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Elon, Roger und die anderenA great week for Antisemitismus

Das Prinzip Antisemitismus funktioniert – immer anders, aber zuverlässig. Das haben diese Woche Elon Musk und Roger Waters vorgeturnt.

Protest gegen das Konzert von Roger Waters am 08. Mai in Köln Foto: Oliver Berg/dpa

A Great Day for Freedom“ heißt ein Song von Pink Floyd. Ein ziemlich guter, wie viele ihrer Songs. Diese Woche war leider eher a great week for Antisemitismus. Auch und vor allem dank Roger Waters, einst Mitgründer und Chef-Songschreiber von Pink Floyd, heute eher singender Reichsbürger.

Okay, den Davidstern auf dem Schwein lässt er inzwischen weg. Und er hat – sicher ist sicher – vorher per Durchsage kundgetan, kein Antisemit zu sein. Puh, ach so, na dann. Rock on. Die Show in Berlin war dann aber, nach allem, was kolportiert wird, doch nur eine seiner Weltanschauung. Die ist as plump as possible, Gut gegen Böse. Und böse ist nicht etwa Putin, sondern Biden und Obama. Und wenn man schon nichts gegen Juden oder Israelis sagen darf, buhu, dann halt: „Fuck Krieg gegen den Terror“, hehe, immer schön quergeschnitten mit dem Leid der Palästinenser. Da versteht auch jeder, wer und was gemeint ist. Das ist Gehirnwäsche, keine Kunst.

Deshalb sind auch alle Verteidigungen à la „Freiheit der Kunst“ bei solchen Typen unangebracht. Klar, Kunst muss frei und in ihrer Freiheit geschützt sein, das steht außer Frage. Aber sie muss halt den Anspruch von Kunst erfüllen, um solche zu sein: Ein Mindestmaß an Transzendenz. Denn, sorry, ein politisches Statement ist genau das – aber eben noch lange keine Kunst. Aber genau deshalb kann natürlich Kunst selbst von solchen Firecrackers wie Waters – sprich seine alten Songs – weiter Kunst und als solche geschützt sein. Aber dazu haben sich diese Woche ein paar klügere Leute als ich im Haus der Wannseekonferenz Gedanken gemacht.

Aber ganz ehrlich: In jüngster Zeit habe ich persönlich ziemlich viel Agitprop gesehen, die sich einfach das Label Kunst aufgeklebt hat. Ja, ich denke da auch an die vergangene documenta. Aber hey, in Berlin störte sich anscheinend niemand an Waters’ Judenhass-Show – zumindest gab’s keinen großen Protest. Aber vielleicht ist er in guter Gesellschaft.

Israels Politik vergleichbar mit die der Nazis?

36 Prozent der Deutschen finden einer Studie der Bertelsmann Stiftung zufolge, dass Israels Politik mit der der Na­tio­nal­so­zia­lis­t:in­nen verglichen werden kann. Und die Amadeu Antonio Stiftung hat am Mittwoch ihr jüngstes „Zivilgesellschaftliche Lagebild Antisemitismus“ vorgestellt.

Darin geht’s unter anderem um die enge Verbindung des durchaus auch in linken Kreisen verbreiteten Antiamerikanismus zu antisemitischen Wahnvorstellungen; und darum, wie sich infolge des Ukrainekriegs, auch getrieben von diesem Antiamerikanismus, eine neue „Friedens“-Querfront bildet. Klar, der wahre Feind ist kein russischer Kriegsverbrecher, sondern der Kapitalismus und dieser ganze modernistische Materialismus.

Wie absurd derlei Logiken sind, wurde die Woche perfekt vorgeturnt von Elon Musk – einem, vorsichtig ausgedrückt, prominenten Vertreter des Kapitalismus. Über den Finanzier und Holocaustüberlebenden George Soros twitterte der Twitter-Chef, dieser hasse die Menschheit und wolle „die Struktur der Zivilisation zersetzen“.

