Ausgestrahlt-Sprecher über Endlagersuche: „Von Beteiligung keine Spur“

Zehn Jahre Atommüll-Endlagersuche haben Helge Bauer enttäuscht. Er weiß, was sich ändern müsste, damit das Verfahren nicht erneut vor die Wand fährt.

Helge Bauer

Vermisst bei der Endlagersuche die versprochene Beteiligung: Helge Bauer Foto: Lars Hoff

GÖTTINGEN taz | Vor zehn Jahren, am 23. Juli 2013, verabschiedete der Bundestag das Standortauswahlgesetz. Das war der Startschuss für eine neue Suche nach einem Endlager für hoch radioaktiven Atommüll und für viele damals eine gute Nachricht, auch für Helge Bauer. Und heute? Das Verfahren werde den gesetzlichen – und selbst gesetzten – Ansprüchen nicht gerecht, sagt Bauer von der Anti-Atom-Organisation „Ausgestrahlt“. Von der versprochenen Beteiligung gebe es „keine Spur“.

Bauer hat Sozialpädagogik studiert und engagiert sich seit seinem Studium unter anderem im Aktionsbündnis „Gerechter Welthandel“ und bei Attac. Seit 2014 arbeitet der 48-Jährige für Ausgestrahlt, ist für die Themen Atommüll und Standortsuche zuständig.

„Das Verfahren hätte aus den Fehlern und Erfahrungen von Gorleben lernen, Wissenschaftlichkeit in den Vordergrund stellen, von Beginn an Transparenz über die Auswahlschritte herstellen und die Bürgerinnen wirksam beteiligen sollen“, sagt Bauer. Aber das Atommüll-Bundesamt BASE und die mit der Standortsuche beauftragte Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) seien daran gescheitert.

Das Verfahren missachte wissenschaftliche Anforderungen, finde ohne wirksame öffentliche Kontrolle statt und speise die Öffentlichkeit mit „Schein-Beteiligungs-Formaten“ ab. Die staatlichen Akteure BASE und BGE, so Bauer, verspielten das Vertrauen, „dass der Standort, der am Ende herauskommt, tatsächlich der am wenigsten ungeeignete Standort ist“.

Helge Bauer, Ausgestrahlt

„Ändert sich nichts, wird die Suche vor die Wand fahren“

Bis zur Verabschiedung des Gesetzes war einzig der Salzstock in Gorleben auf seine Tauglichkeit als Endlager untersucht worden. Unter dem Deckmantel der Erkundung entstand ein fast fertiges Endlager. Im September 2020, als die BGE ihren „Zwischenbericht Teilgebiete“ zur Endlagersuche präsentierte, schied Gorleben aus – offiziell wegen geologischer Mängel, auf die Umweltschützer wie Bauer seit Jahren hingewiesen hatten, tatsächlich aber wohl auch wegen des Massenprotests im Wendland.

Gleichzeitig hatte die BGE eine Fläche von mehr als 50 Prozent des Bundesgebietes als potenziell geeignet bezeichnet, infrage kommen demnach neben Salz auch Ton- und Granitformationen. Aber zufrieden ist Bauer nicht: Die Entscheidungen zum Ausschluss oder Nicht-Ausschluss von Regionen seien bis heute nicht unabhängig nachprüfbar, weil Teile der Daten für die Öffentlichkeit nicht zugänglich seien.

Auch mit der versprochenen Wissenschaftlichkeit sei es nicht weit her. Denn der BGE-Zwischenbericht weise Gebiete als mögliche Standorte aus, in deren Untergrund die benötigten Gesteinstypen nachweislich gar nicht vorhanden seien. Andererseits blieben möglicherweise gut geeignete Standorte unberücksichtigt, weil die BGE in Gebieten, für die keine Daten vorlägen, mit „Phantasie-Annahmen“ zum Untergrund operiere.

„Ändert sich nichts, wird die Suche erneut vor die Wand fahren“, sagt Bauer. „Weil es abermals massive Proteste gegen das Atommüll-Lager geben wird, und das völlig zurecht.“ Wackersdorf und Gorleben hätten gezeigt, dass sich gegen die Bürger keine Atommüll-­Fabrik und kein Atommüll-Endlager durchsetzen lasse. Vertrauen schaffen gehe nur über Mitbestimmung und echte Beteiligung auf Augenhöhe.

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