piwik no script img

Verkehrswende in New York CityAutofahrer sollen Subway helfen

In New York City soll eine Maut eingeführt werden, deren Einnahmen zu 100 Prozent in den Nahverkehr fließen. Doch es gibt Klagen dagegen.

Wer hier fährt, soll künftig zahlen: Straße in Manhattan Foto: Mike Segar/reuters

New York taz | Verstopfte Straßen. Genervte Verkehrsteilnehmer. Und ein tägliches Konzert aus Hupen und Sirenen. Wer schon einmal zur Hauptverkehrszeit im New Yorker Stadtteil Manhattan unterwegs war, der weiß, dass es viel Geduld und Nerven erfordert. Ein neuer Plan soll nun Abhilfe schaffen und zugleich die Lebensqualität durch Investitionen in den öffentlichen Personennahverkehr verbessern. Es handelt sich um ein für die USA einmaliges Konzept. Doch nicht jeder ist von der Idee begeistert.

Der Plan ist schnell erklärt: Kraftfahrer sollen eine Maut zahlen, wenn sie in Downtown Manhattan unterwegs sein wollen. Dazu zählen alle Gebiete südlich des weltbekannten Central Parks. Wie hoch der Preis genau sein wird, steht noch nicht fest. Doch laut Entwurf werden die Gebühren pro Fahrzeug zwischen 9 und 23 US-Dollar liegen, abhängig von der Tageszeit sowie diversen anderen Faktoren.

Befürworter des Plans versprechen sich eine Reihe von positiven Entwicklungen für die Stadt und ihre Bewohner. Dazu zählen weniger Lärmbelästigung, eine Reduzierung der Luft- und Umweltverschmutzung, kürzere Wartezeiten für das Eintreffen von Polizei, Feuerwehr und Rettungswagen und eine Verbesserung der Infrastruktur für Bus und U-Bahn. Denn die Einnahmen aus den Mautgebühren, welche mehr als 1 Milliarde Dollar pro Jahr betragen sollen, werden zu 100 Prozent den öffentlichen Verkehrsbetrieben zugutekommen.

„Die Mauteinnahmen werden die New Yorker Subway (U-Bahn) in ein modernes und zuverlässiges Verkehrsmittel verwandeln, wie es sich für New York gehört. Zugleich werden dadurch die Fahrzeiten von Buslinien und Lieferungen reduziert, da weniger Fahrzeuge die Straßen verstopfen“, sagt Danny Pearlstein von der Pro-ÖVNP-Vereinigung Riders Alliance im Gespräch mit der taz.

19 Kilometer pro Stunde

taz-Serie: Mobile Zukunft

Volle Radwege trügen: Klima- und menschenfreundliche Mobilität ist längst nicht normal. In Deutschland etwa ist der Anteil des Verkehrs an den CO2-Emissionen in den letzten 30 Jahren von 13 auf fast 20 Prozent gestiegen – zu viel Gütertransporte auf der Straße, zu viel Individualverkehr. Doch es gibt spannende neue Konzepte für Räder, Busse, Bahnen und Schiffe mit E-Mobilität und neuen Formen des Teilens. Oder auch mehr Verantwortung für Umwelt­schädigung. Hier stellen taz-Autor:innen Ideen vor, die bereits ausprobiert werden.

Eine Studie aus dem Jahr 2018 hat gezeigt, dass die Überlastung der Verkehrsinfrastruktur in der Metropolregion New York einen wirtschaftlichen Verlust von jährlich bis 20 Milliarden US-Dollar nach sich zieht. Die Durchschnittsgeschwindigkeit in Midtown Manhattan während der Stoßzeiten liegt bei gerade einmal 19 Kilometer pro Stunde, was New York den Titel als verkehrsgeplagteste Stadt der Welt beschert. New Yorker sitzen sage und schreibe 10 Tage pro Jahr im Stau.

„Das Congestion Pricing Model wird dafür sorgen, dass die Menschen einen Teil ihrer Zeit und ihres Geldes zurückgewinnen werden, da durch weniger Stau die Effizienz von Firmen und Arbeiten gesteigert wird“, sagt Danny Pearlstein. Der Plan, der bereits 2019 von Abgeordneten auf Landesebene abgesegnet wurde, könnte im kommenden Jahr endlich Realität werden.

