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Bio-Würstchen fürs MillerntorGutes Gewissen für den Fan-Bauch

Veganes konnten Fans des FC St Pauli bei Heimpsielen schon länger snacken. Nun stellt der Fußball-Zweitligist komplett auf Bio-Würstchen um.

Herzchen fürs Tierwohl und gesunde Ernährung: St.Pauli Fans im Millerntor-Stadion Foto: Andreas Hannig/Lobeca/imago

Hamburg taz | Die Ersten zu sein, darin gefallen sie sich am Millerntor – und das auch schon mal mit Recht: 1991 war seine Spielstätte auf dem Hamburger Heiligengeistfeld noch nach Wilhelm Koch benannt, einem NS-verstrickten langjährigen Vereinspräsidenten, da legte sich der FC Sankt Pauli eine Stadionordnung zu, die rassistische Parolen und Transparente ausdrücklich untersagte. Das war damals Neuland unter deutschen Profiklubs und geschah zuallererst auf Betreiben engagierter Fans – vor dem Hintergrund freilich, dass damals regelmäßig eine überschaubar große, aber rechtsoffen auftretende Fan-Fraktion in der vermeintlichen Antifa-Bastion einfand.

Von Nazis zu anderen Schweinen: Es sind, zugegeben, etwas andere Zutaten im Spiel, weniger dramatische vielleicht, wenn der derzeit Zweitligist dieser Tage wieder ein erstes Mal verkünden konnte. Mit Beginn der Saison 2023/24 bietet der FC St. Pauli im Millerntorstadion nur noch Würstchen in Bioqualität an, ob mit Fleisch und ohne. „Aus regionaler, artgerechterer Tierhaltung und ökologischem Anbau“ stammen demnach in Zukunft die fettigen Snacks. „Damit kommt der Verein zum einen den Wünschen vieler Mitglieder und Fans nach, die ein solches Angebot gefordert haben, und setzt zudem ein bedeutsames Ziel in seiner umfassenden Nachhaltigkeitsstrategie um.“ Die umfasst etwa den Strom aus erneuerbaren Quellen respektive die eigene Fotovoltaikanlage auf dem Stadiondach. Aber eine Lappalie ist es nie, wenn es in deutschen Stadien um die Wurst geht: Die ist ein enorm emotional aufgeladenes Thema.

Zu einem der „veganfreundlichsten Stadien“ hierzulande hat die Tierrechtsorganisation Peta das Millerntor wiederholt erklärt, so landete die Spielstätte schon mal auf Platz zwei in einem ligaübergreifenden Vergleich; besser schnitt 2018 nur das Stadion von Schalke 04 ab. Eine schon zur vergangenen Saison hin entwickelte vegane Stadionwurst mit Zutaten aus ökologischem Anbau, zunächst in den Hospitalitybereichen sowie im Klubheim angeboten, kommt nun im ganzen Stadion ins Angebot. Und selbst verbliebene Fleisch­esse­r:in­nen sollen mit vergleichsweise guten Gewissen ­snacken dürfen.

„Na und?“, mag sich nun man­che:r fragen. „Wie viele von den Dingern werden da wohl umgesetzt?“ Wie groß also können die Effekte sein, die so ein zuallererst doch symbolischer Move zeitigt? Immerhin: 10.000 Würstchen sind es nach Angaben des Vereins, die an einem Spieltag verputzt werden, das macht derzeit rund ein Würstchen auf drei Be­su­che­r:in­nen; das Haus ist bei Heimspielen ja grundsätzlich voll. Noch etwas genauer gelesen hat die überhaupt stets gut informierte Lokalpresse die Vereinsmitteilung: 7.000 Würste entfallen laut Hamburger Abendblatt auf normale Fans, weitere 3.000 auf „die VIPs im Hospitalitybereich“. Leider nicht durchleuchtet hat der Millerntor-Korrespondent auf die Schnelle, wie viele davon noch Fleisch enthalten; also: wie viele Würstchen, nicht Fans.

Was sie wohl in Kaiserslautern so alles auf den Grill legen, auf dem berüchtigten Betzenberg? Dorthin nämlich führt der Spielplan der nun beginnenden Zweitligasaison 2023/24 die Hamburger zuerst: zum Auswärtsspiel gegen die „Roten Teufel“. Richtig akut wird es mit der Biowürstchen-Offensive also erst an Spieltag zwei – wenn am kommenden Samstag Fortuna Düsseldorf zu Gast ist.

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3 Kommentare

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  • Alexander Diehl schreibt "von Nazis zu anderen Schweinen". Das ist eine empörende Beleidigung. Für diese intelligenten, empfindsamen Mitgeschöpfe. Zwar wird in Deutschland mehr als 99 % dieser Lebewesen in eklakanter Mißachtung des Gesetzes vom Moment der Zeugung über die Geburt bis zum viel zu frühen Tod unsägliche Qualen zugefügt. Sie nun ohne Not und nur um einen billigen Wortwitzes willen mit Nazis zu vergleichen, dass haben die Schweine nicht verdient.

    • @hinnerk untiedt:

      Ja genau. Skandal! Völlig -Achtung billiger Wortwitz!- Wurscht, worums im Artikel geht, wenn man doch was zum Aufregen finden kann.



      Ich nehm hier mit, dass sich der Verein nicht nur vorbildlich gegen Rechts, dondern auch für mehr Nachhaltigkeit einsetzt. Gut so!

      • @Deep South:

        ;)