-Kommission hatte Anfang Juli vorgeschlagen, die Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel aus vielen Pflanzen aufzuheben, die durch die neue Gentechnik geschaffen wurden. Auch Tests auf Gesundheitsrisiken sollen weitgehend wegfallen. Das soll der neuen Gentechnik zum Durchbruch verhelfen. Die EU-Kommission verspricht sich davon zum Beispiel mehr Getreide, das besser mit der Klimakrise klarkommt.

Kritiker weisen darauf hin, dass bisher keine klimawandelresistenten Pflanzen der neuen Gentechnik auf dem Markt sind, auch nicht in Ländern wie den USA, wo sie weitgehend freigegeben ist. Umweltschützer befürchten, dass es vor allem Sorten geben werde, die beispielsweise noch mehr Pestizideinsätze ermöglichen und durch Patente die Macht von Konzernen erweitern.

Unsicherer Kantonist Özdemir

Özdemir gilt den Verbänden in Sachen Gentechnik als unsicherer Kantonist. „Es wirkt, als würde er da nicht so fest stehen. Er ist kein grüner Vertreter, der klar gegen die Abschaffung der Regulierung gentechnisch veränderter Organismen ist“, kritisiert BUND-Expertin Wannemacher. „Cem Özdemir äußert sich offener denn je zu den neuen Gentechniken“, so Huwe.

Gleichzeitig wolle er Patente auf solche Pflanzen verhindern und die Koexistenz von Landwirtschaft mit und ohne Gentechnikpflanzen bewahren. „In Anbetracht der knappen Zeit“ sei es „ein sehr ambitioniertes Ziel, hier einen Kompromiss zwischen SPD, FDP und Grünen auszuhandeln“. Sie habe „berechtigte Zweifel“, dass sich der Vorschlag der EU-Kommission dafür eigne.

„Özdemir sollte klar sagen, was an dem Vorschlag der EU-Kommission abzulehnen ist“, verlangt Wannemacher. Die Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel und die Risikoprüfung müssten für alle Gentechnikpflanzen erhalten bleiben. Der Vorschlag der Kommission würde laut Wannemacher dazu führen, dass mehr als 80 Prozent der Pflanzen, an denen derzeit gearbeitet werde, von Kennzeichnung und Prüfung ausgenommen sind.

„In dem Vorschlag steht auch nichts zur Koexistenz“, moniert die Umweltschützerin. Die Kommission wolle das weitgehend den Mitgliedstaaten überlassen. „So lässt sich Koexistenz nicht sicherstellen.“ Mit der bestehenden Regelung könnten Nachverfolgbarkeit, Transparenz und Kennzeichnung dagegen gewährleistet werden, erklärt Huwe. Es sei wichtig, „dass man die Wahlfreiheit der VerbraucherInnen schützt und dass nicht eine Masse an gentechnisch verändertem Saatgut in den Markt strömt.“

„Keine Denkverbote“ angesichts der Klimakrise

Özdemir hatte sich offen für neue Gentechnikmethoden gezeigt. „Uns läuft die Zeit davon. Angesichts von Klimakrise, Artensterben und Hunger in der Welt gibt es keine Denkverbote“, sagte er dem Spiegel. „Was die Genschere Crispr/Cas betrifft, teile ich die Einschätzung, dass diese neue Technik nicht eins zu eins gleichzusetzen ist mit der alten Gentechnik, die wesentlich umstrittener war“, so der Agrarminister. Die gentechnikfreie Landwirtschaft dürfe aber nicht in ihrer Existenz bedroht werden. „Außerdem wollen wir keine Monopolisten, auch die kleinen und mittelständischen Zuchtunternehmen sollen auf dem Markt weiterhin eine Chance haben. Daher darf es keine Patente geben.“

Bisher dürfen Pflanzen der neuen Gentechnik patentiert werden. Andere Züchter können diese Pflanzen nur mit Zustimmung des Patentinhabers weiterzüchten. Das könnte Kritikern zufolge dazu führen, dass Pflanzen langsamer an den Klimawandel angepasst würden. Zudem werde die neue Gentechnik auch dafür genutzt, eine umweltschädliche Landwirtschaft zu erleichtern – zum Beispiel, indem Pflanzen resistent gegen Pestizide gemacht werden.

Derzeit sind in der EU laut Kommission rund 300 Gentechnikpflanzen für den Import als Lebens- oder Futtermittel und eine für den Anbau zugelassen. Sie werden aber fast nur als Futtermittel verwendet, weil die meisten VerbraucherInnen sie ablehnen und wegen der Kennzeichnungspflicht in Lebensmitteln auch leicht meiden können.

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