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Kritik des Nabu an WindkraftplänenKein Wind aus den Wäldern

Der Naturschutzbund Nabu will mit einem Forderungskatalog verhindern, dass Berlin seine Windkraftquote auf Kosten des Artenschutzes erfüllt.

Noch ziemlich einsam: Windrad am Stadrand in Pankow Foto: picture alliance/dpa | Annette Riedl

Berlin taz | Der Nabu Berlin befürchtet einen „massiven Schaden“ an der Hauptstadt – durch Windräder. Denn nach dem Windenergie-Gesetz des Bundes muss Berlin in den kommenden drei Jahren 0,25 Prozent der Landesfläche für den Ausbau von Windkraft zur Verfügung stellen, bis 2032 sollen es 0,5 Prozent der Landesfläche sein. Doch die Flächen „für eine konfliktfreie Errichtung“ von Windrädern seien in einem Stadtstaat „äußerst begrenzt“, so Rainer Altenkamp, Landesvorsitzender des Naturschutzbunds. In einem nun veröffentlichten Positionspapier setzt sich der Nabu für einen naturverträglichen Ausbau der erneuerbaren Energien ein und hat dafür eine Reihe von Forderungen aufgestellt.

Konkret fordert die Organisation, dass keine Windräder in den Wäldern und Forsten aufgestellt werden sollen. Denn dann müssten Flächen gerodet werden: nicht nur für die Standorte der Windräder selbst, sondern auch für – mindestens fünf Meter breite – Zufahrtswege. Das würde „Waldflächen zerschneiden“, schreibt der Nabu. Der Verband fürchtet, dass insbesondere Fledermäuse und Greifvögel beeinträchtigt würden.

Windräder sollten demnach auch nicht in Naturschutzgebieten stehen und nur in mindestens 500 Metern Abstand zu solchen Schutzgebieten aufgestellt werden dürfen. Stattdessen plädiert der Nabu dafür, die Windkraftanlagen an Autobahnen, Bahnflächen und Flughäfen oder in Gewerbegebieten aufzustellen. Das Aufstellen auf solchen „stark vorbelasteten Flächen“ könne den „Berliner Landschaftsraum schonen“. Windräder sollen außerdem nach Willen des Nabu regelmäßig abgeschaltet werden, damit möglichst wenige Vögel und Fledermäuse mit den Rotoren zusammenstoßen.

0,5 Prozent der Landesfläche – das sind nach Berechnungen des Nabu 446 Hektar. Es wäre ein Gebiet, das der Größe des ehemaligen Flughafens Tegel entspricht. Wie viele Windräder auf dieser Fläche aufgestellt werden könnten, ist nach Angaben der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe aber schwer zu sagen. Nach Berechnungen der Fachagentur Wind habe eine Windenergieanlage mit 4 bis 6 Megawatt Leistung einen Flächenverbrauch von 21 bis 23 Hektar. Für Berlin käme man damit theoretisch auf rund 20 Anlagen, schreibt die Wirtschaftsverwaltung auf taz-Anfrage. „Dies gilt aber nur idealtypisch für eine zusammenhängende Fläche. Wie sich das in Berlin auf vielen kleineren Einzelflächen verhält, kann man so pauschal – zumindest aktuell – noch nicht beantworten“, heißt es weiter.

Es wird windig

Bundesvorgaben Mit dem „Wind-an-Land-Gesetz“ vom Februar 2023 will die Bundesregierung den Ausbau der Windenergie beschleunigen. Bislang sind bundesweit 0,8 Prozent der Landesfläche für Windkraftanlagen an Land ausgewiesen, bis 2032 sollen es 2 Prozent sein. Das Gesetz gibt den Ländern daher Flächenziele für den Ausbau der Windenergie vor. Berlin muss bis 2027 0,25 Prozent seiner Landesfläche für Windkraft ausgewiesen haben, bis 2032 dann 0,5 Prozent.

Leistung Mit dem Strom, den ein durchschnittliches Windrad erzeugt, lassen sich pro Jahr 2.000 Einpersonen-Haushalte versorgen oder 800 Drei-Personen-Haushalte. Das sind allerdings reine Durchschnittswerte: Letztlich kommt es auf die Leistung der Anlage und auf das verfügbare Stromnetz an.

Fläche Wie viel Platz ein Windrad benötigt, ist tatsächlich nicht so einfach zu ermitteln. Für etwa 200 Meter hohe Anlagen braucht es einen Sockel und darum herum ein meist verschottertes Umfeld von knapp einem halben Hektar. Dazu kommt der Platz „in der Luft“: Denn damit es zwischen den Windrädern nicht zu Turbulenzen kommt oder sich die Anlagen gegenseitig den Wind „klauen“, müssen sie mit genügend Abstand zueinander aufgestellt werden. (usch)

„Wir brauchen eine Energiewende, die Klima- und Naturkrise gleichermaßen berücksichtigt“, sagt Janna Einöder, Referentin für Stadtgrün beim Nabu. Die Zusammenhänge in der Natur seien sehr komplex, „Einflüsse darauf lassen sich nicht so leicht errechnen wie CO2-Einsparungen“, sagt sie. Daher will der Nabu einen Blick darauf haben, dass Windräder „nicht dort hinkommen, wo wertvolle Naturgebiete darunter leiden“, sagt sie.

Pauschale Flächenvorgaben für den Windkraftausbau seien für Berlin daher unsinnig, bekräftigt Einöder den Forderungskatalog. Stattdessen sei es in Stadtstaaten sinnvoller, Vorgaben für die Leistung zu machen – und dabei auch andere Energieformen wie Solarenergie zu berücksichtigen. „Das Potenzial für Photovoltaik auf den Dächern ist in Berlin bisher kaum genutzt“, so Einöder. Auf Dächern könnten außerdem auch kleine Windräder aufgestellt werden, bei denen sich die Rotoren nicht frei drehen.

