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Rüstungstransporte im Hamburger HafenGericht stoppt Volksbegehren

Das Volksbegehren gegen Rüstungstransporte über den Hamburger Hafen darf nicht durchgeführt werden. Das hat das Verfassungsgericht entschieden.

Ob in den Containern Waffen sind? Über Hamburg wird so einiges an Rüstungsgütern transportiert Foto: Ulrich Perrey/dpa

Bremen taz | Krieg und die damit gemachten Geschäfte sind in Hamburg vor allem mit Blick auf den Hafen zu spüren. Die „Volksinitiative gegen Rüstungsexporte“ will deshalb ein Verbot dieser Geschäfte. Über 16.000 Ham­bur­ge­r*in­nen haben die Initiative mit ihrer Unterschrift unterstützt, doch jetzt ist das Anliegen Geschichte, zumindest in seiner jetzigen Form: Das Verfassungsgericht hat das „Volksbegehren gegen den Transport und Umschlag von Rüstungsgütern über den Hamburger Hafen“ gestoppt.

Ende 2021 hatte die Initiative die Unterschriften vorgelegt. Sie verlangte von Senat und Bürgerschaft, innerhalb eines Jahres eine Rechtsgrundlage zu schaffen, die Transport und Umschlag von Rüstungsgütern über den Hafen verbietet – und dann alles zu tun, um dieses Verbot durchzusetzen. Der Senat übernahm das Vorhaben jedoch nicht.

Daher meldete die Volksinitiative zum 1. Mai 2022 das Volksbegehren an – 70.000 Unterschriften in drei Wochen sammeln war die Aufgabe für den kommenden Herbst. Doch dazu kam es gar nicht: Denn kurz darauf bat der Senat das Verfassungsgericht, das Ganze einmal zu prüfen. Verhandelt wurde im Juli, vergangenen Freitag verkündete das Gericht nun sein Urteil. Es war der 1. September – der Tag, der in Deutschland als Antikriegstag begangen wird.

Vor allem zwei Gründe haben zu der Entscheidung geführt: Hamburg fehle für das angestrebte Transport- und Umschlagsverbot die erforderliche Gesetzgebungskompetenz, die ausschließlich beim Bund liege, argumentiert das Gericht. Und obwohl Bundesländer selbst über ihre Häfen entscheiden dürfen, würde ein Verbot, „gegen den Grundsatz der sogenannten Bundestreue verstoßen“.

Hamburg geht regelhaft den Weg übers Verfassungsgericht

Ein Volksbegehren könne zudem schlicht nicht den Auftrag enthalten, ein Gesetz zu verabschieden, heißt es im Urteil. Entweder wird ein bereits ausformuliertes Gesetz zur Abstimmung gestellt, oder das Begehren thematisiert eine Angelegenheit unterhalb der gesetzlichen Ebene, erklärt Gerichtssprecher Kai Wantzen.

Volksentscheide haben eine bindende Wirkung. Wenn das Begehren in seiner jetzigen Form Erfolg haben würde, müssten die Abgeordneten dem Gesetz zustimmen – was nicht mit der Freiheit des Mandats vereinbar wäre. Wenn dagegen ein Gesetz direkt abgestimmt wird, führe das zu einer „unmittelbaren Änderung der Rechtslage“, sagt Wantzen, ohne noch einmal durch die Bürgerschaft zu müssen.

Bei strittigen Initiativen geht Hamburg regelhaft den Weg über das Verfassungsgericht. So wurde vor vier Jahren das „Volksbegehren gegen den Pflegenotstand“ gestoppt. Der Senat hatte damals auch verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet – und das Gericht hatte fehlende Gesetzgebungskompetenz attestiert. Ebenfalls daran gescheitert ist auch Bremen. Vor elf Jahren hatte das Bundesland in seinem Hafen den Umschlag von Atombrennstäben verboten – im vergangenen Jahr kassierte das Bundesverfassungsgericht das Gesetz: Der Bund sei zuständig.

