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Bundeswehreinsatz in MaliVor Abzug Ausverkauf

Der UN-Einsatz in Mali, der auch größter Auslandseinsatz der Bundeswehr war, ist beendet. Deutschland ist auf dieses plötzliche Aus kaum vorbereitet.

Dieser deutsche Soldat, der zum UN-Kontingent der Minusma gehört, kann sich auf zu Hause freuen Foto: Michael Kappeler/reuters

D as war’s. Die UN-Mission in Mali ist Geschichte und damit auch der aktuell größte Auslandseinsatz der Bundeswehr. Am Freitag beschloss der UN-Sicherheitsrat in New York, „das Mandat der Minusma mit Wirkung zum 30. Juni 2023 zu beenden“ und „am 1. Juli unverzüglich mit der Einstellung ihrer Operationen, der Übertragung ihrer Aufgaben sowie dem geordneten und sicheren Abzug ihres Personals zu beginnen“.

Deutschland hatte aber gerade erst das Mali-Bundeswehrmandat bis Ende Mai 2024 verlängert, für einen „geordneten und sicheren Abzug“. Das muss jetzt viel schneller gehen. Der deutsche Mali-Einsatz wurde oft als Antiterroreinsatz dargestellt, aber die Minusma hatte nie ein Antiterrormandat. Als sie am 1. Juli 2013 entstand, war der Kampf gegen islamistische Terrorgruppen einer separaten Eingreiftruppe aus Frankreich vorbehalten, die in den Monaten zuvor Malis Nordhälfte von bewaffneten Islamisten zurückerobert hatte.

Die Minusma bekam ein Stabilisierungsmandat – sie soll die Wiederherstellung der Autorität des malischen Staates auf dem gesamten Staatsgebiet unterstützen und seit 2015 auch die Umsetzung des Friedensabkommens von Algier zwischen Malis Regierung und den Tuareg-Rebellengruppen im Norden überwachen. Den Widerspruch zwischen diesen beiden Dimensionen des UN-Mandats hat die Minusma nie auflösen können, und das ist ihr zum Verhängnis geworden.

Das Friedensabkommen von Algier gewährt dem Norden Malis weitreichende Autonomie. Staatliche Autorität aber bedeutet im malischen Verständnis ein Macht- und Gewaltmonopol der Zentralregierung. Es geht nicht beides auf einmal. Bis heute ist Malis Regierung und Armee dort, wo Tuareg-Rebellen das Sagen haben, nur rudimentär oder gar nicht präsent. Diesen Widerspruch aufzulösen, wäre die Aufgabe Malis gewesen.

Islamisten auf dem Vormarsch

Die zivile Regierung von Präsident Ibrahim Boubacar Keïta, der 2013 erstmals gewählt und 2020 weggeputscht wurde, eierte herum. Ihre Nachfolger, die Militärputschisten unter dem heutigen Machthaber Assimi Goïta, akzeptieren das alles nicht mehr. Sie haben erst Frankreich hinausgeworfen und nun eben auch die UNO. Als Nächstes dürfte das Friedensabkommen von Algier gegenstandslos werden. Aus Sicht der Tuareg-Rebellen bedeutet der Minusma-Abzug das Scheitern des Friedensprozesses.

Derweil ist der Islamische Staat in der Großen Sahara (ISGS) auf dem Vormarsch in Malis Nordosten an der Grenze zu Niger. Zuletzt kämpften die IS-Angreifer in der Gemeinde Gabero nur noch 45 Kilometer flussabwärts vom Bundeswehr­standort Gao – eine relativ kurze Fahrt im Pick-up. Die Militärs in Bamako geben sich zuversichtlich mit 1.400 russischen Wagner-Kämpfern an ihrer Seite und Waffen aus Moskau. Brutale Massaker nimmt man in Kauf.

Wagner hat bereits Frankreichs Militärbasen im Norden Malis übernommen, auch am Flughafen von Gao direkt neben dem deutschen Camp Castor. Insofern ist der Abzug der UNO nicht nur folgerichtig, sondern überfällig, und eigentlich hätte es dafür gar keiner Aufforderung aus Bamako bedürfen sollen. Die deutschen Soldaten in Gao müssten sonst untätig zusehen, falls Malis Armee mit Wagner-Hilfe Tuareg im Norden Malis mas­sakriert – UN-Soldaten sollen laut Mandat zwar die Zivilbevölkerung schützen, aber sie können ihre Gewehre nicht gegen Malis Armee richten.

