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AltersarmutVon armen und reichen Freundinnen

Manche Freundinnen unserer Kolumnistin sind chronisch krank und kriegen kaum Rente, andere haben geerbt. Wie geht man gut damit um?

„Ich dachte mir, das kannst du besser gebrauchen als irgendwelchen Schnickschnack“ Foto: Grazvydas Januska/Zoonar/imago

D ie kleine Geburtstagseinladung bei Vera hatte mir die Augen geöffnet: Wir müssen über Geld reden, erst recht im Alter. Ich hatte für Vera zum 70.Geburtstag ein, wie ich dachte, originelles Geschenk mitgebracht. Ein superleichter, faltbarer, teurer High-Tech-Camping-Stuhl war es. In Veras Mietshaus gibt es einen begrünten Hinterhof, sie hatte sich immer beklagt, dass dort keine Sitzgelegenheit existiere. Voilà! Dachte ich. Zu Veras Einladung in ihrer Einzimmerwohnung kam auch Gitta.

Gitta überreichte Vera einen Umschlag mit Geschenkband drumherum: „Ich dachte mir, das kannst du besser gebrauchen als irgendwelchen Schnickschnack“, sagte Gitta. Vera nahm den Umschlag mit einem verlegenen, aber auch erfreuten Lächeln an und bedankte sich. Kurz darauf sah ich, wie sie in der Küche den Umschlag öffnete und hineinlinste. Drinnen lagen ein 50-Euro- und ein 20-Euro-Schein, wie ich später erfuhr.

Mir dämmerte, dass Gitta das passendere Geschenk mitgebracht hatte. Wie konnte ich nur auf den doofen überteuerten Outdoor-Stuhl kommen? Vera ist schwer rheumakrank und lebt von einer kleinen Rente plus Grundsicherung, also auf Hartz-IV-Niveau. Sie hatte mir mal erzählt, wie schwierig es für sie sei, den Tierarzt für die Katze zu bezahlen, die ihr Ein und Alles ist. Ich hätte besser Geld schenken sollen, ganz einfach. Mit Freundin Hille sprach ich später über das Problem. Hille hat eine gute Rente, ist Erbin und schon lange mit Gisela, chronisch krank, Grundsicherungsempfängerin, befreundet.

„Da schämt man sich“

Oft halten solche Freundschaften ja nicht, aber Hille hatte Gisi vor 40 Jahren in einer Psychiatrie-Ambulanz kennengelernt, die beiden sind inzwischen schon viele Kilometer zusammen durch Brandenburg gewandert und Hille hängt an Gisi, das weiß ich. Früher war das finanzielle Gefälle zwischen den beiden wohl auch nicht so gigantisch gewesen wie jetzt. „Ich kann’s dir jetzt sagen“, erzählte Hille, „ich hab einen Dauerauftrag eingerichtet für Gisi. 90 Euro in der Mitten jeden Monats, mit dem Erbe kann ich das auf Dauer durchhalten.“ Sie hatte zuvor Gisi immer mal wieder zwischendurch Geld geliehen, „aber frag mal eine Grundsicherungsempfängerin, wann sie dir das Geld zurückgeben kann. Bescheuert. Da schämt man sich“, schilderte Hille.

Ich fasste einen Entschluss. Ich überweise jetzt auch Geld an Veras nächstem Geburtstag. Ich werde sie vorher fragen, was sie davon hält, ich sag, es ist für den Tierarzt. Ja, es gibt schlaue Leute, die sagen, das mit dem Geld sollte man von der Freundschaft trennen. Ist auch was dran. Aber unser Freund Günni, der in Thailand lebt, erzählt, dass da ständig privat Geld abgegeben wird an die Armen von den Wohlhabenden, nicht nur in der Verwandtschaft. Man teilt privat offenbar mehr in anderen Kulturen. Der Hightech-Camping-Stuhl ist übrigens längst verschwunden. Irgendjemand hat ihn in einem unbewachten Moment aus Veras Hinterhof geklaut.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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6 Kommentare

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  • Danke für den lebensnahen Bericht.



    Ich habe mal gerade bei der " deutschen Rentenversicherung" nachgeschaut, die Antwort auf die aufgekommenen Fragen liefert.



    Zum einen las ich, dass ab dem ersten Januar dieses Jahres sämtliche Hinzuverdienste für Rentnerinnen nicht mehr von der Rente abgezogen werden.



    Außerdem werden Schenkungen nicht auf die Rente angerechnet. Ob eine regelmäßige Einzahlung darunter fällt, konnte ich nicht direkt herausfinden, aber wen es interessiert, neben übersichtlichen Antworten können auch Fragen online gestellt werden.

