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Grünes Ergebnis bei Wahl in BremenNach dem Debakel

Aufgrund des schlechten Abschneidens der Grünen bei der Bremen-Wahl kündigt Spitzenkandidatin Schaefer ihren Rückzug an – und beklagt Gegenwind aus dem Bund.

Maike Schaefer Foto: Sina Schuldt/dpa

Bremen taz | Die Spitzenkandidatin der Grünen für die Bremer Landtagswahl, Maike Schaefer, hat am Montag Verantwortung übernommen für das aus ihrer Sicht „mehr als enttäuschende“ Wahlergebnis ihrer Partei. Für mögliche Regierungsposten steht die derzeitige Bau-, Umwelt- und Verkehrssenatorin danach nicht mehr zur Verfügung, ihr Mandat hat sie nicht zurückgegeben. Nach den Hochrechnungen von Sonntagnacht liegen die Grünen knapp unter zwölf Prozent.

Bei einer Pressekonferenz erklärte Schaefer, wie schwer ihr der Schritt falle, sie möchte keine Fragen beantworten. Dass ihr Amtsverzicht alternativlos ist, hatten Par­tei­freun­d:in­nen auf der Wahlparty am Vorabend angedeutet. „Das ist ein Signal des Aufbruchs, mit dem wir gestärkt in mögliche Sondierungsgespräche gehen“, sagte am Montag eine der beiden Grünen-Vorsitzenden, Alexandra Werwath. Die SPD hatte angekündigt, mit allen Parteien außer den rechtspopulistischen „Bürgern in Wut“ zu sprechen.

Werwath würdigte Schaefers Verdienste. „Sie hat in Bremen den Kohleausstieg eingeleitet, den Umweltschutz vorangetrieben und im Wohnungsbau auch unter schwierigen Bedingungen viel erreicht.“

Auch überregional habe sie die Verkehrswende vorangetrieben. „Ohne dich gäbe es kein 49-Euro-Ticket.“ Dies sei ihr Verdienst als Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, hatte Maike Schae­fer selbst gesagt, als sie ihre Erfolge aufzählte, darunter 10.000 überwiegend in dieser Legislaturperiode fertiggestellte neue Wohnungen sowie die Weideprämie für Milchviehhalter – die sie vor drei Wochen bei einer Podiumsdiskussion als „beste Senatorin, die wir je hatten“, gelobt hatten.

Hass gegen Grüne-Wahlkämpfer*innen auf der Straße

Es sei nicht gelungen, Erfolge und grüne Programmatik im Wahlkampf zu vermitteln, so Schaefer, eine Einschätzung, die die Bremer Parteivorsitzenden teilen. „Wir haben in den vergangenen Jahren viel Verantwortung übernommen“, sagte der zweite Vorstandsvorsitzende Florian Pfeffer später im Rathaus, bei der sich die Parteivorsitzenden vor Jour­na­lis­t:in­nen zum Wahlausgang äußern. Neben Maike Schaefer gab es einen grünen Finanzsenator sowie eine grüne Sozialsenatorin – aber am meisten Aufmerksamkeit bekam die Senatorin, deren Politik unmittelbar im Alltag aller spürbar ist.

Auch Pfeffer verwies wie Schaefer darauf, dass den Grünen das Kopf-an-Kopf-Rennen von SPD und CDU geschadet habe. Aber anders als sie möchte er die Verantwortung nicht delegieren. Schaefer hatte bei der Pressekonferenz am Morgen variiert, was sie schon am Vorabend gesagt hatte. „Wir hatten starken Gegenwind“ – gemeint ist die Energiepolitik des Bundesklimaschutzministers Robert Habeck, Stichwort „Wärmepumpe“.

„Wir müssen uns in Bremen kritische Fragen stellen“, befand hingegen Pfeffer. Die Menschen seien angesichts der vielen Krisen und Veränderungen verunsichert, „wir haben es nicht geschafft, ihnen zu vermitteln, wie sie mit diesen Veränderungen in ihrem Alltag fertig werden“. Doch wie genau den Grünen dieser Spagat gelingen soll, in politischer Verantwortung auf Klimaschutz zu drängen – ohne diejenigen gegen sich aufzubringen, die die Klimakrise zwar fürchten, aber nicht bereit sind, daraus persönlicher Konsequenzen zu ziehen, das konnte er an diesem Montag nicht erklären.

Wie schwer das sein wird, zeigt der Hass, den viele grüne Wahl­kämp­fe­r:in­nen an den Ständen erlebten, wie sie auf der Wahlparty am Vorabend erzählten. Besonders viel davon und mit einer großen Portion Frauenfeindlichkeit garniert – das sagten sie bei aller Kritik an ihrer Spitzenkandidatin – sei über Maike Schaefer ausgekübelt worden. „Unter der Gürtellinie“ sei die Kritik an ihr oft gewesen, sagte Florian Pfeffer Montagmittag im Rathaus. Und häufig auch ungerechtfertigt. So kolportierten Medien, Maike Schaefer sei „schwierig“ gewesen und für Koalitionszwist verantwortlich.

