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Strände in GriechenlandMit Handtuch gegen Privatisierung

In Griechenland können nur wenige Strandabschnitte kostenlos besucht werden. Nun formiert sich Protest – und die Regierung verschärft ihre Kontrollen.

Die „Handtuchbewegung“ kämpft mit Demonstrationen gegen die Privatisierung der Strände Foto: Or Kaplan via dpa

Athen taz | Mitten in der Urlaubssaison formiert sich in Griechenland Protest gegen die Privatisierung von Stränden: Mit Transparenten und Sprechchören drückt die sogenannte Handtuchbewegung ihren Missmut aus. Ihnen sind die vielen Beachbars mit ihren Strandliegen samt Sonnenschirmen ein Dorn im Auge, für deren Nutzung oftmals Wucherpreise verlangt werden und die sich illegal über die erlaubte Fläche hinaus ausbreiten. So nehmen sie den übrigen Strandbesuchern den freien, kostenlosen Zugang zu den Stränden.

Viele Strandbarbetreiber stellen ihre Sonnenliegen dicht an dicht bis direkt ans Meer auf. Ein klarer Verstoß gegen das griechische Gesetz: Das sieht einen Mindestabstand von fünf Metern zum Meer vor. Manche Strandbarbesitzer haben überhaupt keine Betriebsgenehmigungen, andere agieren in Naturschutzgebieten.

Das Phänomen der immer mehr Strandfläche raubenden Sonnenliegen ist in Hellas – mit dank seiner vielen Inseln gut 15.000 Kilometern Küstenlänge – nicht neu. Ihren Anfang nahm die Bürgerbewegung gegen die Strandprivatisierung im Juli auf Paros – und sie feiert nun erste Erfolge. Anfang August jubelte „Save Paros“, die als Keimzelle der Handtuchbewegung in ganz Hellas gilt: Der Strand Santa Maria sei „inzwischen auf der Hälfte seiner Gesamtfläche frei von Sonnenliegen“. „Das Handtuch hat die Sonnenliege besiegt“, freuen sich die Unterstützer der Bewegung.

Auch ein Fall aus dem vergangenen Jahr kocht gerade wieder hoch: Damals ging der Betreiber einer Strandbar am Kastamonitis-Strand auf der nordgriechischen Halbinsel Chalkidiki heftig auf ein älteres Ehepaar los, als es gerade Handtuch und Schirm auf dem Sand platzierte. „Wir waren zwei Meter von den Sonnenliegen der Strandbar entfernt. Da kam er auf uns zu und fing an wild zu fluchen“, klagte die Griechin mit zitternder Stimme im Athener Privatsender Mega TV. Der Ehemann musste sogar ins Krankenhaus eingeliefert werden.

In nur drei Tagen wurden 16 Personen festgenommen

Ob auf den Kykladen, Kreta oder den Inseln im Ionischen Meer: Die Handtuchbewegung gewinnt immer mehr Unterstützer. Aktionen finden derzeit täglich statt. Zahlreiche Strandbarbesitzer geben unter dem Druck der Bürgerbewegung nach, indem sie wieder Platz für den kostenlosen Zugang zu den Stränden machen.

Für die ganze Region Chalkidiki mit seinen Hunderten Stränden gibt es nur drei Kontrolleure

Die seit Juli 2019 amtierende und jüngst wiedergewählte Regierung in Athen unter dem konservativen Premier Kyriakos Mitsotakis hat nun plötzlich landesweite Kontrollen und Razzien angeordnet. Dabei werden, wenig verwunderlich, zahlreiche Verstöße festgestellt. Innerhalb von drei Tagen seien 16 Personen festgenommen worden, wie griechische Medien meldeten. Doch der Personalmangel in den Behörden ist akut: Für ganz Chalkidiki mit seinen Hunderten Stränden gibt es nur drei Kontrolleure.

Sie haben viel zu tun: Auf Milos wurde ein Gastronom verhaftet, der in einer archäologischen Stätte 41 Schirmstühle, 20 Sonnenschirme und 17 Sitzgelegenheiten mit fünf Tischen ohne Genehmigung aufgestellt hatte. Auf Zakynthos wurde ein Strandbarbetreiber festgenommen, weil er 30 Sonnenschirm-Sitzgarnituren ohne Genehmigung aufgestellt hatte.

Unterdessen wirft die größte Athener Oppositionspartei, die radikallinke Syriza, der Regierung Mitsotakis Heuchelei vor. Hatte 2019 die damals amtierende Syriza-Regierung festgelegt, dass 60 Prozent der Gesamtfläche eines Strandes für die Bürger frei bleiben müssten, habe die Regierung Mitsotakis diese Regelung zugunsten der privaten Strandbarbetreiber geändert: Nunmehr könnten sie 50 Prozent der Gesamtfläche des Strandes nutzen. Ferner hätte sie den zuvor fünfjährigen Ausschluss von einer Lizenz wegen eines Verstoßes gegen die Lizenzbedingungen zu einem einjährigen verkürzt.

Doch nicht alle teilen die Auffassung der Handtuchbewegung. In der konservativen Tageszeitung Kathimerini schreibt ein Kommentator: Wohlhabende Touristen kämen an den Strand, „um zu sehen und gesehen zu werden“. Es läge auf der Hand, dass sie keine Familie mit Handtüchern und mitgebrachtem Essen neben ihrer teuren Sonnenliege haben wollten. Und zurück in die Ära des Armen-Tourismus, schließt er, wolle man nun auch nicht.

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2 Kommentare

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  • Gier oder Freiheit ?



    Liebe Hellenen, das ist jetzt die Frage !

  • Hierzulande ist die Situation auch nicht viel besser.



    Kaum ein Nordseestand an dem nicht irgendeine wegelagernde Gemeinde für das schiere Betreten eine "Kurtaxe" verlangt.



    An der Ostsee geringfügig besser.



    An vielen Binnenseen aber auch deutlich schlechter.