Referendum in Ecuador: Ölförderung im Amazonas abgewählt

Die Mehrheit der Menschen in Ecuador stimmt für den Schutz des Yasuní-Nationalparks. Es ist ein wegweisendes Votum – nicht nur für die Indigenen.

Menschen mit nacktem Oberkörper und Blumenschmuck im Haar stehen vor einem Erdölturm

Der Regenwald gehört der Natur: Indigene Demonstration gegen Ölförderung in Ecuador Foto: Fernando Gimeno/EPA

HAMBURG taz | Bis zum Wahltag war Pedro Bermeo mit den Ak­ti­vis­t:in­nen der YASunidos in ganz Ecuador unterwegs, um für ein Sí zu werben. Ein Ja zum Schutz des Yasuní-Nationalparks und zum Ende der Erdölförderung in einem der artenreichsten Biosphärenreservate der Welt.

Der Ausgang des Referendums, sagte der Jurist und Umweltaktivist wenige Tage vor der Abstimmung am Sonntag, habe Signalcharakter – für sein Land, aber auch darüber hinaus. „Es könnte mehr Referenden zur Folge haben, unser Land basisdemokratischer machen und das könnte Modellcharakter für andere Länder haben“, so Bermeos Prognose.

Diesem Traum ist der 31-Jährige, schlaksig, Vollbart und zurückgebundener Haarschopf, nun einen großen Schritt näher gekommen. Denn nach Auszählung von rund 93 Prozent der Stimmen (Stand: Montagnachmittag) ist klar: Eine Mehrheit der Menschen in Ecuador, um die 60 Prozent, hat für die Natur gestimmt – das Nein-Lager, das für eine Fortführung der Erdölforderung warb, hat verloren.

Es ist ein wegweisendes Referendum. Mehr als zehn Jahre lang war es mit allerlei politischen Tricks verschleppt worden. Schließlich war es das ecuadorianische Verfassungsgericht, das im Mai grünes Licht für die Volksabstimmung gab. Die Rich­te­r:in­nen legten zudem fest, dass ein Ja zum Schutz des Regenwaldes unmittelbar umgesetzt werden muss. Heißt: Binnen 365 Arbeitstagen müssen alle Förderanlagen im betreffenden Bloque 43, auch ITT genannt, zurückgebaut und die Bohrlöcher versiegelt werden.

Für den Schutz der Artenvielfalt und soziale Entwicklung

„Das ist technisch kein Problem, es kann zu Verzögerungen kommen, aber die Regierung und der staatliche Förderkonzern Petroecuador sind dazu verpflichtet“, sagt Alberto Acosta, Ökonom, ehemaliger Bergbau- und Energieminister und einer der Väter der Yasuní-ITT-Initiative aus dem Jahr 2007.

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Die Idee von letzterer war, CO2-Emissionen durch die Nichtausbeutung fossiler Brennstoffe zu reduzieren und dadurch den Schutz der Artenvielfalt und die soziale Entwicklung im Yasuní-Nationalpark, der seit 1989 Biosphärenreservat der Unesco ist, zu gewährleisten. Konkret sollten die drei bei Probebohrungen entdeckten Ölquellen – Ishpingo, Tambococha und Tiputini – im Schutzgebiet nicht ausgebeutet werden. Zudem war das Ziel, die beiden in freiwilliger Isolation dort lebenden indigenen Völker zu schützen.

Dafür erklärte sich die ecuadorianische Regierung bereit, auf fünfzig Prozent der Erlöse aus der Ausbeutung der Vorkommen von etwa 850 Millionen Barrel Erdöl zu verzichten. Als Gegenleistung forderte die Regierung des damals regierenden Präsidenten Rafael Correa einen Ausgleichsbetrag der internationalen Gemeinschaft, der mindestens 50 Prozent des potenziellen Ertrags aus dem Erdölverkauf abdecken sollte. Das entsprechende Abkommen wurde im August 2010 auf UN-Ebene fixiert, ein Treuhandfonds eingerichtet.

Initiative war vor dem Durchbruch, dann kam ein FDP-Mann

„Am 5. Juni 2008 hatten alle Parteien des Bundestags Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgefordert, die Yasuní-ITT-Initiative zu folgen, sie zu fördern“, erinnert sich Alberto Acosta. „Das hätte auf internationaler Ebene zum Durchbruch der Initiative führen können.“

Doch dann kam in Berlin eine neue Regierung ans Ruder: das bislang von der SPD geführte Entwicklungshilfeministerium übernahm Dirk Niebel von der FDP. Die in Aussicht und angeblich bereits zurückgestellte Summe von 200 Millionen US-Dollar wurde eingefroren, der Initiative vom Minister eine Absage erteilt. „Das war der Dolchstoß“, sagt Acosta heute. Auch von Correa sei sie nur halbherzig unterstützt worden: „Er hatte keine langfristige Strategie, wollte aus der Logik der Ressourcenförderung nicht raus.“

Das könnte nun anders werden. Das Yasuní-Referendum und das parallel im Großraum Quito durchgeführte Referendum zum Schutz des Chocó Andino (ein weiteres von der Unesco erklärtes Schutzgebiet) seien nicht nur ein Votum für den Umweltschutz, sondern auch eines für ein anderes Wirtschaftsmodell: „Beide Referenden sind eine Absage an die traditionelle Rohstoff-Exportpolitik. Daher müssen wir in eine Debatte über die ökonomische Zukunft unseres Landes eintreten – es geht um nachhaltige Zukunftskonzepte“, so Acosta in der Nacht zu Montag bei der Auszählung der Stimmen in der Zentrale des Nationalen Wahlrats (CNE).

„Ich kämpfe für mein Haus“

Erstmals wird eine Regierung von der Bevölkerung verpflichtet, Erdöl im Boden zu belassen. Das könnte in der Region durchaus Schule machen, auch wenn nicht alle Länder eine derart progressive Verfassung haben wie die ecuadorianische.

Zudem ist der Ausgang des Referendums, für das die Dachorganisation indigener Völker Ecuadors (Conaie) explizit warb, auch ein Wink an die Nachbarn und den jüngst ergebnislos ausgegangenen Amazonas-Gipfel in Brasilien. An der hatte auch die indigene Aktivistin Alicia Cahuiya teilgenommen, die im Gebiet des Yasuní-Nationalparks geboren wurde und in der Wao­rani-Gemeinde Ñoneno lebt.

Enttäuscht war sie aus Brasilien zurückgekehrt und hatte danach wieder an Veranstaltungen der YASunidos zum Referendum teilgenommen. Für sie eine Notwendigkeit: „Ich kämpfe für mein Haus, denn es ist in Gefahr, ausgelöscht zu werden, mit dieser einzigartigen Tierwelt, die dazu gehört. Ich habe mit 16 Jahren als Aktivistin angefangen. Es gibt keine Alternative“, erklärte sie im Anschluss an ihre Rückkehr aus Brasilien der taz.

Nun kann sie gemeinsam mit den YASunidos und Pedro Barmeo feiern. Der Aktivist gehört zu den regelmäßigen Besuchern ihrer vom Regenwald und ein wenig Tourismus lebenden Gemeinde. Diese hat nun allen Grund zu hoffen, dass sie im Yasuní-Nationalpark weiterleben kann – geschützt, und zwar vom Volk legitimiert.

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