Christoph Spehr, Landesvorsitzender der Bremer Linkspartei, die in Bremen seit vier Jahren mit Grünen und SPD regiert, hat das anders erlebt. Bevor er sich wie die anderen Parteivorsitzenden zur Wahl äußerte, sprach er Maike Schaefer „Respekt“ für ihren Rückzug aus und sagte, er habe „immer gut mit ihr zusammengearbeitet“.

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17 Kommentare

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  • Konsequentes Handeln findet man heutzutage eher selten. Respekt!

  • Ich glaube dass die "Brötchentaste" kurz vor Ende des Wahlkampfes in Bremen nicht ausschlaggebend gewesen ist. Bis zu der ersten Pressemittlung war mir als gebürtiger Bremer gar nicht bekannt, dass es eine Brötchentaste gibt.



    Vielmehr würde ich die misslungene Gestaltung der Martinistraße und des Walls nennen.



    Da ist viel Geld in Beratung und in Veranstaltungen geflossen, ohne einen nennenswerten Erfolg.



    Von der kompletten Sperrung, der einseitigen Sperrung, mal in die eine, mal in die andere Richtung, bis zum jetzigen Zustand: verkehrsberuhigt auf 20 Km/h in beide Richtungen war so ziemlich alles dabei.



    Das in dem Bereich etwas unternommen werden musste, ist für mich klar, aber der Weg dahin war aus meiner Sicht nicht wirklich glücklich gewählt.

  • Ein schöner Text, Eiken. Danke!

  • 6G
    655170 (Profil gelöscht)

    Die Grünen haben sich engagiert in Richtung des politischen Mainstreams des radikalen Kapitalismus bewegt, wie er von "C"DU, "CS"U, "S"PD und insbesondere FDP seit Jahren, teils Jahrzehnten (Schröder und sein Freundeskreis) etabliert hat.



    Inzwischen sind sie dort angekommen - siehe Kohlepolitik, Verkehrspolitik, Sozialpolitik. Zuletzt wollte Herr Habeck gar die großen Stromverschwender der Industrie subventionieren, indem für sie die kWh auf 6 ct gedeckelt werden und die Stromkonzerne dafür aus dem Bundeshaushalt Zuschüsse bekommen sollten - aus dem Bundeshaushalt, den zu 95% (Steueraufkommen) die Privatpersonen finanzieren.



    Die letzten Wahlen haben gezeigt: Machen die Grünen so weiter und folgen in dieser Politik ihrer aktuellen Spitze, dann geht's weiter bergab. Und das hat sich die Partei dann auch redlich verdient.

  • Danke für die Beleuchtung grüner Tätigkeiten in Bremen, die Auswärtigen ja eher unbekannt sind. Neben der erfolgreichen Wohnungspolitik ist mir die Weideprämie für Milchviehhalter sehr sympathisch.



    Hier, in NRW, vermisse ich das schöne Bild.



    Abgesehen von Lützerath und einem neuen "Atommüll-Zwischenlager" haben die Grünen in NRW noch nicht von sich Reden gemacht.

  • Die Einbußen der Grünen lägen am Gebäudeenergiegestzes und der Affaire Graichen und weil zwar viele für Klimaschutz wären, aber nur solange es nicht an ihre Privilegien ginge,, so in etwa lautet der Medientenor.. Sprich die Bremer Grünen wären allein aufgrund Grüner Realpolitik abgestraft worden.

    Aber stimmt das.??

    Nach meiner Beobachtung gibt es zwei zusammen hängende Gründe, eine Partei oder Kandidaten zu wählen:

    1. eine inhaltliche Übereinstimmung mit den Zielen der Partei..und



    2. die Erwartung, dass die Partei diese Ziele auch konsequent durchsetzen kann.!

    Ich frage daher: was ist mit der 2. Präambel.? Und ist es nicht vielleicht so, dass die Grünen zwar mit dem Klimathema sogar eine Mehrheit der Wähler:innen auf ihrer Seite hätten. Aber eben bei der Umsetzung zu zögerlich und mutlos sind..

    Ich erinnere mal an die Kommentare vom 28.3.2023 nach dem Koalitionsausschuss, bei dem die Grünen der Aufhebung der Kliamziele zugestimmt haben. Da finden sich viele Beiträge, die nicht nur Entäuschung über die Grünen ausdrücken, sondern die Grünen als geradezu verzichtbar erklären, wenn sie derart leichtfertig ihre Grundprinzipien aufgeben.

    taz.de/Ergebnisse-...bb_message_4499770

    Am besten trifft es wohl der folgende Beitrag:

    -> "da sind dann wohl Millionen von Grünen Stammwählern Heimatlos geworden" (o.ä.)

