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Olympische Spiele in BerlinZum Scheitern verurteilt

Uwe Rada
Kommentar von Uwe Rada

Wieder einmal streitet Berlin über eine Bewerbung. Doch der im Koalitionsvertrag festgehaltene Gedanke für nachhaltige Spiele ist naives Wunschdenken.

Nicht mal Olaf Scholz hat's gebracht. 2015 votierte die Mehrheit in Hamburg gegen Olympia Foto: picture alliance/dpa/Axel Heimken

B egeisterung sieht anders aus. Erst sorgt sich SPD-Fraktionschef Raed Saleh um die Folgekosten, dann stellt SPD-Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey die Frage, ob Berlin kurz nach der geplanten Expo 2035 eine weitere Großveranstaltung stemmen kann. Bei den Sozialdemokraten, so viel geht zumindest aus diesen Wortmeldungen hervor, ist die Freude über eine mögliche Bewerbung für die olympischen Sommerspiele 2036 nicht ungeteilt.

Zu Recht, und das hat nicht nur mit dem Datum zu tun. Wäre Olympia ein Segen für die Stadt, gäbe es nicht nur gute Gründe gegen eine Austragung hundert Jahre nach den Nazispielen von 1936. Das tolerante, weltoffene Berlin in den Fokus zu rücken, wäre tatsächlich auch ein Grund dafür. Allerdings muss diese Weltoffenheit und Toleranz dann auch spürbar sein und nicht nur eine Behauptung.

Entscheidend aber ist: Olympia ist nicht Segen, sondern Fluch. Und das hat sich inzwischen herumgesprochen. In München gab es keine Mehrheit in der Bevölkerung für die Austragung von Winterspielen und auch in Hamburg nicht für die Sommerspiele 2024. 2015 hatte sich eine knappe Mehrheit gegen die Bewerbung ausgesprochen. Zu groß war die Angst vor Teuerungen.

In Paris wird das im kommenden Jahr nicht anders sein. Schon jetzt sind die Preise für Hotelbetten in die Höhe geschossen. Eine Gelddruckmaschine sind die Spiele nur für das IOC. Bei den Menschen kommt wenig davon an – außer steigende Preise und weiter explodierende Mieten.

Die Bewerbung um Olympia ist eben etwas anders als die für eine, sagen wir, europäische Kulturhauptstadt. Letztere steht unter der Schirmherrschaft der Unesco, für das Programm sind die jeweiligen Städte verantwortlich. Viele Kulturhauptstädte haben die Chance genutzt, verfallene Industrieareale in Kulturstandorte verwandelt und neue Impulse für die kulturelle Teilhabe gesetzt.

Widerstand ist sicher

Olympia dagegen ist eine Veranstaltung, über die einzig und allein das IOC bestimmt. Auch deshalb sind die Spiele in autokratisch regierten Ländern so attraktiv. Korrupt und mafiös gesellt sich gern zu korrupt und mafiös. Insofern ist der im Koalitionsvertrag festgehaltene Gedanke für nachhaltige Spiele naives Wunschdenken.

All das weiß der DOSB, auch deshalb hat er eine Kampagne vor eine mögliche Bewerbung geschaltet. Schließlich soll nicht noch einmal der Gau eintreten und eine Bewerbung in einer Volksbefragung kassiert werden. Mit seiner Kampagne will der DOSB sicherstellen, dass Olympia in den Städten, mit denen er ins Rennen gehen würde, auch eine Mehrheit bekommen würde.

In Berlin wäre das wohl eher nicht der Fall. Schon vor genau 30 Jahren hat die Nolympia-Kampagne gezeigt, dass die Zivilgesellschaft ein Wörtchen mitreden will. Das ist auch dem IOC nicht entgangen. Auch deshalb war die Berliner Bewerbung bei der Sitzung des Komitees in Monte Carlo chancenlos. Am Ende hat also Nolympia Olympia verhindert.

Und noch etwas hat das krachende Scheitern gezeigt: Auch in Berlin gibt es mitunter eine Kluft zwischen Binnenwahrnehmung und Außensicht. Während sich Berlin an einer Bewerbung selbst besoffen hat, die die blühende Metropole nach dem Fall der Mauer in den Mittelpunkt gestellt hat, haben andere nur müde genickt.

