Schutz für Getreidetransporte: Vom Roten zum Schwarzen Meer

Militärischer Schutz für Handelsschiffe ist undenkbar? Nur wenn man sich von der Idee, dass konzertiertes Handeln dem Frieden dient, verabschiedet.

bewaffnete Militärs auf einem Schlauchboot

Übung der Eunavfor Foto: Christian Bruna/EPA/dpa

Vor fast fünfzehn Jahren wagte Europa einen beispiellosen Schritt. Um „Schutz für vom UN-Welternährungsprogramm (WFP) gecharterte Schiffe“ zu gewährleisten, „Schutz für Handelsschiffe im Operationsgebiet“ sowie „Beobachtung von Küstengebieten, von denen Gefahren für den Schiffsverkehr ausgehen“, gründete die EU Ende 2008 ihre Marinemission Eunavfor Atalanta.

Zusammen mit ähnlichen Marinemissionen etwa der Nato und asiatischen Ländern und abgesichert durch eine Reihe von UN-Resolutionen taten sich Marinekräfte aus aller Welt zusammen, um die damals größte Bedrohung des maritimen Welthandels einzudämmen: Piraterie aus Somalia, die die wichtigste Welt­handelsroute zwischen Europa und Asien unsicher machte. Auch Deutschland nahm jahrelang teil. An der internationalen Koalition Combined Maritime Forces unter US-Kommando, von der Atalanta einen Bestandteil bildet, waren zeitweise sogar Russland und die Ukraine beteiligt.

Heute gibt es wieder eine massive Bedrohung des maritimen Welthandels: Russland, das durch Beschuss ukrainischer Häfen und Angriffsdrohungen im Schwarzen Meer eine der wichtigsten Routen des globalen Getreidehandels unpassierbar macht. Wieder sind Lebensmittelschiffe des WFP betroffen, wieder bräuchten Handelsschiffe militärischen Geleitschutz, um sicher ihre Fracht zu laden und ihre Ziele anzusteuern. Die Türkei hat einen entsprechenden Vorstoß gemacht, eine breitere Debatte ist überfällig.

Die EU-Mission Atalanta gibt es bis heute, die Combined Maritime Forces ebenfalls. Im Dezember 2022 wurde Atalanta für weitere zwei Jahre verlängert, vorige Woche ging das Kommando von Spanien auf Italien über. Ihr Einsatzgebiet reicht vom Suezkanal im Norden bis Madagaskar im Süden und schließt große Teile des westlichen Indischen Ozeans mit ein. Zuletzt half sie unter anderem bei Evakuierungen aus Sudan.

Das Überleben der Welt

WFP-Schiffe mit Getreide aus der Ukraine, die in Dschibuti oder Kenia Hungerhilfe für Afrika abladen, stehen damit unter internationalem Schutz. Es gibt sie, die internationale Sicherheitsarchitektur für den maritimen Welthandel. Man müsste sie nur ausweiten: von Afrika auf Europa, vom Roten ins Schwarze Meer, vom Schutz vor Somalias Piraten zum Schutz vor Russlands Kriegsmarine.

Undenkbar? Nur wenn man sich von der Idee, konzertiertes multilaterales Handeln könne zum Frieden beitragen, komplett verabschiedet. Von dieser Idee hängt in Zeiten des russischen Krieges gegen die Ukraine nicht nur das Über­leben der Ukraine ab – sondern durch den russischen Krieg gegen den globalen Lebensmittelhandel das Überleben der Welt.

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Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.

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