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Deutsche Bahn provoziert neue StreiksRiskantes Spielchen

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Dass der Bahnvorstand vorerst weitere Verhandlungen mit der Eisenbahngewerkschaft EVG ablehnt, ist inakzeptabel und verantwortungslos.

Der Hauptbahnhof in München während des Streiks am 21. April Foto: Frank Hoermann/imago

E s ist ein riskantes Spiel, das der Vorstand der Deutschen Bahn spielt – auf Kosten von Millionen von Fahrgästen, die jetzt damit rechnen müssen, dass in naher Zeit wieder der Zugverkehr in Deutschland streikbedingt stillstehen wird. Weitere Verhandlungen mit der Eisenbahngewerkschaft EVG davon abhängig zu machen, dass diese vorab von ihren Forderungen ablässt, ist nicht nur ein völlig ungewöhnliches Vorgehen bei Tarifverhandlungen, sondern zwingt die Gewerkschaft geradezu in den nächsten Ausstand.

Für einen Konzern in Staatsbesitz, dessen Image aufgrund seiner chronischen Unzuverlässigkeit ohnehin schon arg angeschlagen ist, ist ein solches Agieren inakzeptabel und verantwortungslos.

Dabei ist auch der EVG bewusst, dass ihre Kernforderung nach mindestens monatlich 650 Euro in diesem Jahr nicht dem entspricht, was letztlich machbar für sie sein wird. Wie groß in der Regel der Widerspruch zwischen gewerkschaftlichem Anspruch und sozialpartnerschaftlicher Wirklichkeit ist, haben in diesem Jahr bereits anschaulich die Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst oder bei der Deutschen Post gezeigt.

Gleichwohl ist es verständlich, dass die EVG auch das jüngste Angebot der Bahn zurückgewiesen hat. Denn es bleibt ausgerechnet für die Beschäftigten in den unteren Lohngruppen, die am stärksten von den heftig gestiegenen Lebenshaltungskosten betroffen sind, deutlich dahinter zurück.

Wenn sich der Bahnvorstand einerseits üppige Boni gönnen will – was der Aufsichtsrat vorläufig ausgesetzt hat – und zudem noch Prämien in dreistelliger Millionenhöhe an weitere Führungskräfte auszahlt, aber andererseits einen Reallohnverlust denen zumuten will, die ihn am schlechtesten verkraften können, dann kommt er seiner sozialen Verantwortung nicht nach.

Statt neue Streiks zu riskieren, sollte sich die Konzernspitze endlich bereitfinden, ernsthaft mit der Gewerkschaft zu verhandeln, wie hoch ein Sockel- oder Festbetrag sein kann. Denn der würde besonders den Niedrigverdienenden nützen. Das wäre gut für die Beschäftigten – und für alle Bahnkund:innen.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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9 Kommentare

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  • Wieso müssen wir, die kein Auto haben oder fahren ständig bestraft werden? Habe seit langer Zeit Urlaub, und zwar mit der Bahn, geplant bzw schon gebucht. Stresst ziemlich gerade. Wieso können die nicht Autobahnen blockieren? Ich denke, dann stünde die Bahn unter stärkerem Druck, einzulenken.

  • Die Mitarbeiter kochen schon lange vor Wut... letzte Woche wurden im Raum Rosenheim alle Züge vor roten Signalen angehalten, weil der einzige Stellwerksleiter mal pinkeln und eine Pause machen musste..... Da kommt noch was!

  • Wenn “Die Bahn” “… zudem noch Prämien in dreistelliger Millionenhöhe an weitere Führungskräfte auszahlt…”, ist soviel Dekadenz mit nichts mehr zu entschuldigen.

    “Die Bahn” ist bei weitem kein Einzelfall.



    Es “danken”die Steueroasen, deutsche Politik macht’s möglich …

  • Also was ich bis jetzt gesehen habe ist das die Bahn drei Angebote gemacht hat. Eines besser als das andere. Unverantwortlich finde ich eher das Handeln der EVG.

    Anstatt dem Angebot entgegen zu kommen wird sich kein Schritt bewegt. Stattdessen werden die Initialen Forderungen reiteriert. Das ist keine Verhandlung sondern eine Diktatur. Vor allem wenn auch in diesem Artikel die Machbarkeit der Forderungen angezweifelt wird stellt sich hier eher die Frage nach dem Sinn der Strategie der EVG.

    • @Schnudel:

      Da zwischen die EVG und die DB AG bisher kein Blatt Papier gepasst hat, halte ich das ganze für ein abgekartetes Spiel.

      Bahn und EVG sorgen zusammen dafür, dass es politische Mehrheiten für eine Einschränkung des Streikrechts gibt. Der Störenfried GDL wird dabei neutralisiert und in Zukunft kann man in Ruhe weiter gemeinsam das System Bahn zerstören.

  • Bahnvorstand? Sozial? Verantwortung?

    Sie machen bestimmt Witze.

    Aber ja: Sie haben Recht. Eigentlich sollten die Löhne der Vorstände (und die Ausschüttungen an die Aktionär*innen!) grundsätzlich an die der Geringstverdiendenden im Unternehmen gekoppelt sein.

    • @tomás zerolo:

      So schauts aus! Was noch dazu kommt: Die heutige Bahn hat in der Privatisierung NULL komma NULL bezahlt! Das Eigentum, von den Bundesbürgern bezahlt, ging einfach in die Privathände über!!

      • @Mohammed Wasiri:

        Nein, das ist schlicht falsch: Zwar wurde die Rechtsform der Bahn bei der sogenannten Privatisierung geändert – von einer Bundesbehörde in eine Aktiengesellschaft –, aber der Eigentümer ist nach wie vor die Bundesrepublik Deutschland, zu 100%. Es war zwar damals geplant, die Aktien irgendwann an die Börse zu bringen, aber das ist nie erfolgt und wird wohl auch nie mehr kommen.

    • @tomás zerolo:

      Sind sie doch: Je weniger die Mitarbeiter bekommen, desto mehr bleibt für die Vorstände. wenn das keine Koppelung ist ...