Antisemitische Bilder immer zurechtgehauen

Er erinnere ihn an den ­Marvel-Schurken ­Magneto – in den Comics ebenfalls ein Holocaustüberlebender und später selbst Massenmörder. Soros ist immer wieder Angriffsziel von US-Rechten – denen Musk nahesteht. Einer ihrer Vorwürfe: Soros unterstütze bei Wahlen eher tendenziell linke Staatsanwälte.

Und genau darum geht’s doch eigentlich immer beim Antisemitismus: Die antisemitischen Weltbilder werden von Linken wie Rechten, von Friedensbewegten und Freiheitsfanatikern wie Musk jeweils passend zurechtgehauen, um die eigenen politischen Interessen zu verfolgen. Von den einen, um den Kapitalismus zu besiegen, von den anderen, um ihre neoliberale, ultrakapitalistische Freifahrt nicht zu gefährden.

Und mit dem edlen Beharren auf Rede- und Kunstfreiheit kommen sie alle ganz schön weit damit. Nächste Woche machen wir uns also alle bitte mal wieder und weiter Gedanken, wie man diese zivilisatorischen Errungenschaften schützen kann, ohne den Bullys und Hatern die Bühne zu überlassen.

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Ariane Lemme
Redakteurin
schreibt vor allem zu den Themen Nahost, Antisemitismus, Gesellschaft und Soziales
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19 Kommentare

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  • Prima geschrieben Frau Lemme!



    Alle Ehre!

  • 36 Prozent der Deutschen finden einer Studie der Bertelsmann Stiftung zufolge, dass Israels Politik mit der der Nationalsozialsozialist:innen verglichen werden kann.“



    Eine erschreckend hohe Zahl. Die israelische Politik gegenüber den Palästinensern kann natürlich nicht mit der der Nazis verglichen werden, genau so wenig, wie die des einstigen südafrikanischen Apartheid-Systems mit der Judenverfolgung in Nazi-Deutschland oder die heutige Putin-Herrschaft in Russland mit der Hitlers.



    Leider greift diese ideologisch motivierte „Vergleicheritis“ immer weiter um sich, auf Kosten der analytischen Schärfe und Differenzierung in der Beurteilung politischer Sachverhalte. Die moralische Bewertung ist dann eine ganz andere Sache.

  • Haben wir das selbe Konzert gesehen? Das was Waters - zumindest in seinen direkten politischen Botschaften während der Show - hauptsächlich und eindeutig verteufelt ist der Militär-imperialismus der Amerikaner.







    Ich find es zb richtig komisch dass sich so darauf fokussiert wird dass der Mann pro Palästina ist und "Isreali occupation is incompatible with human rights" schreibt (was mmn eine durchaus vertretbare Position ist) und niemand erwähnt dass er zb Chelsea Mannings Drohnenvideos und Bilder von schwarzen Amerikanern, die von der Polizei erschossen werden, in sein Konzert reinschneidet. Auch diese Sequenz wo er US Präsidenten als war criminal betitelt mit Todeszahlen des Kriegs gegen den Terror ist zwar stark propagandistisch aber prinzipiell nicht falsch.







    Ich find es auch plump und ja er ist irgendwie 80 und aus der Zeit gefallen, aber die Grundthese "wir im 'Westen' halten uns für demokratisch, haben aber alle autoritäre Strukturen und jede Menge Blut and den Händen, wir wollen es nur nicht wahr haben" ist definitiv haltbar.







    Und ich persönlich finde das Israel-Palästina Thema wird seit einiger Zeit in den Medien (in den Amerikanischen, aber noch mehr in den Deutschen) von allen Seiten so stark instrumentalisiert dass überhaupt keine sinnvolle Diskussion mehr stattfinden kann. Das Vorgehen der (rechten) Regierung unter Netanjahu sollte definitiv kritisierbar sein speziell in Züge aktueller Proteste der Justizreform.







