Drogenpolitik in Norddeutschland: Erst der Test, dann der Konsum

Drug-Checking, das Prüfen von Drogen vor dem Konsum, ist seit wenigen Wochen erlaubt. Im Norden gehen die Meinungen darüber auseinander.

In einem Labor wird eine Flüssigkeit aus einem Röhrchen mit einer Spritze aufgenommen

Seit Ende Juni ist das Drug-Checking möglich. So soll die Zahl der Drogentoten reduziert werden Foto: Bernd Friedel/Imago

BREMEN taz | Dass es niemandem hilft, Drogen-konsumierende Menschen gnadenlos zu kriminalisieren, dürfte inzwischen selbst bei Konservativen angekommen sein. Doch die Zahl der Opfer illegaler Drogen steigt – deswegen wollen einige Bundesländer nun das Drug-Checking einführen, also die Laboruntersuchung von Drogen vor dem Konsum, inklusive Beratung. Berlin macht dies schon.

Doch warum ist Drug-Checking überhaupt legal? Ende Juni hat der Bundestag die rechtliche Grundlage dafür geschaffen, sodass die Bundesländer nun selbst entscheiden können, ob sie solche Projekte wollen. Das ist nur folgerichtig, denn im Koalitionsvertrag der Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP von 2021 steht, dass man Modelle zum Drug-Checking ermöglichen wolle.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte ganz am Ende seiner Rede im Bundestag: „Durch das Drug-Checking werden wir die Zahl der Drogentoten reduzieren.“ In dem beschlossenen Gesetz, was die Bedingungen für die Projekte schafft, geht es eigentlich um die Bekämpfung von Lieferengpässen bei Arzneimitteln.

Diese Zahl steigt seit Jahren an: 2022 sind laut Bundeskriminalamt 1.990 Menschen an den Folgen des Missbrauchs illegaler Drogen gestorben – 2021 gab es 1.826 sogenannte Rauschgift-Todesfälle. 2017 waren es noch 1.272. Nicht alle Toten starben an einer Überdosis, oft geht es um Langzeitfolgen des Konsums.

Von der Tagesordnung genommen

Im Jahr 2020 hatte Hessen bereits einen Gesetzentwurf in den Bundesrat eingebracht, mit dem das Drug-Checking erlaubt werden sollte. Der Weser Kurier berichtete damals, dass Bremen und auch Hamburg dem Antrag zustimmen wollten. Das Gesetz wurde jedoch, nachdem es in den zuständigen Ausschüssen des Bundesrates beraten wurde, von der Tagesordnung genommen.

Doch Bremen steht auch heute zu seiner Zustimmung: Im rot-grün-roten Koalitionsvertrag versichern SPD, Grüne und Linke: „Die Koalition wird zur Reduktion von Lebensgefahr infolge von Drogenkonsum Drug-Checking ermöglichen und Warnungen und Verunreinigungen veröffentlichen.“ Wann und wie das umgesetzt wird, stehe aber laut dem Sprecher des Gesundheitsressorts noch nicht fest.

Die Landesregierung aus CDU und Grüne in Schleswig-Holstein tut sich da schwerer. „Konkret geplant ist Drug-Checking in Schleswig-Holstein derzeit nicht“, schreibt der Sprecher des Gesundheitsministeriums. Das Thema werde jedoch in Abstimmung mit Beteiligten und Politik geprüft.

Das Land setze derzeit auf Aufklärung und Prävention, auch für Jugendliche in den Schulen. Dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag (SHZ) sagte der Sprecher zudem, dass Drug-Checking zwar die Gefahr verunreinigter Drogen verringern, die Kon­su­men­t*in­nen jedoch auch „in falscher Sicherheit wiegen“ könnte.

Karl Lauterbach, Bundesgesundheitsminister

„Durch das Drug-Checking werden wir die Zahl der Drogentoten reduzieren“

Zuvor hatte bereits die Landtagsfraktion des Südschleswigschen Wählerverbands (SSW) Drug-Checking in Schleswig-Holstein gefordert. Für den gesundheitspolitischen Sprecher Christian Dirschauer sei es Zeit, „dass die schwarz-grüne Koalition ihre konservativen Scheuklappen abnimmt und endlich auf eine zeitgemäße Drogenpolitik setzt, die Leben rettet“. Er fordert in seinem Antrag von der Landesregierung ein Modellprojekt.

Im Hamburger Koalitionsvertrag von SPD und Grüne steht zu dem Thema: „Wir prüfen die Einführung eines Projekts im Bereich 'Safer Clubbing’ und die Möglichkeit zu individuellen chemischen Analysen von illegalen Drogen.“ Eine Sprecherin der Sozialbehörde sagt, dass man sich derzeit mit verschiedenen Konzepten und „den sehr unterschiedlichen Kosten“ beschäftige. Nähere Angaben seien nicht möglich.

Das rot-grün regierte Niedersachsen ist mit dem Prüfen schon fertig – und plant kein Modellprojekt, schreibt eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums. „Ein derartiges Modell erfordert erhebliche finanzielle und personelle Ressourcen, da sowohl die Labore mit dem Fachpersonal aufgebaut werden müssen, als auch Suchtfachkräfte eingesetzt werden müssen, die die Konsumentinnen und Konsumenten abends und nachts ansprechen und bei den entsprechenden Events die Möglichkeit bieten, Substanzen untersuchen zu lassen.“

Zwar könne Drug-Checking als Instrument der Suchthilfe gesehen werden – man setze jedoch lieber weiter auf präventive Angebote oder aufsuchende Arbeit, bei der Menschen angesprochen werden, die Drogenprobleme haben oder gefährdet sind. Deshalb unterstütze das Sozialministerium mit derzeit 8,3 Millionen Euro 75 Beratungsstellen.

Bereits Praxis in Berlin

In Berlin gibt es Drug-Checking seit Juni. Schon vor der bundesweiten neuen Regelung haben hier Senatsverwaltungen, Polizei und Staatsanwaltschaft jahrelang verhandelt, wie so etwas straffrei ablaufen kann. Der Start hat sich immer wieder verzögert.

„Wir informieren neutral über psychoaktive Substanzen, Wirkungen, Nebenwirkungen und Risiken – Anonym, kostenlos und vertraulich“, steht nun auf der Website von Drug-Checking Berlin, auf der das Verfahren des Tests erläutert wird. Außerdem gibt es Warnungen vor besonders gefährlichen Drogen, inklusive Bild. An drei Standorten in Berlin richtet sich der Dienst an Erwachsene, an je einem Tag in der Woche.

Rund einen Monat nach dem Start des Berliner Drug-Checkings berichtete die taz, dass die wenigen Slots für die Tests schwer zu ergattern sind – die Nachfrage ist größer als das Angebot. Auch Mitte August verkündete ein Sprecher der Senatsverwaltung: Rund 380 potenzielle Nutzende hätten bisher insgesamt bereits abgewiesen werden müssen, weil die Kapazitäten nicht ausreichten. Bei den wöchentlich rund 47 abgegebenen Proben würden bei 30 bis 50 Prozent Warnungen ausgesprochen werden.

Auch in Thüringen gibt es bereits ein Pilotprojekt. Andere Länder wollen nachziehen.

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