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Verkehrswende in StädtenGemeinsam zur Arbeit pendeln

Keine Rushhour, das Klima schützen und trotzdem nicht auf das Auto verzichten. Mit einer App möchte der ADAC genau das jetzt fördern.

Da hätten ein paar Fahrgemeinschaften vielleicht für Entlastung gesorgt Foto: picture alliance/dpa | Markus Scholz

Berlin taz | Wie sähe eine Straße in der Rushhour ohne die Autos um die Menschen aus? Vermutlich so: lauter einzelne Personen, die sich mit immensem Abstand voneinander die Straße entlangbewegen. 1,2 Menschen sitzen im Schnitt im Berufsverkehr in den Autosverhältnismäßig ist das nicht.

Um das zu ändern, will der Autofahrerclub ADAC nun Fahrgemeinschaften fördern, vor allem unter Pend­le­r:in­nen. Dafür hat er die App „ADAC Pendlernetz“ entwickelt und kooperiert dafür mit dem Unternehmen Schwarz Mobility Solutions. Dieses betreibt seit 2020 eine Plattform für Mitfahrgelegenheiten durch die App twogo.

taz-Serie Mobile Zukunft

Verkehr: Volle Radwege in den Städten trügen: Klima- und menschenfreundliche Mobilität ist längst nicht normal. In Deutschland etwa ist der Anteil des Verkehrs an den CO2-Emissionen in den letzten 30 Jahren von 13 auf fast 20 Prozent gestiegen – zu viel Gütertransporte auf der Straße, zu viel Individualverkehr.

Ideen: Doch es gibt jede Menge spannende neue Konzepte für Fahrräder, Busse, Bahnen und Schiffe mit E-Mobilität sowie neuen Formen des Teilens oder Weglassens. Oder auch für mehr Verantwortung für Umweltschädigung. In dieser Serie stellen taz-Autor:innen Ideen vor, die aktuell bereits ausprobiert werden.

Bisher erschienen: „Öffentlicher Nahverkehr im Libanon. Geordnetes Chaos“, 9. 8. 2023

Ziel der Pendlernetz-App sei es, „Autofahrten zu verringern, Kosten zu senken und Umweltbelastungen zu reduzieren“, sagt ADAC-Vorstand Dieter Nirschl. Außer für Be­rufs­pend­le­r:in­nen komme das Angebot auch für Schü­le­r:in­nen oder Studierende in Frage – gerade außerhalb der Städte. „Auf dem Land ist Mobilität ohne Auto bisher kaum möglich. Hier sehen wir erhebliches Potenzial, andere Menschen mitzunehmen oder selber bei einem passenden Angebot mitzufahren. Sei es zum Einkaufen, zum Stadtbummel oder Arztbesuch“, sagte ein ADAC-Sprecher der taz.

Stephan Tschierschwitz leitet den Bereich Mobilitätslösungen der Schwarz Mobility Solutions. Er erklärt, wie die App funktioniert: Nut­ze­r:in­nen können ihr Fahrtziel angeben und bekommen im Idealfall eine passende Mitfahrgelegenheit angezeigt. Die App ermittelt dann die Kosten für die Fahrt und teilt sie fair unter den Mit­fah­re­r:in­nen auf. Dabei schlägt sie 30 Cent pro Kilometer vor, was der Kostenbeteiligung des Bundesreisekostengesetzes entspricht. Je mehr Personen im Auto sitzen, desto günstiger wird die Fahrt also.

Potenzial zum Gamechanger

Lisa Ruhrort vom Forschungsbereich Mobilität am Deutschen Institut für Urbanistik hält Apps, die Fahrgemeinschaften vermitteln, für einen guten Ansatz, um die Verkehrswende zu unterstützen. Bisher hätten die meisten Versuche, solche Fahrgemeinschaften in Deutschland zu etablieren, wenig Reichweite. Wegen der großen Mitgliederschaft des ADAC könne das neue Tool aber so etwas wie ein Gamechanger werden.

Nach Angaben des Automobilclubs werden bei einer Strecke über 10 Kilometer schon 1,5 Kilogramm CO2 eingespart, wenn sich zwei Personen das Auto teilen, auf 100 Kilometer gerechnet wären das 15 Kilogramm CO2 weniger – und der:­die Fah­re­r:in bekommt 30 Euro von der:­dem Mitfahrenden.

Nutzen mehrere Personen das Auto mit, ist der Mehrwert entsprechend größer. Das sind gute Argumente, meint der ADAC-Sprecher – aber es müssten eben auch viele Menschen gewonnen werden, andere mitzunehmen oder bei anderen einzusteigen. „Das Grundproblem ist, dass der Anreiz für Fah­re­r:in­nen nicht besonders groß ist“, sagt Ruhrort. Gemessen an dem empfundenen Aufwand seien die 30 Cent pro Kilometer wenig.

Um Fahrgemeinschaften attraktiver zu machen, müssten nichtmonetäre Anreize geschaffen werden, also Vorteile für Pendler:innen, die gemeinsam fahren, sagt Ruhrort. So könnten etwa Unternehmen privilegierte Parkplätze für Fahrgemeinschaften anbieten.

Die App GoFlux, die ebenfalls Fahrgemeinschaften vermittelt, kooperiert mit dem Verkehrsbund Rhein-Sieg und arbeitet mit Kommunen und großen Unternehmen zusammen, etwa dem Universitätsklinikum Bonn. Laut der GoFlux-Website vermieden die Fahrgemeinschaften der Mitarbeitenden des Klinikums von September 2022 bis Juni 2023 30.000 Fahrkilometer und mehr als 8.500 Kilogramm CO2.

Mehr Anreize

Aber auch Städte und Kommunen müssten Anreize schaffen und bereit sein, dafür womöglich andere einzuschränken, sagt Ruhrort. Würden sich Fahrgemeinschaften stärker etablieren, seien Städte schließlich auch die zentralen Nutznießer. Die twogo-App, die mit dem ADAC kooperiert, habe in Deutschland derzeit rund 30.000 registrierte Nutzer:innen, „Tendenz stark steigend“, sagt Tschierschwitz von Schwarz Mobility Solutions.

Besonders groß sei die Nachfrage in großen Ballungsgebieten wie Berlin, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Stuttgart und München. Ziel der Kooperation sei es aber, das Mitfahren flächendeckend in Deutschland zu etablieren – und dabei eben auch die Mobilität auf dem Land zu stärken.

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3 Kommentare

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  • Das Uralt-Wort Fahrgemeinschaft einmal neu aufgekocht. Aber per App, warum nicht, wenn's hilft ? Wenn dies aber finanziell zu gut kompensiert wird (@ Wunderwelt), dann wirds ne Art Uber für Arme ...

  • Zwar geht die Idee in die richtige Richtung, dürfte aber unter den momentanen Gegebenheiten nur von sehr begrenzter Wirkung sein.

    Das würde sich allerdings ändern, wenn Auto fahren deutlich teurer würde..insbesondere der Spritpreis.

    Und so weit ich mich erinnere war das ja ohnehin der Plan der Ampel..wobei die gestiegenen Kosten durch ein Energie/Klimageld ausgeglichen werden sollten.

    Was ist eigentlich aus dieser Idee geworden..?

  • Annette Hauschild , Autor*in ,

    So was ist nun wirklich nichts Neued neu ist nur dass der ADAC mitmacht. Solche Programme , neudeutsch App genannt gab es schon vor Jahten haben sich damals aber nicht herumgedprochen