Inzwischen hat sich das Verhältnis gewandelt. Berlin ist international so attraktiv wie nie, doch in der Stadt würde sich keiner mehr an sich selbst besaufen. Wie auch, wenn selbst der Bau eines Hochhauses dazu führt, dass eine der wichtigsten U-Bahn-Linien monatelang eingleisig verkehrt. Kommen dann noch die Massen an Sportbegeisterten zu den Touristenmassen, braucht man kein Prophet sein, um zu sagen, dass das keine gute Laune macht.

Eng, kaputt, teuer. Wer soll dazu Ja sagen?

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Uwe Rada
Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.
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4 Kommentare

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  • Olympia auf dem offenen Meer vor Grönland, au ja!



    An ein paar verrosteten zusammengestellten Bohrinseln wird das IOC doch nicht etwa scheitern…;-)



    Höchste Zeit, den ganzen Wahnsinn auf eine“olympische Disziplin” zu reduzieren: Totalausfall.

    Längst sind die “Olympics” verramscht zu künstlichen Höchstleistungszüchtu gen für ein “schneller, höher, weiter”. Das hat nichts mehr mit natürlichem Sport zu tun, sondern mit Geld und Politik.



    Eine mittlerweile dermmaßen verzerrt-übertrieben-aufgeblähte Inszenierung ist nicht mehr das, was es ursprünglich einmal war. Im Gegenteil!

    Im Jahr 394 n. Chr wurden die Spiele verboten. … weil u.a. damals viel betrogen wurde. Konsequent, wie ich finde. Dass 1500 Jahre lang keine Olympiaden stattfanden, war wohl auch kein Drama und Millionen-Unsummen wurden auch nicht zum Fenster rausgeschmissen.

    In diesem Sinne …

  • Olympia ist ein willkommener Anlaß sich selbst unter Zugzwang zu setzen und seine Verkehrsinfrastruktur massiv auszubauen. Straßen, S-Bahn, Flughafen. Das alles ist in Deutschland politisch überhaupt nicht erwünscht. Damit ist Olympia völliger Unsinn und sinnlos zum Fenster rausgeworfenes Geld.

  • Das Problem ist nicht Olympia als solches, sondern das IOC, ein korrupter Verband, der ebenso korrupte Verbände zusammenfasst, die die olympische Idee mit Füßen treten. Allzu viele Länder der ehemaligen Zweiten und Dritten Welt haben gelernt, und allzu viele Länder der ehemaligen Ersten Welt fallen in alte Muster zurück: Wirtschaftlicher und sportlicher „Erfolg“ setzt Ausbeutung anderer (Herkunft letztlich egal!) voraus, und Arschloch-Sein wird prämiert. Solange die Wirklichkeit so ist, sind nachhaltige, menschliche Spiele leider eine Illusion!



    Dabei bräuchte unsere Welt nichts dringender als Events (und Prozesse), die individuelle Menschen über alle Grenzen hinweg verbinden. Insofern wären auch Veranstaltungen bei Olympischen Spielen wichtig, die Grenzen überschreiten, und der Medaillenspiegel der Nationen gehörte abgeschafft, was am einfachsten durch gemischte Teams gelänge (und wenn nur eine Schleswig-Holsteinerin und eine Dänin gemeinsam im Beachvolleyball antreten dürften ...)



    Übrigens bin ich fest davon überzeugt, dass das die Lebenswirklichkeit vieler Menschen, nicht nur, aber gerade auch in Grenzregionen, viel besser wiedergibt. Als Norddeutscher nehme ich etwa an der Aufarbeitung der niederländischen Kolonialgeschichte in völlig anderer, viel emotionalerer, Weise teil als an sportlichen „Erfolgen“ eines obersächsischen Retortenfußballunternehmens, weil Kaneel auf dem Pflaumenkuchen meiner Oma mehr bedeutet hat als ihr Verbot, mir eine Dose ... zu kaufen.

    • @Zangler:

      Schon die originalen olympischen Spiele der Antike waren mit Politik verwoben und standen unter dem Zeichen des Wettbewerbes der Stadtstaaten untereinander.