Maroder Supertanker vor Jemens Küste: Umpump-Aktion mit hohem Risiko
Ein manövrierunfähiger Öl-Tanker bedroht seit Jahren die Küste Jemens. Ein anderes Schiff soll nun die Ladung übernehmen.
Die 47 Jahre alte „FSO Safer“ gilt seit Jahren als eine ökologische Zeitbombe. Seit drei Jahrzehnten dient das Schiff als eine Art schwimmendes Öllager für den Jemen. Seit 2015 rostet es ohne jegliche Wartung vor sich hin. Seit 2018 warnten Umweltschützer vor einer möglichen Umweltkatastrophe, falls der Tanker auseinanderbricht oder ausläuft. Denn dieser hat viermal so viel Öl geladen wie die „Exxon Valdez“, das unter US-Flagge fahrende Tankschiff des Ölkonzerns Exxon, das 1989 vor der Küste Alaskas havariert war und die bisher größte maritime Öl-Umweltkatastrophe ausgelöst hatte.
Am Dienstag hat die Umpump-Operation nun offiziell begonnen. Der Supertanker soll dabei völlig entleert und anschließend gesäubert werden. „Damit wird dieser Tanker das erste Mal seit acht Jahren keine Bedrohung mehr darstellen“, hofft der Chef der UN-Büros im Jemen, David Gressly, der das Ganze koordiniert.
Die UNO habe „die besten internationalen Spezialisten für die Operation angeheuert“, sagt Guterres. Der Generalsekretär beschreibt das Umpumpen als den „Kulminationspunkt von fast zwei Jahren politischer Verhandlungen und dem Aufstellen der Finanzierung“. Und schwärmt geradezu, die Operation sei „eine Geschichte von internationaler Zusammenarbeit, Prävention, politischen Verhandlungen, Einfallsreichtum und Umweltmanagement, die einmal mehr zeigt, wie unerlässlich die Rolle der UNO und seiner Partner ist“.
Der Tanker könnte auseinanderbrechen
Entwarnung ist aber nicht angesagt. Denn noch kann einiges schiefgehen. „Es könnte eine Explosion geben oder das Schiff wegen des sich verändernden Innendrucks auseinanderbrechen“, warnt die Greenpeace-Chefin für den Nahen Osten, Ghiwa Nakat. Um die Gefahr zu verringern, wurde im Vorfeld Inertgas in die „SFO Safer“ gepumpt. Damit sollte ein weniger brennbares und geringer explosives Gemisch entstehen.
Der jemenitische Umweltexperte Adul Qadr Al-Kharaz, der seit acht Jahren vor der schwimmenden Zeitbombe warnt, sagte, er werde während des Umpumpens im übertragenden Sinne die Luft anhalten: „Es hätte zahlreiche Auswirkungen, wenn irgendwelche Fehler gemacht werden und etwas passiert.“ Das Schiff ankere in einer ökologisch sehr sensiblen Gegend mit ausgedehnten Mangroven-Wäldern und zahlreichen Korallenriffen. Auch auf die internationale Schifffahrt in der Gegend würde ein Unfall Auswirkungen haben. „Ich hoffe die UNO hat einen guten Plan, damit nichts passiert“, sagt der Umweltschützer im Gespräch mit der taz.
Sarah Bel, eine Sprecherin der bei der Operation federführenden UN-Entwicklungsorganisation UNDP, zieht bei den Risiken noch einen weiteren Kreis: „Die Kosten für eine Ölpest mit der Ladung des Tankers könnten sich auf 20 Milliarden Dollar belaufen, die Säuberungsaktionen würden mehrere Jahre dauern“, sagte sie bei einer Pressekonferenz in Genf. Bel warnt, „dass eine Ölpest die afrikanische Küste erreichen und die dortigen Fischbestände auf 25 Jahre nachhaltig beschädigen könnte“. Außerdem müssten in einem solchen Fall Häfen im Jemen geschlossen werden – in einer Zeit, in der 17 Millionen Jemeniten und Jemenitinnen von humanitären Hilfslieferungen abhingen.
Kharaz hat aber noch eine andere Sorge, selbst wenn alles klappen sollte. Denn um die Genehmigung für die Operation zu bekommen, musste die UNO zustimmen, dass der Ersatztanker „Nautica“ nah der „FSO Safer“ festmacht. „Nach allem, was wir von den Huthi-Rebellen und der UNO über den Deal wissen, wird das neue Schiff neben dem alten ankern. Anstelle von einem Schiff, haben wir es dann mit zwei gefährlichen Schiffen zu tun“, so der Umweltschützer. In Wirklichkeit werde das Öl „nur von einem verschlissenen Tanker in einen anderes schon recht mitgenommenes Schiff umgepumpt“ – auch die „Nautica“ soll nur noch fünf Jahre lang im Dienst sein.
Was die Umweltschützer wollen, ist, dass beide Schiffe die Region verlassen. Dass das nicht geschieht, hat mit Politik und mit Geld zu tun. Die Huthi-Rebellen wollen weder den Ersatztanker „Nautica“ noch dessen Inhalt vor ihrer Küste einfach so aufgeben. Und der UNO fehlen im Moment noch 20 Millionen US-Dollar Finanzierung, um den alten Tanker „SFO Safer“, wenn er einmal leergepumpt ist, abzuschleppen und zu entsorgen. Selbst wenn das Öl also einmal umgeladen ist – die Saga der gefährlichen Supertanker vor Jemens Küste ist damit noch nicht beendet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Protest in Unterwäsche im Iran
Die laute Haut
Nach Diphtherie-Fall in Berlin
Das Problem der „Anthroposophischen Medizin“
T.C. Boyle zur US-Präsidentschaftswahl
„Halb Amerika schwelgt im Hass“