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Studie zum Umweltbewusstsein der BürgerErderhitzung im Blick

Viele Menschen spüren die Klimakrise, fürchten aber einen ökologischen Umbau ohne soziale Abfederung, so eine Studie des Umweltbundesamts.

Hat viele Bür­ge­r:in­nen erschreckt: die Dürre 2022 in Deutschland Foto: Paul Langrock

Berlin taz | Trotz Krieg, Pandemie und Energiepreiskrise – die überwiegende Mehrheit der Menschen in Deutschland hält Maßnahmen gegen die Klimakrise für erforderlich. Gleichzeitig sorgen sich sehr viele Bür­ge­r:in­nen um die sozialen Folgen dieser Politik. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie zum Umweltbewusstsein in Deutschland, die das Umweltbundesamt (UBA) in Auftrag gegeben hat.

Danach sprechen sich 91 Prozent der Befragten für einen umwelt- und klimafreudlichen Umbau der Wirtschaft aus. Gleichzeitig fürchten drei Viertel der Befragten, dass sich durch diese ökologische Transformation die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert. 40 Prozent haben Angst davor, dass sie aufgrund des Umbaus absteigen. „Der ökologische Wirtschaftsumbau muss sozialverträglich erfolgen, wenn wir die Menschen auf dem Weg dorthin nicht verlieren wollen“, sagt UBA-Präsident Dirk Messner bei der Vorstellung der Studie am Donnerstag in Berlin. Das UBA gibt alle zwei Jahre eine Untersuchung zu umweltbezogenen Einstellungen und Verhaltensweisen in der Bevölkerung in Auftrag.

Für die jüngste repräsentative Erhebung hat das forsa Institut im vergangenen Sommer 2.073 Bür­ge­r:in­nen ab 14 Jahren online befragt, also deutlich vor der hitzigen Diskussion über das Heizungsgesetz der Ampelregierung in diesem Frühjahr. Mit dem Gebäudeenergiegesetz, das nach der Sommerpause des Bundestags verabschiedet werden soll, will die Regierung den flächendeckenden Ersatz fossiler Heizungen durch klimafreundliche bis zum Jahr 2045 einleiten. Das Vorhaben hat zu einer großen Aufregung geführt, weil viele Bür­ge­r:in­nen die damit verbundenen finanzielle Belastungen fürchten. Veränderungen durch diese Diskussion bilden die Ergebnisse nicht ab.

Den Studienergebnissen zufolge ist ein sehr große Mehrheit der Auffassung, dass der Klimawandel bereits stark spürbar ist, 85 Prozent geben das für Dürren und Niedrigwasser an, 83 Prozent für Starkregen und Überflutung und 80 Prozent für Hitze. „Die Menschen haben ein hohes Problembewusstsein“, sagte Messner. Auch in einer schwierigen weltpolitischen Lage wie im vergangenen Jahr betrachteten sie die Klimakrise nicht als Luxusproblem und sähen Handlungsbedarf. Nur 30 Prozent sind der Auffassung, dass die Bundesregierung „genug“ oder „eher genug“ für den Umwelt- und Klimaschutz unternimmt.

Sozialverträglicher Umbau nötig

Mit dem Handeln von Industrie und Wirtschaft sind nur 15 Prozent zufrieden. „Das ist ein Alarmzeichen“, sagte Messner. Viele Unternehmen schrieben sich die Transformation auf die Fahnen. Doch davon komme offenbar zu wenig bei den Bür­ge­r:in­nen an. Angst vor Arbeitslosigkeit aufgrund des Umbaus hatten 14 Prozent. Sehr viel größer ist eine allgemeine Verunsicherung. Von den Befragten sagten 58 Prozent, der anstehende Umbau verunsichere sie, weil sie nicht einschätzen könnten, was auf sie zukommt.

Die Menschen wollten die klimagerechte Transformation, betonte Messner. Gleichzeitig müsse aber deutlich werden, dass der Umbau sozialverträglich erfolgen werde. „Ansonsten laufen wir in ein Legitimationsdefizit“, sagte er. „Wir haben zu wenig über die soziale Dimension gesprochen.“

Messner forderte, dass die Politik bei allen Vorhaben von Anfang an soziale Fragestellungen mitbedenken müsse. Ein wichtiges Projekt ist seiner Auffassung nach das sogenannte Klimageld. In den kommenden Jahren werden die Preise für den CO2-Ausstoß steigen, wodurch sehr vieles teurer wird. Mit dem Klimageld sollen Bür­ge­r:in­nen entlastet werden. „Das Klimageld muss vorbereitet werden“, forderte er. Im Koalitionsvertrag der Ampelparteien SPD, Grüne und FDP ist zwar von diesem Projekt die Rede. Bislang hat die Regierung aber nichts unternommen, um es umzusetzen.

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9 Kommentare

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  • @BUDZYLEIN

    Kein Grund, sich zu entschuldigen. Ich war vielleicht auch ein Bisschen schnodderig.

    Wenn wir weiterbuddeln werden wir vielleicht auch eine gute Begründung für die Fragestellungen finden -- so etwas lässt sich schliesslich niemand beim Abendessen vrom Fernseher einfallen.