Erste elektronische Mautstationen wurden in den vergangenen Tagen in Manhattan bereits aufgestellt. Da sich auch Bundesstraßen innerhalb der geplanten Mautzone befinden, musste auch das amerikanische Bundesverkehrsministerium seine Zustimmung geben. Die Behörde erteilte Ende Juni grünes Licht.

Doch auch jetzt, nach mehreren Jahren der Verzögerung aufgrund der Coronapandemie, langwierigen Umweltprüfungen und bürokratischen Hürden, ist die Einführung von Congestion Pricing im Big Apple noch nicht garantiert. Der Grund sind zwei neue Klagen, die gegen das Mautkonzept in den vergangenen Wochen erhoben wurden.

Klagen gegen das Projekt

Die Regierung des US-Bundesstaates New Jersey sowie der Präsident des New Yorker Stadtteils Staten Island haben rechtliche Schritte eingeleitet, um das Projekt zu stoppen. Beide Klagen beziehen sich vor allem darauf, dass Pendler aus beiden Regionen durch die Maut unverhältnismäßig hohe Kosten zu schultern haben. „Diese massive Mauterhöhung bedeutet Mehrausgaben von Hunderten von Dollars pro Monat, die einer Familie an anderer Stelle fehlen“, sagt New Jerseys demokratischer Gouverneur Phil Murphy.

Danny Pearlstein von Riders Alliance bezeichnet die Klagen als typisch amerikanisch. „Jeder hier hat einen Anwalt auf Kurzwahltaste.“ Er weist jedoch vor allem den Grundsatz der Klage zurück.

„Nur eine verschwindend geringe Zahl von Pendlern aus New Jersey und Staten Island wird die neue Maut bezahlen. Schon jetzt nutzen fast 85 Prozent aller Pendler die öffentlichen Verkehrsmittel, um nach Downtown Manhattan zu gelangen. Und genau diese sind es, die von den erhöhten Einnahmen und Reinvestitionen in die Verkehrsinfrastruktur profitieren werden“, so Pearlstein.

Auch die CO2-Emissionen im Stadtgebiet sollten durch die Einführung einer Maut deutlich reduziert werden. Eine Studie der Cornell University in Zusammenarbeit mit dem City College of New York hat gezeigt, dass eine Reduzierung von bis zu 15 Prozent möglich sei. Es wird jedoch auch Ausnahmeregelungen geben, die es bestimmten Gruppen erlaubt, die Maut zu umgehen. Ob der Startschuss wirklich im nächsten Jahr fällt, wird sich in den kommenden Monaten zeigen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • "Autofahrer sollen Subway helfen"



    Brrr, ich frag mich jedesmal, was die Sandwichkette damit zu tun hat... was ist mit der guten alten U-Bahn passiert?

  • Also eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 19km/h in der Rush Hour von New York ist garnichts. Das sind immerhin 19km in einer Stunde oder rund 300 Meter in einer Minute Für amerikanische Verhältnisse immernoch besser, als mit dem Fahrrad zu fahren. Kein Wunder, dass die Amerikaner nicht zahlen wollen, wenn sie doch relativ gut vorankommen.

    Da sehe ich London und zum Teil München als schlechter an. Wie oft ist es schon vorgekommen auf dem Inneren Ring, dass Autos gerademal 100 Minuten in 1 Minute zurückgelegt haben?

    Und da der Todfeind des amerikanischen Autofahrers der ÖPNV ist, werden sich die Autofahrer erst doppelt ärgern, wenn sie hören, ihr Geld geht in den ÖPNV.



    Man hätte die Autofahrer belügen müssen, und das Geld gehe zu 100% in die Ausstattung von Polizei und Rettungsdiensten, damit die auch schneller in die Einsatzorte kommen. Dann käme Verständnis auf in diesem Law and Order-Land.

  • Manhattan verlangt schon seit Jahrzehnten auf jeder Zufahrt Brückenzoll. Was ist da bitte neu?

  • "was New York den Titel als verkehrsgeplagteste Stadt der Welt beschert."

    Und gleichzeitig besitzen die Menschen in der Innestadt, die den Smog einatmen müssen, die geringste Anzahl von Autos / Person in den USA.

    Das Modell mit der Maut ist 1a, daran sollten sich auch andere Städte orientieren.

    Wer schonmal in NY war weiß die meisten Menschen gehen zu Fuß + nutzen ÖV.

    Eine reiche Minderheit unterdrückt die Mehrheit.

    Die können sich auch ein paar hundert $ Mehrkosten pro Monat leisten.