Faeser und die Flüchtlingsverteilung: Aufnahmestopp bleibt bestehen

Deutschland will keine Geflüchteten aus Italien aufnehmen. Schließlich nehme Italien Geflüchtete aus Deutschland nicht im vereinbarten Ausmaß zurück.

Ein Blick auf die Schatten von Migranten, die ein Schiff besteigen

Wohin mit den Geflüchteten von Lampedusa? Foto: Yara Nardi/reuters

Die gestiegene Zahl der Ankünfte auf der Mittelmeerinsel Lampedusa hat den Streit über die Verteilung Geflüchteter innerhalb der EU neu angefacht. Unter anderem geht es dabei um den Freiwilligen Solidaritätsmechanismus (VSM). Am vergangenen Mittwoch hatte Deutschland – zum Ärger der Regierung in Rom – dessen vorübergehende Aussetzung angekündigt, weil Italien seinerseits Verpflichtungen bei der Rücknahme Geflüchteter aus Deutschland nicht nachkommt. Dabei soll es nun erst mal bleiben.

Am Freitag hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in der ARD gesagt, das freiwillige Aufnahmeverfahren sei ausgesetzt worden, „weil Italien keinerlei Bereitschaft gezeigt hat, im Wege des Dublin-Verfahrens Leute zurückzunehmen“. Faeser fügte unmittelbar danach hinzu: „Jetzt ist natürlich klar, dass wir unserer solidarischen Verpflichtung auch nachkommen.“ Die Äußerung war zunächst so interpretiert worden, dass Deutschland angesichts der Lage auf Lampedusa die freiwillige Aufnahme von Migranten aus Italien doch fortsetzen wolle. Die Unionsfraktion warf Faeser daraufhin am Samstag vor, sie richte in der europäischen Migrationspolitik Chaos an und zerstöre Vertrauen.

Tatsächlich aber blieb das BMI bei seiner Linie. Am Samstag sagte ein Sprecher Faesers, der freiwillige Solidaritätsmechanismus „wurde nicht ausgesetzt. Es finden lediglich aktuell keine Interviews zur Vorbereitung von weiteren Übernahmen aus Italien statt, diese können aber jederzeit wieder aufgenommen werden.“ In Rom wird dies zweifellos als Aufnahmestopp gewertet. In einer Telefonkonferenz hatte Faeser am Samstag mit den Innenministern Italiens, Spaniens und Frankreichs sowie EU-Innenkommissarin Ylva Johansson gesprochen und versichert, dass Deutschland sich weiterhin solidarisch zeigen werde. Faeser habe in dem Telefonat humanitäre Unterstützung Deutschlands auf Lampedusa angeboten.

Der Solidaritäsmechanismus fällt zahlenmäßig kaum ins Gewicht. Symbolisch ist er aber umso bedeutsamer. Im Sommer 2022 hatten sich 18 der 27 EU-Staaten auf das Verfahren geeinigt. Es sieht vor, bis Ende dieses Jahres zunächst 13.000 Flüchtlinge aus den Außengrenzen-Staaten Zypern, Griechenland, Malta und Spanien in andere Teile der EU umzuverteilen.

Die Außengrenzen-Staaten hatten eine solche Umverteilung seit Langem gefordert – eine Reihe der osteuropäischen Länder lehnen sie aber strikt ab. 13 EU-Staaten machten seither freiwillig konkrete Zusagen für die Aufnahme von insgesamt 8.000 Menschen. Deutschland, das sich sehr für den Mechanismus starkgemacht hatte, sagte 3.000 Plätze zu. Es ist eins der zentralen Zugeständnisse an die Außengrenzen-Staaten, um in der EU eine Mehrheit für das derzeit verhandelte Gemeinsame Europäische Asylsystem zu schaffen. Doch die Umsetzung des Mechanismus verlief sehr schleppend. Bis heute kamen rund 1.800 Menschen auf diesem Weg nach Deutschland, davon rund 1.000 aus Italien.

Tatsächlich ziehen die meisten in Italien Ankommenden ohne Asylverfahren auf eigene Faust weiter – und das häufig nach Deutschland. Italien ist eigentlich verpflichtet, diese Menschen über die sogenannte Dublin-Regelung zurückzunehmen. Doch Meloni hat diese im vergangenen Dezember faktisch gestoppt. Von mehr als 12.400 Übernahmeersuchen an Italien durch die Bundesregierung in diesem Jahr bis Ende August seien bislang nur zehn von Italien akzeptiert worden, so das Innenministerium in Berlin. Unter der Vorgängerregierung Melonis war das allerdings kaum anders.

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