Atommülllager säuft ab: Probleme in der Asse häufen sich
Der Atommüll in der Asse soll herausgeholt werden. Und dann in ein Zwischenlager kommen. Wo soll das sein und wie lange bis zum Endlager?
Allerdings kam die Infoveranstaltung durchaus zur rechten Zeit. Denn zu berichten gibt es mehr als genug, die Probleme und offenen Fragen zur Asse hatten sich zuletzt gehäuft. Auf diese ging die BGE, die neben ihrem Technischen Geschäftsführer Thomas Lautsch auch den Projektverantwortlichen Jens Köhler als Referenten aufgeboten hatte, indes nur zum Teil ein.
Das frühere Salzbergwerk Asse II war in den 1960er Jahren zum „Versuchsendlager“ für schwach und mittelradioaktiven Atommüll auserkoren worden. Zwischen 1967 und 1978 wurden dort, angeblich probeweise, rund 126.000 Fässer mit leicht und mittelstark verstrahlten nuklearen und chemischen Abfällen gebracht, teilweise kippten Radlader die Behälter einfach in die ehemaligen Abbaukammern.
In diesen lagern nun so giftige Stoffe wie Plutonium und Arsen. Weil die Grube instabil ist, sollen die Abfälle nach Möglichkeit geborgen und an die Oberfläche geholt werden. Die BGE, die auch mit der Suche nach einem Endlager für den hochradioaktiven Abfall betraut ist, hatte kürzlich mitgeteilt, dass ein Standort dafür – anders als zunächst geplant und gesetzlich vorgeschrieben – keinesfalls bis 2031 benannt werden kann. Die Suche werde sich im günstigsten Fall bis 2046, im ungünstigen Fall sogar bis 2068 hinziehen.
Rückholung soll im Jahr 2033 beginnen
Weil der Bau des Endlagers Jahrzehnte dauert, kann die Befüllung möglicherweise erst in den 2080er-Jahren oder noch später beginnen. Weitere Verzögerungen durch Proteste von Anwohnern und Gerichtsverfahren sind dabei noch gar nicht berücksichtigt.
Gleichzeitig hält die BGE an dem ursprünglichen Termin für die Bergung der Atommüllfässer aus der Asse fest. „Nach derzeitigem Planungsstand soll die Rückholung im Jahr 2033 beginnen“, bestätigt BGE-Sprecherin Monika Hotopp. An der Oberfläche sollen die radioaktiven Abfälle zunächst neu verpackt und in einem Zwischenlager geparkt werden.
Unklar ist bislang, ob der Asse-Müll später mit in das zu suchende Endlager für hoch radioaktive Abfälle kommen kann oder ob dafür eine weitere Lagerstätte gefunden werden muss. Im Standortauswahlgesetz heißt es dazu, dass eine Endlagerung von schwach und mittelstark radioaktivem Atommüll im Endlager für hoch radioaktiven Müll zulässig ist, „wenn die gleiche bestmögliche Sicherheit des Standortes wie bei der alleinigen Endlagerung hochradioaktiver Abfälle gewährleistet ist“.
„Wir denken die schwach und mittel radioaktiven Asse-Abfälle bei der Suche jederzeit mit“, sagt BGE-Sprecherin Hotopp. „Das heißt, wir schauen immer, ob eine Lagerung dieser Abfälle an dem jeweiligen Ort geologisch ebenfalls möglich wäre.“ Die Abfälle aus der Asse würden aber nicht im selben Hohlraum eingelagert, sondern in einem separaten Bereich. „Je später ein Standort für ein Endlager für hoch radioaktiven Atommüll gefunden wird, desto später wird sich klären, ob dieses Endlager auch für den Atommüll aus Asse II geeignet ist“, sagt Eleonore Bischoff von der Wolfenbütteler Atom-Ausstiegsgruppe (WAAG).
Aus dem Zwischenlager wird eine Dauerlösung
Und selbst wenn, sei davon auszugehen, dass in einem künftigen Gemeinschafts-Endlager zuerst der hoch aktive Atommüll eingelagert wird, bevor die Einlagerung von weniger stark radioaktivem Müll folgt. Sollte sich indes herausstellen, dass das Endlager für den hochradioaktiven Müll für die Asse-Abfälle nicht taugt, müsse die Endlagersuche für diesen Müll neu gestartet werden. Da dürfte Jahrzehnte dauern.