    Musk ist einfach nur ein Troll der nach Aufmerksamkeit sucht und sie bei US Republikanern findet, und seine Aussagen sehe ich als klaren Antisemitismus und würde das bisschen anders einsortieren als Waters, der tatsächlich eine sehr schwarz-weiße, aber durchaus koherente Agenda verfolgt und Unterdrückung in verschiedenen Teilen der Welt kritisiert.

    • @Patrick Velasco:

      "Ich find es zb richtig komisch dass sich so darauf fokussiert wird dass der Mann pro Palästina ist und "Isreali occupation is incompatible with human rights"

      Kritiker von Waters fragen sich, warum er sich so sehr auf Israel fokussiert, und nicht z.B. Russland, das einen Krieg gegen Ukraine führt oder China, dessen Menschenrechtsverletzungen gegenüber Uiguren er leugnet.

  • "Denn, sorry, ein politisches Statement ist genau das" -möglicherweise, aber für ein 'politisches Statement' - jedenfalls so lange nicht zur Gewalt aufgerufen wird- gilt die Meinungsfreiheit, die einst unter großen Mühen erkämpft wurde, und die heute peu à peu entsorgt wird - unter 'fortschrittlichem' Banner.

    Meinungsfreiheit ist das Lebenselexier der offenen, liberalen Gesellschaft. Und alle, die Meinungen und Worte verbieten wollen, weil sie 'unbequem' oder 'offensiv' für diese oder jene sein könnten, sollten sich klar darüber sein, daß, ist diese Praxis erst einmal als gang und gäbe etabliert, sie sich eines Tages auch gegen sie selbst richten wird.

    • @M. Ayesta:

      Meinungsfreiheit heißt aber nicht, dass jede Meinung auch auf Zustimmung und widerspruchslose Akzeptanz stoßen muss.



      Meinungsfreiheit bedeutet, dass jemand seine Ansichten äußern darf, ohne dafür vom Staat strafrechtlich belangt zu werden, solange diese Meining nicht gegen geltendes Recht verstößt (z. B. wg. Beleidigung oder Volksverhetzung).

      Herr Waters wird m. W. nicht von den deutschen Strafverfolgungsbehörden angegangen, sondern von Kritikern, denen Herrn Waters Äußerungen und Handlungen vor einem großen Publikum nicht gefallen. Und das ist ebenso das gute Recht dieser Kritiker, wie es das gute Recht von Medienschaffenden ist, sich in diesem Streit auf die eine oder andere Seite zu stellen.

      Dass Herr Waters sich mit einer m. E. klar antisemitischen Organisation wie BDS und ihren Zielen gemein macht, qualifiziert ihn nach meiner Ansicht recht deutlich erkennbar als Antisemiten.

      Das ist meine Meinung, und die darf ich ebenso äußern, ohne dafür staatliche Verfolgung zu riskieren, wie andere ihre gegenteiligen Ansichten kundtun dürfen. Allerdings bestehen weder für mich noch für die anderen irgendwelche Ansprüche darauf, dass diesen Ansichten nicht widersprochen wird. Denn auch der Widerspruch gehört zur Meinungsfreiheit. Wichtiger noch: Er gehört zu einem gesellschaftlich notwendigen Diskurs.

      • @Olli P.:

        "Herr Waters wird m. W. nicht von den deutschen Strafverfolgungsbehörden angegangen, sondern von Kritikern, denen Herrn Waters Äußerungen und Handlungen vor einem großen Publikum nicht gefallen."

        Naja, nicht nur. Diese Kritiker fordern staatliche Maßnahmen wie Verbot bzw Absage seiner Konzerte. Ihre Kritik ist also nicht nur Gegenrede, sondern der Versuch, ihn zum Schweigen zu bringen. Und zuletzt ermittelt ja auch die Berliner Polizei, also stimmt Ihr Satz Stand jetzt nicht mehr.