  • Hallo zusammen,



    an eine Bezieherin von Bürgergeld oder Grundsicherung im Alter würde ich niemals etwas überweisen, Das Sozialamt (zuständig für die Grundsicherung) lässt sich regelmäßig die aktuellen Kontoauszüge zeigen. Jeder Geldeingang wird dort als Einkommen angenommen und im nächsten Monat von der Grundsicherung abgezogen, eventuell nicht komplett.



    Gruß



    Peter

    • @peterl:

      Das ist traurig aber wahr. Und wirft noch einmal ein besonderes Licht auf das Thema des Artikels: Freundschaft und Armut.



      Ich kenne die Regelungen des neuen Bürgergeldes u. der Grundsicherung im Alter bezügl. der Obergrenzen von Geld- u. Sachgeschenken nicht. Aber es gelten nach wie vor die Regelungen von Obergrenzen dafür. Also die Summen, ab wann Geld- oder Sachleistungen als Vermögens- bzw. Einkommenszuflüsse gewertet u. dann entsprechend von der Grundsicherung abgezogen werden, wenn solche Zuflüsse stattgefunden haben. Die gemeldet werden müssen.



      Der Staat will einerseits das sog. soziokulturelle Minimum gewährleisten. Um da Grenzen zu setzen müssen alle "Eigenmittel" (also auch Geschenke) wiederum als solche eingesetzt werden - sie mindern im je aktuellen Fall die Bedürftigkeit.



      Aber die dadurch erzeugten zwischenmenschlichen Beziehungen, die ein Leben existenznotwendig braucht, werden dadurch auch beschädigt. Warum darf denn ein armer Mensch, gerade ein solcher, nur unter Kontrolle Geschenke entgegennehmen? Es ist für den Freundinnenkreis der Schilderung ja schon eine Schwierigkeit genug, der Freundin Geschenke zu machen, die nicht als "Almosen" gewertet werden sollen. Längst nicht jede Freundschaft übersteht solche "Verhältnisse".



      Es ist, vorsichtig gesagt für die Freundinnen eine merkwürdig "komische" Situation, wie in einer Verschwörerinnengemeinschaft handeln zu müssen, obwohl es doch einzig um Freundschaftsdienste geht, die andere ohne groß überlegen zu müssen, ausführen. Aber: Psst, bloß aufpassen, das Sozialamt darf nichts erfahren...Das hat etwas Trauriges, Lächerliches und Unfreies. Weil selbst das Schenken zu einem irgendwie illegalen Akt werden kann. Unbeschwert Freundschaft genießen zu dürfen, was auch heißen kann, Sorgen u. Nöte zu teilen, sollte anders aussehen. So wie es das bei allen "Anderen" sein darf. Wenn ich es so sagen kann: Zählt Freundschaft in einer gewissen Freiheit nicht auch u. gerade zum soziokulturellen Minimum eines Lebens?

    • Barbara Dribbusch , Autorin des Artikels, Redakteurin für Soziales
      @peterl:

      In diesem Fall wird bei der monatlichen Überweisung unter Verwendungszweck: „Krankenhilfe“ angegeben, die Empfängerin ist auch sehr krank. Bei der Grundsicherung im Alter soll es wohl weniger Stress geben bei privaten Hilfen, grundsätzlich. Falls das Amt doch Stress machen sollte, zögen die Betroffenen bis vors Bundessozialgericht.

  • Barbara Dribbusch belegt mit diesem Artikel umstandslos überzeugend, warum es eine "Kolumne In Rente" geben muss. "Wir müssen über Geld reden" - Was sind die "wirklichen" Gründe dafür? Es ist die Lebenswirklichkeit sehr vieler Menschen, die durch materiellen Mangel beschädigt (sogar vernichtet) werden kann. Was ist Lebenswirklichkeit? Z. B. Freundschaft. Die kann helfen aber nicht alles heilen.



    Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich einen Kolumnetext dieser Art, der es versteht Lebenswirklichkeit in dieser klugen Art der Leserschaft, der Öffentlichkeit vorzustellen, besser gesagt "nahe zu legen". (Ich kenne ja nun "Hartz 4, die Grundsicherung und habe meine Erlebnisse mit Freundschaften in diesem "real existierenden Zusammenhang", in dem sich "menschliche Zusammenhänge", von denen wir doch leben, nur allzu schnell auflösen können.



    "Irgendwie" scheint mir die Taz für solche Themen und die Art, wie sie "angegangen", wie sie "durchdrungen" werden müssen, ein Talent zu haben. Also dass möchte ich als Leser nicht missen. Selbstverständlich ist das für Tageszeitungen, meine ich zu beobachten, nicht.

    • @Moon:

      Mir wichtige Korrektur: Zweiter Absatz, erster Satz:

      Muss heißen:



      Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich einen Kolumnetext dieser Art,...Satzeinschübe..., in anderen Zeitungen finden könnte.