Viele Beobachter weisen darauf hin, dass die UN-Präsenz in Mali auch ihr Gutes hatte: Die Minusma war ein Garant für halbwegs freie und faire Wahlen 2024; sie bot in Konfliktgebieten einen neutralen und sicheren Raum für lokale Verständigungsprozesse; UN-Flüge stellten faktisch die größte innermalische Fluglinie dar.

Andererseits ähneln solche Argumente denen progressiver Verteidiger des Kolonialismus in den 1950er und 1960er Jahren: Die Afrikaner brauchen uns, ohne uns funktioniert nichts, und wenn wir zu früh gehen, bricht alles zusammen. Afrikaner kennen diese Argumente von früher, und im Minusma-Kontext bedeuten sie auch bloß, Nebeneffekte zum Hauptziel zu erklären und Militärisches und Ziviles zu vermischen.

Vom Drucker bis zum Werkzeugkasten

Es blieb im Bundestag der AfD überlassen, die Bundesregierung zu fragen, was Deutschland eigentlich in Mali jenseits des Militärischen hinterlasse, also „in welcher Gesamthöhe infrastrukturelle Projekte von Deutschland teil- oder vollständig finanziert wurden, wer die Träger der Bauprojekte waren, was der gegenwärtige Stand der Baumaßnahmen ist und welcher Nutzung die infrastrukturellen Maßnahmen künftig zugeführt werden“.

Die Bundesregierung antwortete mit einer vertraulichen Tabelle und schrieb dazu: „Die öffentliche Nennung der hier erfragten Projektdetails würde ein nicht unerhebliches Risiko für die Umsetzung der Maßnahmen und das Personal vor Ort bedeuten.“ Man könnte nach zehn Jahren Stabilisierungseinsatz mehr erwarten. Man könnte auch erwarten, dass das Bundeswehrmaterial in Mali zukünftig im Nachbarland Niger Verwendung findet, dem kommenden Schwerpunkt der deutschen Sahel-Militärpräsenz.

Aber offenbar ist das nicht möglich, denn zwischen Gao und Nigers Grenze herrscht der ISGS. Also läuft jetzt der Ausverkauf von allem, was nicht ins Flugzeug passt. Laut Bundeswehr fand letzte Woche im deutschen Camp in Gao eine erste Versteigerung für lokale Händler statt. „Vom Drucker bis zum Werkzeugkasten ist alles dabei“, schreibt die Bundeswehr. „Besonderes Interesse finden zwei Mercedes-Geländewagen.“ Eine Grabenfräse wurde verkauft, sogar eine komplette Tankstelle „inklusive Tanks“.

Immerhin waren „sicherheitsempfindliches Material, Schusswaffen und Sprengstoff ausgenommen“. ber wieso wurde das Material nicht einfach Malis Behörden übergeben, als Entwicklungshilfe? Und wem werden Gaos Händler die Überreste der deutschen Militärpräsenz in Mali gewinnbringend verkaufen? Der ISGS hat Geld.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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2 Kommentare

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  • Seit dem 2. Weltkrieg wurde kein Krieg mehr gewonnen. Das wird so bleiben. Die Eroberer können zwar aus der Luft alles zerstören, haben ober nichts davon, denn es fehlt an Fachkräften, die Gebiete und Menschen dauerhaft zu besetzen und kontrolliert auszubeuten. Solche Milizen - wie "Wagner" oder "Isis" sind keine Lösung ,denn sie entwickeln früher oder später ein Eigenleben, so daß sich überall Warlords bekämpfen. Die Zivilbevölkerung muss zusehen, wie sie Überlebt. Wie im Mittelalter, nur mit moderner Technik.

  • 4.4 Milliarden EURO und einige Verluste bei der BW für einen Einsatz, der keine Erfolgsaussichten hatte, ohne Zweifel und von Anfang an.

    Und die deutsche Außenpolitik, erst unter SPD Führung und jetzt Grün, hat das nicht nur gebilligt, sondern gewollt. Frau Baerbock ist noch vor kurzem für den Verbleib in Mali eingetreten.

    Aber die feministische Außenpolitik ist nichts anderes als ein neues Label, für die bekannte (neo) kolonialistische und imperialistische Politik der Vergangenheit. Da ist nichts anders und nichts besser, wie schon bei Herrn Fischer, besteht der Erfolg aus dem Wegsehen und Schweigen der Medien.

    Es ist eine Politik des Selbstbetrugs und der Selbstüberschätzung, die scheitern muss, weil sie die "andere" Realität vor Ort bewußt ignoriert und nur als Folie der eigenen Ideologie für die deutsche Öffentlichkeit benutzt.

    Was hätte man mit dem Geld machen können, sowohl hier als auch in Afrika, aber darum geht es ja nicht, nicht für die diese Politik.