Bundestag zur Ukraine: Ohne funkelnde Augenblicke

Im Bundestag stand die Ukraine auf der Tagesordnung. Während der Kanzler routiniert über die Zukunft spricht, schwärmt der CDU-Chef vom Gestern.

Scholz und Merz im Bundestag

Findet Merz' Rede augenscheinlich auch nicht überzeugend: Scholz am 22.6. im Bundestag Foto: Kay Nietfeld/dpa

BERLIN taz | Das Bekenntnis zur Nato, sagt Kanzler Olaf Scholz, ist „unverrückbar“. Zudem stehe man fest an der Seite der Ukraine, die man dauerhaft unterstützen werde. Soll heißen: auch wenn 2024 in den USA ein republikanischer Präsident gewählt wird, der die Hilfe für Kyjiw herunterfahren könnte. Einen ukrainischen Nato-Beitritt schließt der SPD-Politiker kurz aus, dafür werde man die Ukraine massiv weiter aufrüsten. Keine fiktive Debatte um einen Nato-Beitritt Kyjiws, dafür „absolute Priorität“ für alles, was „die tatsächliche Kampfkraft der Ukraine stärkt“. Darum werde es beim Nato-Gipfel in Vilnius Mitte Juli gehen, so Scholz.

Scholz’ Regierungserklärung am Donnerstag gilt dem EU-Ratstreffen kommende Woche. Es ist ein Routinetermin. Scholz’ Botschaft: Die Ampel sorgt für Sicherheit, militärisch mit Geld für die Bundeswehr und verlässlicher Hilfe für Kyjiw, aber auch mit „vorausschauender Diplomatie“ und Klimaschutz.

Beim Rat wird auch der umstrittene EU-Asylkompromiss auf der Tagesordnung stehen. Den verteidigt Scholz im Bundestag eisern gegen Kritik (vor allem durch seine eigene Partei und Grüne) als „historische Einigung“, die Deutschland entlaste. Es ist eine typische Scholz-Rede, sachlich, etwas technokratisch, ohne rhetorische Glanzlichter, mit möglichst wenig Angriffsflächen.

Die sucht Unionsfraktionschef Friedrich Merz denn auch vergeblich. Der CDU-Vorsitzende hat es mit geschliffener Polemik schon mal geschafft, Scholz aus der Reserve zu locken. An diesem Junimorgen fällt dem CDU-Mann nichts Brauchbares ein. Merz kritisiert etwa, dass der Kanzler in seiner Prager Rede zur EU Frankreich nicht erwähnt habe. Dass er ohne Macron nach China fuhr. Und dass er in seiner Zeitenwende-Rede versprochen habe, dass für die Bundeswehr 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausgegeben werde.

Hitzige Rededuelle zur Ukrainepolitik? Das war einmal

Nur: Das alles war 2022. Das Aktuelle, EU-Asyl-Kompromiss und Ukraine-Politik, spart Merz rätselhafterweise großflächig aus. Kurzum: Der Kanzler sagt Bekanntes mit Blick auf die Zukunft, der Oppositionsführer sagt Bekanntes mit Blick auf die Vergangenheit. Es gab schon funkelndere Momente im Bundestag.

Um für etwas Aufregung zu sorgen, wirft Merz der grünen Außenministerin Annalena Baerbock vor, sich bei ihrer jüngsten Brasilien-Reise nur um schöne Fotos gekümmert zu haben. Für wie niveauvoll Britta Haßelmann, Fraktionschefin der Grünen, diesen Angriff hielt, zeigt sich an ihrer Reaktion: Nur pflichtgemäß und am Rande geht sie darauf ein.

Bemerkenswert: Noch bis vor ein paar Monaten haben die Stichwörter Ukraine und Waffenlieferungen im Plenum noch zu hitzigen Rededuellen geführt. Und nun? Fehlanzeige. Der Komplex scheint sich in ein Konsensthema verwandelt zu haben. Der Kanzler hat es mit seiner Linie – erst zögern, dann liefern – offenbar effektiv befriedet.

Diese mittlerweile fast beängstigend gemütliche Einmütigkeit stellt indes Dietmar Bartsch, seines Zeichens Chef der Linksfraktion, infrage. Er erinnert an den afrikanischen Versuch, Moskau und Kyjiw zu Verhandlungen zu bewegen. Dafür gebe es leider aus Berlin null Unterstützung. „Legen Sie beim EU-Gipfel eine europäisch abgestimmte Friedensinitiative vor“, forderte Bartsch von Kanzler Scholz. Wenn man bis zum Abzug des letzten russischen Soldaten aus der Ukraine mit Verhandlungen warte, drohe ein langer Krieg mit Zehntausenden Opfern. „Friedensinitiative darf kein Tabuwort sein“, so der Linke.

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