    Kann es also sein, dass das Problem der Grünen noch weit mehr als in der Realpolitik, darin besteht, dass sie ihre Prinzipien nicht mit aller Macht durchsetzen. Haben die Grünen mit der Aufgabe der Sektorziele womöglich "ihre Seele verkauft"..und ist das nicht weit schwer wiegender als ein paar realpolitische Patzer..??

    ...ich frag ja nur...

    • @Wunderwelt:

      Mh, ach so entschieden in der Begründung des Wahlergebnisses bin ich da nicht. Die Bürger*innen als heimliche, radikale Ökos, die nur auf Verbote warten? Sehnlichst warteten sie bpsw. auf ein Tempolimit. Weil es aber nicht kommt, rasen sie trotzig weiter? Ebenso isses mit dem Fliegen, Tierproduktkonsum ... Es sind eigentlich Alle verhinderte Veganer*innen und Urlaubsfliegerverweigerer*innen.

      • @Uranus:

        Ich fürchte, das hab ich nicht so ganz verstanden..

        but..nice 2cu anyway.!

        • @Wunderwelt:

          Naja, viele sind für Klimaschutz, aber scheuen dann die Konsequenzen und hadern mit der klimapolitischen Umsetzung. "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass". Ich bezweifle, dass viele Leute zu Einschnitten bereit sind. Zumal sie einige Einschnitte bereits jetzt, unabhängig von der Politik, im privaten umsetzen könnten: vegan werden, keine Flugreisen, keine Kreuzfahrt ... viele könnten ihr(e) Auto(s) abschaffen ... Aber die allermeisten machen das nicht.

  • Naja, die Argumentation mit dem "Gegenwind aus dem Bund" und der Frauenfeindlichkeit mag zwar einen Teil zur Erklärung des schlechten Ergebnisses beitragen, aber die Linke hatte ja auch eine Spitzenkandidatin und sehr viel heftigeren Gegenwind aus dem Bund und stand bei der Wahl trotzdem sehr viel besser da als die Grünen. Ich hoffe, bei denen findet an dieser Stelle auch ein bisschen Introspektion an.

    • @Agarack:

      Also, ich finde, das kann man jetzt nicht miteinander vergleichen.



      Denn das sind doch, und ab hier muss ich Horst Seehofer zitieren: "Die Grünen!"

    • @Agarack:

      *statt, nicht an.

  • Wenn schon die TAZ den Grünen mehr Verständnis für Brötchentastenuser und Gehwegparken abfordert, dann ist der Backlash bei den (vermeintlich) Fortschrittlichen angekommen.

  • "Besonders viel davon und mit einer großen Portion Frauenfeindlichkeit garniert – das sagten sie bei aller Kritik an ihrer Spitzenkandidatin – sei über Maike Schaefer ausgekübelt worden."



    Tja, eine alternde Gesellschaft, in der es noch einige Exemplare gibt, die sich mit Gleichberechtigung schwer tun - um es mal diplomatisch auszudrücken. Viele verstehen die Ausmaße der Krise nicht wirklich und sehen auch ihren eigenen Anteil bei der Verusachung daran nicht. Es wurde eben vieles privat, politisch und gesellschaftlich nicht angegangen und nun müsste vieles schnell und umfangreich geändert werden. Und manchen gefällt das nicht und jene stehen weiter auf der Bremse, befeuert/bestätigt von Bild & Co und Konservativen und "Liberalen". Und manche machen im Zuge ihrer Empörungsäußerungen dann noch ehrlich ihr ekliges Geschlechterverständnis öffentlich. So mein Eindruck.



    Zu Maike Schaefer - zumindest scheint sie im Gegensatz zu Giffey Rückgrat zu besitzen. ;-)

    • @Uranus:

      Aha?



      Soweit ich informiert bin, hat Frau Giffey das Bürgermeisteramt abgegeben.

      • @Philippo1000:

        Regierender Bürger*innenmeister ist Jens Wegner, Franziska Giffey ist Bürgermeisterin und Senatorin für



        Wirtschaft, Energie und Betriebe, obgleich die SPD ja stimmen verlor.

  • Sich gegen Klimapolitik zu stemmen gewinnt immer mehr den Charakter eines Kulturkriegs. Geschickt ausgenutzt von der Gaslobby [1] [2] [3] (Werbeindustrie hat es immer verstanden, Trittbrett zu fahren, scheiss' auf die Kollateralschäden).



    .



    [1] www.theguardian.co...se-people-of-color



    [2] taz.de/Ist-die-Gas...maechtig/!5916499/



    [3] taz.de/Waermwende-...tschland/!5923309/