Ausbruch von Rindertuberkulose: Umgang mit Seuche spaltet Spanien
In der spanischen Region Castilla y León verbreitet sich Rinder-Tbc. Die Regionalregierung will Kontrollen lockern, Madrid macht da nicht mit.
Kern des Streits ist die staatliche Kontrolle der Rinderhaltung und die Fleischbeschau im Schlachthof. Am 15. Mai hatte die Regionalregierung – eine Koalition aus der rechten Partido Popular (PP) und der rechtsextremen VOX – angeordnet, die bestehenden Regelungen zu lockern. Und das obwohl – oder gerade weil – in der flächenmäßig größten autonomen Region Spaniens, Castilla y León, großflächig die Rindertuberkulose ausgebrochen ist.
Weil das unter anderem den Schutz der Verbraucher untergräbt, waren daraufhin die Anwälte der Madrider Zentralregierung vor Gericht gezogen. Konkret argumentierten sie, die Regionalregierung verstoße mit der Lockerung der Kontrollen gegen spanische und europäischen Richtlinien für hochansteckende Tierseuchen.
Das oberste Gericht der Region stoppte deshalb am Montag den Erlass der Regionalregierung. Das Landwirtschaftsministerium ordnete an, dass Tiere und Fleischprodukte aus Castilla y León nur noch eingeschränkt in andere Regionen verbracht werden dürfen.
Gefahr für Menschen
Rindertuberkulose ist eine durch Bakterien verursachte Krankheit, die meist die Atemwege befällt. Weil sie hochansteckend ist, ist sie anzeigepflichtig. Wo sich die Rinder infiziert haben, ist unklar. Möglicherweise sind erkrankte Wildtiere oder von Menschen in die Ställe eingeschleppte Erreger verantwortlich. Befallene Tiere müssen gekeult werden. Das Fleisch darf auf keinen Fall in den Handel kommen.
Die Krankheit ist über Tröpfcheninfektion vom Tier auf den Menschen übertragbar – und umgekehrt. 1936 waren in Deutschland 31 Prozent der Rinder infiziert und Erkrankungen auch unter Menschen weit verbreitet. Inzwischen gilt die Tuberkulose in Europa als weitgehend ausgemerzt. Weltweit allerdings starben 2021 1,6 Millionen Menschen an dem Erreger. Wie viele sich bei Rindern angesteckt hatten, ist nicht klar.
Die Regionalregierung akzeptierte den Spruch der Richter. Aber sie wettert seither gegen die Linkskoalition in Madrid unter dem Sozialisten Pedro Sánchez, der sich Mitte Juli der Wiederwahl stellt: „Wir verlangen, dass die Einschränkungen seitens des Landwirtschaftsministeriums so schnell wie möglich aufgehoben werden“, erklärt ein Sprecher der Regionalregierung Castilla y León. Die Region hat mit die größte Rinderproduktion in Spanien.
Aufregung bei Landwirten
„Die Viehzüchter befinden sich in einer kritischen Situation, nicht nur wegen der Dürre, sondern auch wegen des Krieges in der Ukraine und der Inflation. Der Anstieg der Fixkosten erdrückt die Landwirte, und die ganzen gemeinschaftlichen und nationalen Vorschriften machen es ihnen nicht leicht“, verteidigt der rechtsextreme Vizepräsident der Regionalregierung, Juan García-Gallardo, den Verstoß gegen EU-Normen.
Die Viehzüchter, die am Montag fast zeitgleich mit der Sitzung des Gerichts protestierten, werfen PP und VOX dennoch vor, vor Madrid in die Knie gegangen zu sein. Sie unterstützten lautstark den Aufruf des Viehzuchtverbandes nach der „sofortigen Entlassung der verantwortlichen des tierärztlichen Dienstes der Region“, heißt es darin.
Die Tierärztliche Kammer von Castilla y León stellt sich ebenso wie die großen Gewerkschaften Spaniens hinter die Beamten des Veterinäramtes. In vielen Dörfern seien Tierärzte, die ihre Arbeit ernst nähmen, „anhaltenden Angriffen und persönlichen Drohungen durch Landwirte ausgesetzt“, heißt es in einer Stellungnahme. Der Tierarztverband hatte sich von Anfang an gegen die Lockerung der Tuberkulosekontrolle gestellt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!