Aber sollte der Senat auch Windräder aufs Tempelhofer Feld bauen, um Berlins Wälder und Forsten zu schonen? Der Nabu will sich zu konkreten Gebieten vorerst nicht äußern. Denn wo und wie in Berlin Windräder aufgestellt werden könnten, ermittelt der Senat gerade noch über eine Machbarkeitsstudie, die im zweiten Halbjahr 2023 fertiggestellt werden soll. Erst wenn diese Ergebnisse vorliegen, will der Naturschutzbund konkrete Vorhaben kommentieren, sagt Einöder. Sie vermutet allerdings, dass der Nabu das Tempelhofer Feld eher nicht empfehlen würde, da es ein wichtiger Natur- und Erholungsraum sei.

„Ein komplexes Thema“

Auch im Senat ist man sich der Konflikte bewusst. „Die Flächenbereitstellung ist ein komplexes Thema im Kontext der vielschichtigen Flächenbedarfe und -konkurrenzen“, heißt es aus der federführenden Senatsverwaltung für Wirtschaft. Da konkurrierten oft Anliegen wie Wohnungsbau, Naturschutz, Schulbau oder Erholung miteinander und außerdem mit den Erfordernissen von Infrastruktur, Straßenbau oder Kompensation. „Berlin ist gehalten, hier eine räumliche Steuerung und einen Ausgleich umfassender Belange vorzunehmen“, heißt es weiter. Zentral sei eine gute Datengrundlage, die dem Senat dazu dienen soll, Flächen zu identifizieren.

Ein paar Windräder stehen übrigens in Berlin schon: Vier im Gewerbegebiet am Autobahndreieck Pankow und zwei entlang der Bundesstraße 2 zwischen Malchow und der Landesgrenze. Diese sechs Windräder haben zusammen eine Leistung von 16,6 Megawatt. Dazu kommen 42 große Windräder mit 121 Megawatt Leistung auf den Berliner Stadtgütern in Brandenburg. Die Stadtgüter sind ein Berliner Landesunternehmen, das 16.600 Hektar in Brandenburg bewirtschaftet.

Könnte es also eine Lösung sein, die Windräder nach Brandenburg auszulagern? Bei der Windkraft werde eine verstärkte Zusammenarbeit mit Brandenburg in Betracht gezogen, heißt es aus der Wirtschaftsverwaltung. Allerdings stehe auch hierfür erst einmal die eigene Potenzialanalyse im Vordergrund. Die Stadtgüter bzw. die dort betriebenen und geplanten Windräder zählten für Berlins Windkraftstatistik allerdings nicht. Und selbst wenn es möglich wäre: zu Konflikten würde es vermutlich auch führen.

Flächen gibt es aber bekanntlich nicht nur auf dem Boden: Berlin plant bereits jetzt, kleine Windräder auf Dächern aufzustellen. Vier kleinere Windräder sollen auf einem Hochhaus der Howoge in Lichtenberg erreichtet werden, dort will der Senat Erfahrungen mit Windenergie auf Dächern sammeln. Eine Hoffnung, die 0,5 Prozent Landesfläche auf Berlins Dächern zu finden, lässt sich daraus aber nicht ableiten: Kleinwindenergieanlagen auf Dächern könnten nicht auf das Länderflächenziel angerechnet werden, heißt es dazu aus der Wirtschaftsverwaltung.

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4 Kommentare

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  • NIMBY lässt grüßen.

    Auf dem Flughafengelände in Tegel und Tempelhof sind bis vor kurzem noch Flugzeuge gestartet.

    Und schwupps ist es ein Naturraum, der wichtiger ist als eine vergleichbare Wiese in Brandenburg?

    Dass Windräder den Tod von Fledermäusen und Vögeln bedeuten, ist ja nun nichts Neues.

    Das ist aber nicht nur in Berlin so.

  • Klimaschützer versus Naturschützer, irgendwie schon verrückt.



    Ich bin auch für Windenergie, doch kann es nicht Ziel der Energiewende sein, dass ganz Deutschland dicht verspargelt ist und selbst Wälder ohne Rücksicht auf den Artenschutz verspargelt werden.

    • @Rudi Hamm:

      Hier geht es aber nicht in erster Linie nur vordergründig um einen Streit zwischen Arten - und Klimaschützern: Nähme man nämlich den Klimaschutz ernst, würden Wälder mit mehr Respekt behandelt - vor allem in Bezug auf ihre Bedeutung für den natürlichen Klimaschutz; der Artenschutz spielt natürlich eine ebenso herausragende Rolle. Der Grund, warum nun in die Wälder gestrebt wird, ist allzu oft mit dem Profitstreben der Waldbesitzer verbunden. Wälder gehören, bis auf gewisse Ausnahmen vom Ausbau ausgenommen - für den Arten- und den Klimaschutz!

    • @Rudi Hamm:

      Sowas is der Grund, weshalb die Vokabel "GRÜN" mittlerweile jedweden spezifischen Inhalts gebricht. Dicht gefolgt vom Vulgärgebrauch des eigentlich gut definierbaren Konzepts namens "NACHHALTIG". Und so stehen in der Landschaft mittlerweile allüberall die Quirle rum - was der BUND ("Umwelt- UND Naturschutz" ...) eher gut und der NABU (Ex-DBVogelschutz) eher schlecht findet. Und in welchem Verband sind SIE ?