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TV-Sender sieht duales System gefährdetStoiber kämpft für ProSiebenSat.1

Der Beirat von ProSiebenSat.1 kritisiert, dass die Privatfernsehgruppe in einem ungleichen Wettbewerb mit den Öffentlich-Rechtlichen steht. Doch Annäherungsversuche scheitern.

Hier kämpfte Stoiber rmit dem Wetter, ansonsten tut er das für die Fernsehgruppe ProSiebenSat.1 Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

E s gibt ja immer wieder Sachen, die für eineN neu sind. Zum Beispiel, dass ProSiebenSat.1 (P7S1) einen Beirat hat. Vorsitzender ist niemand Geringeres als Bayerns Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU). Der Beirat soll die Privatfernsehgruppe bei ethischen und gesellschaftspolitischen Fragen beraten.

Ob dazu auch gehört, warum P7S1 gerade mal wieder 400 Stellen abbaut? Oder Sat.1 inhaltlich und quotentechnisch in der Bedeutungslosigkeit verschwunden ist? Dabei war das mal der innovativste Privatsender, dem wir unter anderem mit „Talk im Turm“ den später von den Öffentlich-Rechtlichen geklauten TV-Talk verdanken. Doch heute liegt Sat.1 marktanteilmäßig hinter Vox, und inhaltlich sieht’s ganz arm aus.

Dazu hört man von Ede Stoi­ber aber nichts. Dafür hat sich der Beirat gerade mit einem „Weckruf“ an die Medienpolitik gemeldet. Denn er sieht das „duale System“, in dem sich Private und Öffentlich-Rechtliche in friedlicher Koexistenz beschimpfen, „in ernster Gefahr“. Denn „unsere Gesellschaft und ihr bröckelnder Zusammenhalt erfordern mehr denn je einen qualitativ hochwertigen Journalismus, der in unruhigen Zeiten Orientierung gibt“.

Damit meint der Beirat aber keineswegs, dass sich die Beitragskommission KEF bei der Neuberechnung der Kohle für ARD und ZDF ab 2025 nicht so zimperlich anstellen soll. Im Gegenteil, die stehen voll fies mit den privaten Sendern „in vielen Bereichen in einem ungleichen Wettbewerb“, geht es in dem Brandbrief weiter. „In diesem Kontext muss auch diskutiert werden, wo und wie sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk öffnen kann.“

Die Welt und eigenes Leben retten

Nachtigall, ick hör dir trapsen, ließe sich rufen, wenn Sat.1 noch in Berlin säße und nicht zum lieblosen Anhängsel des Münchner TV-Konzerns geworden wäre. Denn das Aufbohren der Grenzen zwischen privat und öffentlich-rechtlich ist das große Mantra von P7S1-Vorstandschef Bert Habets.

Bei jeder Gelegenheit fordert der, dass ARD und ZDF samt Mediathek ins P7S1-Streaming-Angebot Joyn gehören. So will Habets die Welt und vor allem seinen Laden retten. ARD wie ZDF winken allerdings stets höflich ab. Wäre ja auch dumm, denn damit wäre das duale System nicht nur „ernsthaft gefährdet“, sondern keines mehr.

Nun wirft der Konzern seinen Beirat und Edmund Stoiber in die Schlacht. Das wirkt ein bisschen verzweifelt. Denn bislang war der Beirat für P7S1 nicht so wichtig und taucht nicht mal im aktuellen Online-Geschäftsbericht auf. „Ist doch gut, dass bei P7S1 alle im gleichen Boot sitzen und nun auf ihren Steuermann hören.

Und logisch nicht untergehen wollen“, sagt die Mitbewohnerin. „Aber was, wenn Joyn P7S1 das einzige Rettungsboot ist, wenn die ADR/ZDF-„Titanic“ untergeht? Öffnen sie sich und fühlen bei der bröckelnd-untergehenden Gesellschaft den Zusammenhalt?“

Mal sehen, ob sich Stoiber zuliebe wenigstens die bayerische Me­dien­politik ein bisschen beeindruckt zeigt.

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Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
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3 Kommentare

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  • Dass das Fernsehen einen Beitrag zum politischen Journalismus abseits der Tagesschau geliefert hätte, wäre mir neu. Aber was weiß ich schon, ich informiere mich ja auch über eine Tageszeitung.



    Für die visuelle Unterhaltung scheint es auch eher ein altersabhängiges „duales“ System zu geben aus linearem Fernsehen für die (geistig) Alten und dem Streaming (wobei u.a. Joyn und die Mediatheken für die Alten sind und den Videorekorder bzw. die Fernseherfestplatte ersetzen).



    Für die Jüngeren gibt es wie früher nur drei „Programme“: Netflix, Amazon, Disney+ (ich weiß, ein paar mehr sind es schon ...) Dass Ede Stoiber davon noch nichts gehört hat, wundert mich aber nicht, schließlich war er schon als Kanzlerkandidat nicht einfach nur konservativ, sondern lebte hinterm Mond.

    • @Zangler:

      Klar - von da 🌑 mit dem Transrapid !



      Äh Äh zum Äh - FJS 🛫🛬🛩️ - isses ja auch schwierig! Gell & am Einchecken



      Äh Äh Ede Stoiber 10 Minuten Transrapid - mit seiner Muschi - 🙀🥳 -



      www.youtube.com/wa...biBmbHVnaGFmZW4%3D



      Äh Äh Äh

  • "Am 13. Oktober 1988 wurde die ProSieben Television [...] gegründet. Gründungsgesellschafter waren Gerhard Ackermans (51 Prozent) und Thomas Kirch (49 Prozent). Man darf annehmen, dass Thomas Kirch dabei aus kartellrechtlichen Gründen als Strohmann seines Vaters Leo Kirch handelte, der damals Anteile am Konkurrenzprogramm Sat.1 hielt." [1]

    Schau an. Man bleibt unter sich.

    [1] de.wikipedia.org/wiki/Pro7#Geschichte