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Filmfestspiele Cannes 2023Der Toilettenmann

Wim Wenders zeigt bei den Filmfestspielen viel Herz für Designertoiletten. "Perfect Days" erzählt er mit stiller Alltagspoesie und schrulligem Humor.

In „Perfect Days“ taucht die Nichte von Toilettenmann Hirayama plötzlich bei ihm auf Foto: Festival de Cannes

Am Samstagabend werden in Cannes die Gewinner des Wettbewerbs verkündet, und es gibt gute Gründe, sich überraschen zu lassen, welche Kandidaten von der Jury mit dem schwedischen Regisseur Ruben Östlund als Vorsitzenden einer Palme für würdig befunden werden. Denn die Konkurrenz ist stark, selbst wenn die Ansichten darüber, welche Filme die besten sind, in der Kritik mitunter stark auseinandergehen.

Eine Überraschung kurz vor Schluss war jedenfalls der Beitrag von Wim Wenders, der mit „Perfect Days“ einen Film ins Rennen geschickt hat, der die jüngeren architektonischen Errungenschaften Tokios feiert. Wobei es keine großen Bauten sind, denen sich Wenders widmet, sondern eher kleine.

Sein Protagonist, Hirayama, gegeben von Kōji Yakusho, arbeitet bei The Tokyo Toilet und putzt in der Stadt die Klos. Nicht irgendwelche Bedürfnisanstalten wohlgemerkt, sondern von namhaften Architekten wie Tadao Ando entworfene Einrichtungen im Bezirk Shibuya, die mit unterschiedlichsten Formen, Farben und Materialien begeistern.

Schmutzig sehen die Räume eigentlich nie aus, allenfalls findet sich ein wenig Papier- und Plastikmüll, den Hirayama, dessen Routinen der Film von Tag zu Tag folgt, geduldig in Plastikbeutel steckt, bevor er mit einer Gründlichkeit, die an Hingabe denken lässt, alle Oberflächen sauber- und trockenwischt.

Hirayama ist ein wortkarger Typ, mit seinem Kollegen wechselt er fast kein Wort. Wenn er nach Feierabend die üblichen Runden durch seinen Stammbuchladen, sein Stammlokal und seine Stammkneipe dreht, begrüßen ihn die Inhaber wie einen alten Freund, was er mit einem zufriedenen Lächeln quittiert.

Stille Alltagspoesie

Viel ist es anscheinend nicht, was Wenders mit diesem Film will. Doch das, was er mit dieser stillen Alltagspoesie und seinem so zugewandten wie schrulligen Humor in zwei Stunden erzielt, ist durchaus gelungen. Ein Vorzug von „Perfect Days“ ist, dass er auf Drama weitgehend verzichtet. Er deutet es lediglich knapp an, wenn unerwartet Hirayamas Nichte auftaucht, die von zu Hause davongelaufen ist, und ein Konflikt in der Familie umrissen wird, der seine Hauptfigur als komplexen Charakter mit Geschichte erkennen lässt, ohne zu verraten, was genau die Hintergründe sind.

Ein weiterer Vorzug des Films ist die Musik. Wenders pflegt einerseits alte Vorlieben, darunter Van Morrison, Patti Smith oder Lou Reed, dessen Song „Perfect Day“ der Film seinen Titel verdankt, andererseits zählt zu seinen Darstellern die japanische Starsängerin Sayuri Ishikawa, die in einer der anrührendsten Szenen des Films den Folksong „House of the Rising Sun“ ergreifend schlicht auf Japanisch darbietet.

Kann man vermutlich alles ebenso gut doof finden, doch wo Wenders es mit seiner weltoffenen Haltung früher gern übertrieben hat, hält er in diesem Fall vorbildlich an sich. Und die Toiletten allein schon wären eine Reise nach Tokio wert.

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