Die Betriebsdauer eines Asse-Zwischenlagers lasse sich dann gar nicht mehr eingrenzen, es werde „zu einem Dauerendlager und zu einer radioaktiven Belastung nicht nur der gegenwärtigen, sondern auch mehrerer zukünftiger Generationen“, so Bischoff. Aus Sicht des SPD-Bundestagsabgeordneten Jakob Blankenburg ist unklar, wo und wie der Atommüll aus der Asse gelagert werden soll, bis ein Endlager in Betrieb ist.
Aufgrund dieser „Lagerungslücke“ sei zu befürchten, dass die Atomfässer sehr viel länger als geplant in der unterirdischen Schachtanlage bleiben könnten. Heike Wiegel vom atomkraftkritischen Verein „AufpASSEn“ verlangt, dass die Suche nach einem eigenen Endlager für den Atommüll, der aus der Asse zurückgeholt werden soll, unverzüglich beginnen muss.
Dissens über Ort des Zwischenlagers
Streit gibt es auch darüber, wo das Zwischenlager gebaut wird. Während sich die BGE auf einen Standort in unmittelbarer Nähe des Bergwerks festgelegt und dafür auch schon Grundstücke gekauft hat, verlangen Kommunen und Bürgerinitiativen vergeblich, dass auch Asse-ferne Standorte geprüft werden. Sie verweisen dabei auf die ohnehin schon bestehende Strahlenbelastung für die Einwohner von Gemeinden in der Nähe des Bergwerks wie etwa Remlingen.
Weil sich die BGE in dem Konflikt nicht bewegt, hat die Asse-2-Begleitgruppe – ein regionales Gremium, das die Interessen der Region vertritt – den Begleitprozess zur Schließung des Atomlagers kürzlich für beendet erklärt.
Die Vorsitzende der Begleitgruppe, die Wolfenbütteler Landrätin Christiana Steinbrügge, sagte, „der in den letzten Jahren eingetretene Vertrauensverlust macht aus unserer Sicht diesen Schritt unausweichlich.“ Es bestehe aber die „skeptische Bereitschaft“, gemeinsam mit den anderen Akteuren anstelle der bisherigen Begleitung einen gut durchdachten Beteiligungsprozess auszuarbeiten.
Sorge bereiten dabei die anhaltenden Wassereinbrüche. Im vergangenen Jahr flossen durch Risse im Salz und im unterirdischen Gebirge rund 5.000 Kubikmeter Salzwasser in das Bergwerk. Der größte Teil davon wird aufgefangen, bevor er in Kontakt mit den eingelagerten radioaktiven Abfällen kommt. Immerhin hat die Menge der in die Asse sickernden Salzlösung laut BGE im vergangenen Jahr an der Hauptauffangstelle abgenommen – von täglich rund 12,5 Kubikmeter auf rund 11,5 Kubikmeter täglich. Die Ursache des Rückgangs ist derzeit unklar. Doch sickern darüber hinaus noch rund 15 Liter pro Tag auch durch die Einlagerungskammern und werden durch radioaktive Stoffe kontaminiert, hauptsächlich durch Tritium und Cäsium-137.
Diese Flüssigkeit gilt als radioaktiver Abfall. Eine gesetzliche Regelung, die sogenannte Lex Asse, ermöglicht seit 2013 allerdings die Verwertung der kontaminierten Wässer zur Herstellung von Salzbeton. Sofern der Zufluss stabil bleibt, kommt die BGE damit nach eigenen Angaben klar. Sollte deutlich mehr Lauge in das Bergwerk fließen, könnte die Rückholung des Atommülls buchstäblich ins Wasser fallen. Die Nachbarschächte des Bergwerks, Asse I und Asse III, waren übrigens schon früher vollgelaufen und aufgegeben worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Kohleausstieg 2030 in Gefahr
Aus für neue Kraftwerkspläne
Syrien nach Assad
„Feiert mit uns!“