      • @Olli P.:

        Offene Frage ich lass mich hier gerne belehren, aber ist BDS konkret antisemitisch oder nur antizionistisch, und wenn ja auf welche Weise? Das wird in so vielen Artikeln rumgeworfen aber es scheint schwer sachliche Details dazu zu finden.

        Und gibt es einen link zwischen der Israel-Palästina Version von BDS und der BDS die damals gegen Apartheid in Südafrika enstand, oder handelt es sich und zwei verschiedene Organisationen die ansich nichts miteinander zu tun haben?

        • @Patrick Velasco:

          BDS ist offen antisemitisch, denn bei den Forderungen, die BDS stellt, geht es darum, grundsätzlich sämtliche Firmen, Organisationen, Wissenschaftler usw. zu boykottieren, unabhängig davon, wie diese selbst zu Israels Politik und Regierung stehen, einfach aus dem Grunde, weil Israel pauschal als "kolonialistisches und rassistisches Apartheidsregime" bezeichnet wird, das abgeschafft gehört. Mit anderen Worten: BDS fordert nicht weniger als die Abschaffung Israels, d. h., das Existenzrecht eines jüdischen Staates wird bestritten.



          Wenn das kein eliminatorischer Antisemitismus ist, was ist es dann?

  • Ich verstehe immernoch nicht, warum Kritik an Israel automatisch Antisemitismus sein soll. Ohne Kritik keine Korrekturen und ohne Korrekturen kein Lernen am Erfolg. Sind also Israelis, also die in der Politik, unwahrscheinlich schlau, machen keine Fehler und sollten nie über Konsequenzen ihres Handelns nachdenken? Das kann nicht Ziel der taz oder des Autors hier sein. Weil auch im nahostkonflikt gibt es nicht schwarz weiß sondern es gehören zwei zum Streit. Zum leider blutigen Streit auf beiden Seiten.

    • @Christian Ziems:

      Roger Waters unterstützt Abschaffung von Israel. Was soll daran Kritik an der israelischen Regierung sein?

    • @Christian Ziems:

      Sie haben den Artikel offenbar nicht gelesen.

      Wenn Rogers Waters bei seinen Darbietungen ein Schwein mit Davidstern präsentiert, was hat das mit Kritik an der israelischen Regierung zu tun?

      Die Sie selbstverständlich kritisieren dürfen, wie jede andere Regieurng auch. Nur schafft es die sogenannte "Israelkritik" aka Antizionismus zuverlässig nicht, eine klare Trennlinie zu Parolen à la "From the river to the sea...", "Tod, Tod, Israel" oder gleich "Tod den Juden" zu ziehen, die auf die Vernichtung des jüdischen Staates abzielen. Genau aus diesem Grund hat das Oberverwaltungsgericht Berlin das Verbot der jüngsten Naqba-Demo bestätigt

    • @Christian Ziems:

      Bitte machen Sie sich mit BDS und deren Zielen vertraut. Herr Waters ist ein eifrigr Unterstützer von BDS und deren Zielen.

      Nein, nicht jede Kritik an der Regierung Israels oder einzelnen Akteuren ist automatisch Antisemitismus. Aber BDS und Herr Waters zeichnen sich ja gerade dadurch aus, dass ihre "Kritik" völlig undifferenziert und pauschalisiert gegen alles Israelische und alle Israelis vorgebracht wird. Und das nennt man Antisemitismus, auch wenn sich dieser Antisemitismus als "Israelkritik" ausgibt.

  • Wenn man bedenkt, wie viel politische Bildung zum Thema Antisemitismus im Laufe der letzten Jahrzehnte durchgeführt wurde, ist es angesichts dessen bedrückend, dass das auf ihm beruhende Ressentiment funktioniert wie eh und je - vor allem auch bei Leuten, die im Brustton der Empörung glauben, Hinweise auf die unreflektierten antisemitischen Komponenten ihrer eigenen emotionalen Reflexe als hegemonialen Diffamierungsversuch abtun zu können.