Rassismus in Schulbüchern: Besser spät als nie

Die Bremer Bildungsbehörde hat Schulbücher auf diskriminierende Inhalte durchleuchten lassen. Das ist immerhin ein erster Schritt.

Auf einer Glastür klebt ein Schild mit der Aufschrift "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage"

Im Kampf gegen Rassismus hilft ein Blick in die Schulbücher Foto: Friso Gentsch/dpa

BREMEN taz | Das Problem lässt sich nicht einfach so aus der Welt schaffen. Trotzdem ist die „diskriminierungskritische Analyse von Schulbüchern im Land Bremen“, die die Berliner Kulturwissenschaftlerin Meral El im Auftrag der Bremer Landeszentrale für politische Bildung vorgelegt hat, ein gutes Projekt, wenn auch zwangsläufig eines mit Wenn und Aber.

Denn logisch muss die Kritik an Rassismus in Schulbüchern an Bestände eines Wissens anknüpfen, das im rassistischen Diskurs etabliert worden ist. Sie kommt also nicht umhin, diesen Diskurs zu reproduzieren und zu bestätigen. Echte Hoffnung gibt es also keine: Wir kommen aus der Nummer nicht raus.

Aber wenn wir uns, so hat es in den 1980ern der Soziologe Stuart Hall in voller Anerkennung dieser Unentrinnbarkeit beschrieben, „mit den verschlungenen Wegen befassen, auf denen ‚Rasse‘ und Rassismus in den Medien konstruiert werden“, dann könnte es uns gelingen, „etwas zu verändern“. Es geht darum, einen Prozess in Gang zu bringen, der kein erreichbares Ziel, aber einen benennbaren Anfang hat.

„Man muss“, so Hall seinerzeit, „bloßlegen, was man auseinandernehmen will.“ Und das ist, was Meral El nun für Bremen getan hat, im Auftrag der Landeszentrale für politische Bildung, an zehn Unterrichtswerken, die im Lernbereich Gesellschaft und Politik Einsatz finden – oder dafür zumindest schulbehördlich zugelassen wurden. Erschienen sind die Bücher zwischen 2013 und 2020.

Nicht mehr zum Lachen

Einschlägige Untersuchungen gibt es seit den 1990er Jahren in Deutschland, mal als universitäre Qualifikationsarbeit, mal als Überblicksstudie der Bundesbeauftragten für Migration. Dass Meral El trotz dieser langjährigen Sensibilisierungspraxis in ihrem Korpus noch Kloppersätze findet wie „Die Industriestaaten erwarben Kolonien“ oder „die Herero wehrten sich gewaltsam gegen die deutschen Kolonialherren“, ist eigentlich schon nicht mehr zum Lachen.

Aber ginge es bloß um diese Skandalisierung, wäre es am Ende des Tages etwas wohlfeil und hätte etwas fälschlich Beruhigendes, weil: Klaro wissen wir es besser, wir sind ja doch alle längst keine Ras­sis­t*in­nen mehr, wir doch nicht. Und wir verwenden auch keine Triggerworte, das haben wir nämlich gelernt, wenn auch noch nicht in der Schule.

Nein, ein wirklich gutes Vorbild ist diese kleine Untersuchung, weil sie direkt im Wirkungskreis der Schulbehörde erstellt worden ist – die Landeszentrale für politische Bildung ist eine Dienststelle der Bildungssenatorin –, sich zudem konsequent auf deren eigenen Kriterienkatalog als Standard bezieht – der von den Publikationen fast ebenso konsequent unterboten wird – und zugleich selbst in die Praxis ausfranst: „Ein dialogischer Austausch mit Ex­per­t:in­nen zur Studie“ bildet das letzte Kapitel der Broschüre. Und das kreist um die Frage, wie sich die Erkenntnisse der Untersuchung in Unterricht übersetzen lassen – etwa indem Lehrkräfte den Schü­le­r*in­nen mitgeben, dass sie die Bücher verändern können, statt sich ihnen zu unterwerfen.

Ach, es wäre schön, wenn diese Studie ein Anfang eines solchen Unterrichtens wäre, das Autorität nutzt, ihr Verstricktsein in Diskriminierungszusammenhänge einzusehen und zu unterwandern. Wenn es glückt, könnte es autoritäres Denken unmöglich machen. Wenn es dafür mal nicht zu spät ist.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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