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ÖPNV-Probleme in Italiens HauptstadtNichts geht mehr in der ewigen Stadt

Roms U-Bahnen fahren selten, Busse geraten in Brand und Taxis gibt es zu wenige. Dazu kommt ein Touristenansturm.

U-Bahnstation Barberini in Rom Foto: Karl-Heinz Schein/imagebroker/imago

E her schlecht gelaunt sind die Menschen im Bus, der sie morgens ins Stadtzentrum Roms bringt. Wie üblich stehen sie dicht an dicht, wie üblich ist die Luft nicht besonders gut. Für Heiterkeit allerdings sorgt der Fahrkartenentwerter. Er ist mal wieder defekt, und viele freuen sich über die unverhoffte Gratisfahrt in die City.

Doch der kaputte Apparat leistet mehr: Er sorgt für Gesprächsstoff unter den Passagieren. „Der ist genauso kaputt wie die ATAC“, das kommunale ÖPNV-Unternehmen, lästert ein junger Mann. Erst gestern habe er wieder mitten auf der Fahrt aus dem Bus steigen müssen, weil dessen Motor plötzlich streikte. „Aber dieses Jahr sind viel weniger Busse während der Fahrt in Brand geraten als in den Vorjahren“, tröstet die Schülerin, die neben ihm steht.

U-Bahnen fahren selten, dafür sind sie überfüllt

Einer älteren Dame dagegen ist gar nicht zum Lachen zumute. „Ich habe einen Termin für die Krebsnachsorge“, klärt sie die anderen auf. „Eigentlich hätte ich die U-Bahn genommen, aber die ist in den letzten Monaten eine einzige Katastrophe.“ Statt im 5-Minuten-Takt kommen die Züge der Linie B nur noch alle Viertelstunde, berichtet sie, und dann seien sie natürlich heillos überfüllt.

Den Grund kennen alle Römer*innen, die die U-Bahn nutzen: Das Gros der Züge steht in den Depots, weil die Stadtregierung unter der 5-Sterne-Bürgermeisterin Virginia Raggi, die in den Jahren 2016 bis 2021 amtierte, einfach die gesetzlich vorgeschriebenen Termine für die technische Revision ignoriert hatte. Jetzt muss diese Revision nachgeholt werden, und das dauert für jeden Zug mehrere Monate.

Ewig warten auf ein Taxi

Eigentlich müsse der städtische Dezernent für Mobilität doch als „Dezernent für Immobilität“ bezeichnet werden, konstatiert die ältere Dame. „Als Alternative zur U-Bahn, die nicht kommt, wollte ich letzte Woche für die Fahrt zum Arzttermin ein Taxi nehmen. Aber Taxen kommen auch nicht.“ Mehr als 20 Minuten habe sie am Telefon der Taxizentrale gewartet, nur um am Ende zu erfahren, dass „kein Fahrzeug verfügbar“ sei. Der Arzttermin sei geplatzt, und deshalb stehe sie jetzt trotz angeschlagener Gesundheit in dem überfüllten Bus.

Wer immer am Hauptbahnhof der Stadt ankommt, an der Stazione Termini, kann Roms Taxi-Desaster mit eigenen Augen sehen. Vor dem Bahnhofsgebäude hat sich eine elend lange Schlange von hunderten Menschen gebildet, die auf einen Wagen warten. Mal 40 Minuten, mal eine Stunde stehen sie an, ehe sie endlich in ein Taxi einsteigen können.

Die Ta­xi­fah­re­r*in­nen der Ewigen Stadt mit ihren rund drei Millionen Ein­woh­ne­r*in­nen verweisen gerne darauf, dass es immerhin 7.800 Lizenzen gibt, deutlich mehr als im bevölkerungsstärkeren Berlin. Doch sie vergessen ein kleines Detail: In Berlin sind die Fahrzeuge rund um die Uhr unterwegs, mit wechselnden Fahrer*innen, in Rom dagegen kommt der Wagen nur für eine Schicht pro Tag zum Einsatz.

Touristenaufschwung nach der Coronapandemie

Deshalb galt immer schon, dass schon bei ein paar Tropfen Regen die Suche nach einer Droschke selten von Erfolg gekrönt war. Doch mittlerweile ist auch bei schönem Wetter der Anruf bei den Taxizentralen oft genug erfolglos. Roms Tourismus erlebt einen wahren Post-Corona-Boom, die Stadt sah dieses Jahr so viele Be­su­che­r*in­nen wie nie zuvor, mit der Folge, dass das Taxigewerbe sich dumm und dusselig verdient.

Deshalb will die Stadt jetzt 1.000 neue Konzessionen vergeben – doch die Fah­re­r*in­nen steigen auf die Barrikaden. Ihr Hauptargument: Schuld an den Missständen sei doch allein die Stadt, weil sie den ÖPNV nicht ordentlich organisiere. Wenn mehr Busse, mehr U-Bahnen führen, sei die gegenwärtige Zahl der Taxen doch völlig ausreichend.

Kaum Besserung in Sicht vor Ende 2024

Den Menschen, die sich eigentlich fortbewegen wollen, die in Rom aber heillos viel Zeit mit Warten verbringen, mal auf die U-Bahn, mal aufs Taxi, leuchten solche „Argumente“ nicht wirklich ein. Und sie wissen nur zu gut, was die Ta­xi­fah­re­r*in­nen wirklich umtreibt. Dank des allzu knappen Angebots ist ihr Gewerbe so lukrativ wie in wenigen anderen Städten der Welt; nicht umsonst können sie ihre Lizenzen zum Stückpreis von bis zu 200.000 Euro weiterverkaufen, wenn sie aus dem Gewerbe aussteigen wollen.

Doch nicht nur neue Taxilizenzen will die Stadt. Sie hat auch 30 neue U-Bahn-Züge geordert. Bis die kommen, dauert es allerdings noch ein wenig: Die ersten Züge sollen im Dezember 2024 geliefert werden. Wieder ist also Warten angesagt – in der Hoffnung, dass dann endlich alles besser wird.

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Michael Braun
Auslandskorrespondent Italien
Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.
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