piwik no script img

FC-Bayern-Manager Hasan SalihamidžićZwischen Welt- und Kreisklasse

Salihamidžić steht als Sportvorstand des FC Bayern zunehmend infrage. Verliert das Team gegen Manchester City, wird es eng für ihn.

Muss sich warm anziehen: Hasan Salihamidžić, Sportvorstand des FC Bayern München Foto: Sven Hoppe/dpa

München taz | Thomas Tuchel hat vor ein paar Tagen einen bemerkenswerten Satz gesagt. „Innen“, ließ der Trainer des FC Bayern wissen, „ist es ein sehr ruhiger Klub.“ Im positiven Sinne ruhig, weil der Fokus auf den Sport gerichtet sei. Darauf, dass die Mannschaft nicht in ihren Abläufen gestört werde.

Es ist auch nicht bekannt, dass Vereinschef Oliver Kahn oder Sportvorstand Hasan Salihamidžić vor dem Viertelfinal-Rückspiel in der Champions League gegen Manchester City an diesem Mittwoch hinter verschlossenen Türen gewütet hätten. Vermutlich wäre so etwas längst nach außen gedrungen, so wie derzeit bei den Bayern so vieles nach außen dringt, was besser intern geblieben wäre. Auf der anderen Seite ist es das Schweigen der Führungsriege, das irritiert.

Es geht nicht um Rumpoltern oder eine medienwirksame Schelte, die vom eigentlichen Problem ablenkt, sondern darum, in einer misslichen Situation, an der Kahn und Salihamidžić nicht unschuldig sind, Stellung zu beziehen. Kahn sieht seit seinem Amtsantritt 2021 seine Aufgaben beim FC Bayern eher nicht im Alltagsgeschäft.

Die Kommunikation überlässt der frühere Torwart lieber Salihamidžić. Der aber umkurvte am Samstag nach dem Remis gegen Hoffenheim, das wenig Hoffnung auf ein Fußballwunder gegen City machte, um das 0:3 aus dem Hinspiel aufzuholen, die Interviewzone.

Dann ruft Uli Hoeneß an

Nicht der Trainer ist in diesem Fall das Gesicht der Krise, sondern die Entscheider. Zu denen zählt zuvorderst Salihamidžić. Seit er vor sechs Jahren vom Markenbotschafter zum Sportdirektor befördert worden war und später zum Sportvorstand, könnten die Amplituden bei der Bewertung seiner Arbeit kaum größer sein.

Von Anfang an wurde der ehemalige Bayern-Profi kritisch beäugt. Er hatte mit dem Ruf zu kämpfen, dass er den Job vor allem bekam, weil Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge sicher sein konnten, in ihm einen dankbaren Angestellten zu haben. Salihamidžić wollte es allen recht machen – und gab deshalb oft in der Außenwirkung kein gutes Bild ab. „Im Rückblick lässt sich sagen, dass ich mich hätte klarer positionieren müssen“, sagte er einmal in der Zeit.

Als Salihamidžić’ größer Coup galt lange die Verpflichtung von Alphonso Davies, wobei es auch da verschiedene Meinungen gab, wer das Talent aus Kanada entdeckt hatte. Als er nach dem Champions-League-Sieg 2020 ein paar Spieler, mit denen nicht nur der damalige Trainer Hansi Flick nichts anfangen konnte, für zum Teil viel Geld holte und es zum Zerwürfnis zwischen beiden kam, war das Image am Boden.

Wer sich allerdings damals erdreistete, Salihamidžić zu kritisieren, musste mit einem Anruf vom Tegernsee rechnen. Hoeneß griff gerne zum Telefon, um mitzuteilen, Salihamidžić leiste „überragende Arbeit“. Doch im vergangenen Sommer konnte Hoeneß das Mandat als Anwalt von Salihamidžić niederlegen.

Plötzlich stieg der Sportvorstand vom bis dahin schlechtesten Manager zum gefühlt besten Manager der Liga, wenn nicht Europas oder der Welt, auf. Er konnte Sadio Mané und Matthijs de Ligt nach München locken, zwei Weltstars. Nebenbei wurde er noch ein paar Ladenhüter für gutes Geld los. Dass der eine, Mané, schon 30 Jahre war und der andere, de Ligt, nach seiner Entdeckung bei Ajax eher bescheidene Jahre in Italien hinter sich hatte – geschenkt!

Aber nun schlägt das Pendel wieder in die andere Richtung aus, weil die Personalpolitik doch nicht so schlüssig war wie gedacht und sich in der entscheidenden Phase die Defizite des Kaders zeigen.

Außerdem erwies sich der Trainerwechsel als Rohrkrepierer, ganz zu schweigen von der desas­trösen Kommunikation in dieser Angelegenheit. Wenn die Münchner wie erwartet am Mittwoch ihren letzten Auftritt in der Champions League haben, die Mannschaft sich gar vorführen lassen muss von Pep Guardiolas Team, dann wird es eng für Salihamidžić. So eng wie noch nie.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Der deutsche Fussball ist im Allgemeinen scheinbar nicht "Europaklasse", geschweige denn Weltklasse. Aber wenn ein Verein wie die Bayern ein Spielerpotential von angeblich 980 Millionen Eur hat dann müßte doch mehr zu machen sein. Aber PSG hat da glaube ich noch viel mehr Budget ausgegeben und mehr oder weniger erfolglos. Vielleicht hatte der Uli Höness doch ein Händchen für eine gute Vereinsführung!

  • CL AUS!



    Aber nicht jammern - es gibt ja noch die Frauen und außerdem Basketball.

  • Gute Zeiten, schlechte Zeiten



    ..oder hat irgendjemand ernsthaft geglaubt, dass ein Verein über Jahrzehnte alle Titel abräumt, ohne jemals einen Tiefpunkt zu haben?



    Der FCB hat einen Tiefpunkt, ich fürchte eher für Jahre als für Monate.

  • Man kann auch mit viel Geld schlechte Arbeit leisten und sogar den eigentlich logischen Erfolg vergeigen, wie man im europäischen Fußball an den Beispielen PSG oder (noch krasser) Chelsea sehen kann. Selbst den eigentlichen Selbstläufer Bayern kann man durch schlechte Kader- und Eikaufspolitik ins Wanken bringen. Nur die noch defizitärere (oder einfach blödere) Konkurrenz aus Dortmund (wie kann man das Stuttgart-Spiel als angebliche Meistermannschaft noch vergeigen?) und Leipzig verhindert das Desaster auf nationaler Ebene, europäisch scheint man derzeit kaum auf Augenhöhe mit den Topvereinen City und Real.



    Macht die Sache immerhin interessanter als das ewige, freudlose, maschinenhafte Abhaken von Titeln, das strukturelle Problem des modernen Fußballs bleibt aber, nämlich dass ein sportlicher Wettbewerb eigentlich nicht mehr existiert, solange die Großen ihre wirtschaftliche 1:1 in sportliche Überlegenheit ummünzen können. Die Langweile wird spätestens wenn Brazzo weg ist zurückkehren, denn Geld genug ist ja da, das hat die Kapitalvernichtung in Sachen Nagelsmann gezeigt.