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Neues Album von Feine Sahne FischfiletDas Leben ist kein Binnenmeer

Die linke Punkband aus Meck-Pomm versucht mit dem Album „Alles glänzt“ nach einem Übergriffs­vorwurf die Wogen zu glätten.

Monchi, ganz rechts und Feine Sahne Fischfilet Foto: Erik Weiss

Ein bisschen mehr als eine Handbreit am Tag, zwischen zehn bis dreißig Zentimeter, mehr bewegt sich die Ostsee nicht. Kaum genug Veränderung ist das, um überhaupt von Gezeiten zu sprechen – weit beschaulicher als an der Nordsee, und doch kann es auch hier manchmal rau werden wie am Randmeer.

Feine Sahne Fischfilet sind eine Punkrock-Band von jener Ostseeküste in Mecklenburg-Vorpommern, und sie zögerten nie, ihre Herkunft in der Musik zu betonen: „Warten auf das Meer“, „Wo niemals Ebbe ist“, „48 Knoten“, etliche Songtitel thematisieren das Erwachsenwerden und -sein in Wassernähe, zwischen Dorffesten und Nazis, Hansa Rostock und Rostocker Pils, Ärger mit der Polizei und Ekstase an der Pulle.

Gereicht haben diese Sujets locker für fünf Studioalben, etliche Konzerte und Tourneen, einige politische Skandale, einen Dokumentarfilm und ein eigenes Festival. Es war das Erfolgsrezept einer antifaschistischen Band, die ihren provinziellen Wurzeln schnell entwuchs.

Kleinstadttristesse

„Hier ändert sich nichts“, heißt es nun gleich im Auftaktsong „Kiddies im Block“ vom neuen, nunmehr sechsten Album „Alles glänzt“. Ein bisschen steht es sinnbildlich für das Konzept Feine Sahne Fischfilet insgesamt. Nach dem zackigen Porträt der Kleinstadttristesse darf eine Hommage an die Küste („Komm mit aufs Boot“) nicht fehlen, genau wie Lieder über Fluch und Segen des Rauschs („Wenn’s morgen vorbei ist“, „Gib mir mehr“), all das im gewohnten Gewand: Refrains aus selten mehr als vier Akkorden, Ska-Trompete für beschwipsten Pogo und Silben auf dem vollen Takt, damit wirklich jeder Fankurven-Chorknabe mitkommt.

Feine Sahne Fischfilet waren und sind keine Band für Gourmets, weder politische noch ästhetische. Schon seit ihrem Debütalbum „Backstage mit Freunden“ (2009) rümpften manch studierte Linke die Nase über das derart schamlos orchestrierte Lustprinzip, die maskuline Kumpelhaftigkeit und die insgesamt recht rundgeschliffenen Botschaften. „Böhse Onkelz für Linke“ lautet so ein halbkichernd vorgetragener typischer Vorwurf. Aber was ist Punk, wenn nicht vollständige Ignoranz gegenüber solcherlei Distinktionsgehabe?

Dann folgte eine Ebbe: 2022 stiegen zwei Gründungsmitglieder von Feine Sahne Fischfilet aufgrund künstlerischer und persönlicher Differenzen aus und widmeten sich eigenen Projekten.

Vorwurf toxische Männlichkeit

Als im selben Jahr anonyme Berichte zirkulierten, die Sänger Jan „Monchi“ Gorkow sexuelle Gewalt vorwerfen, schrieben die Ex-Mitglieder Statements, die zwar keine der Anschuldigungen bestätigten, sie aber auch nicht gerade ausräumten: Von „toxischer Männlichkeit und Grenzüberschreitung als Markenkern“ sprach etwa Ex-Trompeter Jacobus North. Dass diese Beschreibung nicht untertreibt, belegte Monchi selbst in seiner Autobiografie „Niemals satt“ (auch 2022 veröffentlicht), in der er umfangreich über seinen exzessiven Lebensstil schrieb.

Angesprochen auf die Vorwürfe verteidigte sich die Band noch im März beim Spiegel-Interview, Sänger Monchi stritt das Behauptete ab und zeigte sich betroffen: „Guckt euch meine Fingernägel an, dann wisst ihr, wie es mir geht.“ Der Sturm blieb aus, vielleicht auch, weil nie etwas konkret wurde. Die Anschuldigungen selbst sind seit einer erfolgreichen Verleumdungsklage nicht mehr öffentlich aufzufinden.

Für eine politische Band wie Feine Sahne Fischfilet ging und geht es aber um weit mehr als Justiziabilität. Jahrelang konnten sich die Künstler auf Unterstützung durch linke Infrastruktur verlassen – und nicht zuletzt dürfte ein Großteil ihrer Fans über das bestehende System hinaus politisch verortet sein.

Rechte Drohungen

„Schau auf meine Fingernägel, dann weißt du, wie’s mir geht“, lautet eine fast deckungsgleiche Zeile im neuen Song „Angst zu erfrieren“. Um Gewalt geht es darin auch, allerdings um die zahlreiche Drohungen und Attacken von rechts, die diese allzeit offensiv auftretende Band über die Jahre erfahren hat. „Lass uns schauen, was uns verbindet und nicht was uns trennt“, ruft Monchi am Ende zur Versöhnung auf.

Album und Tour

Feine Sahne Fischfilet: „Alles glänzt“ (Plattenweg Tonträger/Warner Music).

Auf Tour ab 30. Juni 2023

Darüber hinaus bleibt der Raum für Gefühle fein dosiert. Allein die Liebeserklärung an Monchis Großeltern („Diese eine Liebe“) und seine Kinder („Tage zusammen“) machen wenig auf dicke Hose. Oft wollen Feine Sahne Fischfilet kämpferisch wirken, selbst im Nachruf an einen ermordeten Fan („Irgendwann“).

Das Album „Alles glänzt“ ist ein Porträt einer Band, die sich für nichts und niemanden verstellen will, der es egal ist, dass „sich treu bleiben“ und „sich wiederholen“ zwei Einfahrten in denselben Ort sind. Vielleicht kann diese nordostdeutsche Band nicht anders, weil die Künstler immer vorgelebt haben, was sie singen, weil jede grobe Änderung einer Maskerade gleichkäme. Aber die Welt ist kein Binnenmeer. „Lass es immer so weitergehen“, lautet einer der letzten Sätze auf dem Album – ein Wunsch im Rausch, den alle kennen. Genauso gut wie das Bedauern am Morgen danach.

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3 Kommentare

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  • Ich finde die Band juti.



    Guter Beitrag!



    Tage zusammen



    www.youtube.com/watch?v=rs3QSTtINxk



    Die Ska-Trompete finde ich auch immer gut.

  • "Aber was ist Punk, wenn nicht vollständige Ignoranz gegenüber solcherlei Distinktionsgehabe?"

    eben!

  • Tolle Band. Ich mag sie sehr. Sehr sehenswert dazu, der Film von Charlie Hübner. " Wilde Herzen"!