    Zumal es wohl eine auf einen längeren zeitraum angelegte Studie ist (wo es keine gute Idee scheint, mitten "im Fluge" die Fragen zu verändern, eine der grossen Schwierigkeiten bei soziologischen Langzeitstudien).

  • Ach, @BUDZYLEIN, ich habe den Eindruck, Sie wollen hier nur nörgeln.

    Hätten Sie den im Artikel verlinkten PDF nur annähernd aufmerksam überflogen, dann wären Sie sicher über den darin enthaltenen Link [1] gestolpert, der Sie auf die Seite mit den Fragen, Infos zur angewendeten Methodik, Ergebnisse in anderen Jahren, etc. etc.

    [1] www.umweltbundesam...ein-in-deutschland

    • @tomás zerolo:

      Ich bitte um Entschuldigung; ich hatte leider aufgehört zu lesen, als dasselbe nochmal auf Englisch kam. Danach werden in der Tat die Fragen angegeben. Diese bestätigen allerdings, dass die Themen vorgegeben wurden und die Befragten auf die einzelnen Punkte gestoßen wurden, die sie von sich aus möglicherweise gar nicht erwähnt hätten. Und Fragen nach der Wichtigkeit wurden auch gestellt.

      Aber es wurde auch gefragt, ob bestimmte Maßnahmen befürwortet werden oder nicht. Und daraus ergibt sich in der Tat, dass eine große Mehrheit der Befragten abstrakt den "Umbau" (und allerlei anderes Wohlklingendes) befürwortet, sich aber zugleich eine große Mehrheit vor dessen Folgen fürchtet. Wie gehabt: "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass." Sobald es konkret wird und ans Eingemachte geht, wird sich bei den meisten die Zustimmung in Luft auflösen.

  • Leider erfährt man weder aus dem Artikel noch aus dem darin verlinkten Bericht über die Ergebnisse, welche Fragen genau gestellt wurden. Dem Bericht über die Ergebnisse ist zu entnehmen, dass ein Teil der Fragen zum Gegenstand hatte, ob und inwieweit den Befragten bestimmte Themen "wichtig" oder "unwichtig" sind. Dabei kommt es aber darauf an, ob die Themen schon vorgegeben wurden oder ob offene Fragen gestellt wurden. Wenn man z. B. gezielt fragt "Ist Ihnen Klimaschutz wichtig?" kommen andere Ergebnisse heraus, als wenn man offen fragt "Welche Themen sind Ihnen wichtig?" und dadurch ermittelt, wie viel Prozent der Befragten dann von sich aus "Klimaschutz" sagen.

    Und dass jemandem ein Thema "wichtig" ist, sagt nicht unbedingt etwas darüber aus, welche Politik der Befragte befürwortet. Im Ergebnisbericht wird z. B. angegeben, dass für 31% ein Tempolimit sehr wichtig sei, während 20% das gar nicht wichtig fänden. Aber bedeutet das, dass die 31% alle ein Tempolimit befürworten und die 20% es alle ablehnen? Sicherlich nicht. Für diejenigen, die ihren hauptsächlichen Lebensinhalt darin sehen, mit 180 km/h über die Autobahn zu brettern, wird ein Tempolimit, gerade weil sie davon direkt betroffen sind und es strikt ablehnen, sehr wichtig sein, während es umgekehrt vielen Leuten, die gar keine Autobahnen benutzen, völlig egal sein dürfte, ob dort eine Geschwindigkeitsbegrenzung gilt oder nicht; die antworten dann mit "gar nicht wichtig", obwohl sie das Tempolimit keineswegs ablehnen.

  • @LAND OF PLENTY

    - "Ist denn der bisherige Job bei Lidl sozialverträglich?"

    Nein.

    - "Und sind Privatflugzeuge sozialverträglich?"

    Nein.

    Noch Fragen?

    ;-)

  • Wie schön, dass sich in der taz ein solches Wort findet:



    "sozialverträglich"



    Aus der Governance-Verwaltungssprache verlautete ein äußerer Gegenstand könne auf verträgliche Art und Weise in ein Aquarium gelegt werden.



    Ist denn der bisherige Job bei Lidl sozialverträglich?



    Und sind Privatflugzeuge sozialverträglich?



    Wollen Sie sich auch einfach mal an die Hitze anpassen und sich besser darauf vorbereiten?

  • Was ist der Nutzen solcher allgemein gehaltener Studien?



    Die Fragen sind in etwa so:

    - Möchten Sie mehr Geld haben? ---- 95% ja



    - Möchten Sie mehr Arbeiten? --- 95% nein



    - Möchten Sie, dass andere mehr arbeiten? -- 70% ja

    - Möchten Sie, dass andere mehr gegen den Kliamwandel machen? --- 95% ja



    - Möchten Sie Ihr Verhalten klimabewusst verändern? ---- 20% ja

    • 3G
      31841 (Profil gelöscht)
      @fly:

      Solche Einstellungen sind allgemein - wie zutreffend die Umfrage nun sein mag oder auch nicht - die Ursache für das, was zur "Tragik der Allmende" führt.

  • Gut, die Propaganda funktioniert: Klimapolitik ist was für abgehobene urbane Grüne, die in Kreuzberg leben.

    Dass es zuerst die Schwächsten erwischt, dass sich die Reichen einbilden, sie kommen davon (werden sie auch nicht, sie sind nur später dran) -- geschenkt.