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Die WahrheitMein Leben als René

„Du bist, wie du heißt?“ Die untergehende „Wiener Zeitung“ bemitleidet mich, weil die Renés dieser Welt einen Klischeenamen hätten. Ach Gottchen.

T räumen Eisbären von Honig? Eine Frage, die man viel zu selten stellt. Die Wiener Zeitung, die ab Juli nicht mehr gedruckt erscheint, erörtert gern Fragen wie diese in ihrer Wochenendbeilage, die wie das ganze Blatt noch den Esprit der sechziger, siebziger und achtziger Jahre atmet, wie im Grunde die ganze Stadt Wien, weswegen die Wiener Zeitung auch die Wiener Zeitung ist.

Schade, dass diese Wiener Zeitung eingestellt wird. Und das sage ich nicht nur, weil ich persönliche Verbindungen zu ihr habe. Nein, ihre Gemütlichkeit und Unaufgeregtheit behagte mir. Neulich jedoch musste ich mich schwer wundern, als das Blatt unter der Überschrift „Du bist, wie du heißt“ einige Überlegungen zum Thema Namensgebung anstellte.

Diesmal ging es weniger darum, dass türkische oder polnische Namen mit allerlei Sonderzeichen „noch immer“ falsch ausgesprochen oder geschrieben werden im deutschen Sprachraum, sondern um die Bedeutung von Klarnamen und die von Namen, die als Künstlernamen erst für den richtigen Karriereschub gesorgt haben.

So konnte Arnold Schwarzenegger alias „Arnold Strong“ mit seinem ersten Film 1969 nicht reüssieren. Der Erfolg kam, als er sich auf seinen Ursprung besann. Aus Neta-Lee Hershlag wäre vermutlich keine Natalie Portman geworden, hätte sie auf ihren Namen bestanden, behauptet der Artikel, und aus Adolf Schicklgruber kein Adolf Hitler – wobei, die Karriere als Maler hätte ihm vielleicht sogar offengestanden. Wäre auch besser gewesen.

Was wurde aus Boris Becker aus Köln?

Es folgen noch einige andere Beispiele, so das von Michael Kea-ton, der mit seinem Geburtsnamen Michael Douglas keine Chance in Hollywood hatte. By the way, was wurde eigentlich aus Boris Becker, dem Maler und Galeristen aus Köln?

Dann aber folgte im Artikel folgende Passage: „Die unzähligen 25- bis 30-Jährigen, denen man Mitte der 1990er Jahre den Namen Kevin gegeben hat, können ein Lied davon singen, was es heißt, auf ein Klischee reduziert zu werden. Das gilt zum Teil auch für die Renés der 70er und vielleicht auch in 20 Jahren für die Noahs und Elias’ der Gegenwart.“

Wie bitte? Die „Renés der 70er“? Meint der mich? Oder gibt es da draußen noch andere? Welche Klischees erfülle ich denn? Dorfjugend am westlichen Rand der Republik, die ersten zehn Jahre in Mietskasernen verlebt, Abitur dank sozialdemokratischer Sozialisierungshilfe? Stimmt. Dass da irgendwas komisch ist mit meinem Vornamen, habe ich erst spät geahnt. In Frankreich lachte man, weil dort nur jetzt sehr tote Männer René hießen, und in Berlin dachten manche, ich käme aus dem Osten.

Einmal, da machte sich eine junge Frau über meinen Namen lustig, er klänge nach Mietskaserne. Aber die hatte selbst einen jungtantigen 68er-Vornamen, so etwas wie Friederike, und einen Familiennamen, der klang wie ein Teil des Geschlechts. Sagen wir Scharma. Friederike Scharma! Kann man doch nicht ernst nehmen!

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René Hamann
Redakteur Die Wahrheit
schreibt für die taz gern über Sport, Theater, Musik, Alltag, manchmal auch Politik, oft auch Literatur, und schreibt letzteres auch gern einmal selbst.
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1 Kommentar

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  • da habe ich mit meinem Karma ja noch mal Glück gehabt

    und das fehlende "e" gibt mir sowas wie dike gepriesene Einzigartigkeit