Besser gemacht hatte es eine Initiatorin, die in Hamburg das Grundeinkommen testen wollte. Die Volksinitiative „Expedition Grundeinkommen“ hatte einen konkreten ausformulierten Gesetzesentwurf vorgelegt. Zudem stellte das Hamburgische Verfassungsgericht – entgegen der Auffassung des Senats – fest, dass Hamburg sich auf Länder­ebene durchaus mit dem Thema befassen dürfe. Dennoch stoppte das Gericht das Vorhaben: „Das Gesetz war zwar ausgearbeitet, aber nicht widerspruchsfrei und nicht vollständig“, erklärt Wantzen.

Volksinitiative bezieht sich auf Hamburger Verfassung

„Wir sind im Recht“, waren sich die In­itia­to­r*in­nen gegen Rüstungsexporte vor der Urteilsverkündung noch sicher. „Wir beziehen uns auf die Präambel in der Hamburger Verfassung und auf das Friedensgebot im Grundgesetz.“ In der Hamburger Verfassung steht: „Die Freie und Hansestadt Hamburg hat als Welthafenstadt eine ihr durch Geschichte und Lage zugewiesene, besondere Aufgabe zu erfüllen. Sie will im Geiste des Friedens eine Mittlerin zwischen allen Erdteilen und Völkern der Welt sein.“

Die Rüstungsexporte steigen derzeit, nicht zuletzt wegen des Krieges in der Ukraine. Eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken im Bundestag gibt Aufschluss über die Güter, die im ersten Quartal 2023 über den Hamburger Hafen ausgeführt wurden: knapp 2.900 gepanzerte Fahrzeuge oder Teile davon, 1.700 Revolver oder Pistolen, knapp 290 Kriegsschiffe oder Teile davon – und zwei Artilleriewaffen.

„Mit der Volksinitiative wollen wir dieses zynische Geschäft beenden“, schreiben die In­itia­to­r*in­nen als Reaktion auf das Urteil. „Anstatt dieses Friedensanliegen aufzugreifen, hat der Senat die Überprüfung des Volksbegehrens beantragt – einzig und allein zur Freude der Rüstungsindustrie.“ Der Senat wittere ein „unzeitgemäßes und unverhältnismäßiges Verbot“, so der Vorwurf an die Landesregierung. Frei nach dem Motto: „Wir dürfen den armen Unternehmern ja nicht ihre Profite wegnehmen!“

Dabei belassen will es die Initiative nicht. „Die gesamte Hamburger Friedensbewegung ist neu gefordert.“ Deshalb ist – wie immer – am Dienstag Plenum: „um die Urteilsverkündung gemeinsam auszuwerten und zu beraten, was wir aus der Gerichtsverhandlung für unser Wirken für einen zivilen Hamburger Hafen machen“.

Die Linke bedauert die Entscheidung des Gerichts ebenfalls. „Tag für Tag werden über den Hafen containerweise Rüstungsgüter exportiert, die auch in Staaten von höchst zweifelhaftem Ruf verschifft werden“, sagt Sabine Ritter, Co-Landessprecherin der Linken Hamburg. „Das muss aufhören!“

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1 Kommentar

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  • Jeder Anwärter für Beamtenschaft lern im ersten Semester: Zuständigkeit prüfen! Wenn er nicht zuständig ist, nichts tun, an Zuständigen weiterleiten.



    Ebenso prüft jedes Gericht immer die formale Frage vor der inhaltlichen. Also der Bund ist zuständig.



    Wenn durch Volksbegehren und Volksentscheid ein Landesgesetz beschlossen wird, kann immer noch jede Landesregierung, jeder Landtag und Bundesregierung oder ein Drittel der Mitglieder des Bundestages dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht klagen.



    Der Schaden für die Demokratie durch Enttäuschung des Wählers ist groß. In sofern ist die Prüfung durch das Landesverfassung Pflicht des Landesregierung und war auch so von Mehr Demokratie e. V. bei Einführung der Volksgesetzgebung geplant.