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Streit in der AmpelBetriebsklima ist kritisch

Nach viel Motzerei wird es spannend im Koalitionsausschuss der Ampel am Sonntag. Von Klimaschutz bis Kindergrundsicherung: Zündstoff gibt es zuhauf.

Sieht so schön harmonisch aus: Habeck, Scholz und Lindner Anfang März nach der Klausur­tagung auf Schloss Meseberg Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin taz | Dass Regieren kein Ponyhof ist, hatte Vizekanzler Robert Habeck diese Woche eindrücklich klar gemacht. Von der Grünen-Fraktionsklausur aus Weimar beschwerte er sich darüber, dass es nicht sein könne, dass in einer Fortschrittsregierung nur einer für den Fortschritt verantwortlich sei (Die Grünen, Anm. d. Red.) und die anderen für dessen Verhinderung (SPD und FDP, Anm.d.Red.). Im Öffentlich-rechtlichen legte er später nach und erklärte, es sei ja nicht so, dass die Dinge im Moment zügig abgearbeitet würden, obwohl sie fertig seien.

Aus SPD und FDP motzte man zurück. Ja, der Wirtschaftsminister stehe unter Druck, so SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. Aber man solle damit nicht so umgehen, „dass man jetzt einfach in alle Richtungen koffert.“ Und FDP-Vize Wolfgang Kubicki attestierte Habeck sogar ein ähnliches Staatsverständnis wie Wladimir Putin. Ein Vergleich, für den er sich noch am gleichen Tag entschuldigte.

Der Schlagabtausch zeigt, es gibt einiges aufzuarbeiten im Koalitionsausschuss. Die Erwartungen an das Spitzentreffen von Regierungsschef, Partei- und Fraktionsspitzen der Ampel am Sonntag sind hoch: „Alle sind aufgerufen dafür zu sorgen, dass diese Koalition konstruktiv an Problemlösungen arbeitet. Und ich bin mir ganz sicher, dass das gelingt“, so SPD-Vorsitzende Saskia Esken im Vorfeld zur taz.

Auch die Grünen bemühen sich nach dem Habeckschen Gewitter, die Atmosphäre wieder runterzukühlen. Am Rande der Fraktions-Klausur sprach Fraktionschefin Britta Haßelmann am Mittwoch vom „Team Ampel“ und zählte auf, wo die Ampel-Parteien im gesellschaftspolitischen Bereich gut zusammenarbeiteten. Am Sonntag wolle man „das Ganze wieder zu einem Team zu machen“, ergänzte ihre Co-Vorsitzende Katharina Dröge.

60 Vorhaben auf der Liste

Doch die Liste der strittigen Themen ist lang. Das Portal FragDenStaat listet über 60 Vorhaben auf, die die Ampel begonnen, aber noch nicht umgesetzt hat – vom Klimaschutzgesetz bis zur Kindergrundsicherung. Habecks Unmut über den stotternden Fortschrittsmotor ist also nicht ganz unberechtigt. Eine offizielle Tagesordnung für den Koalitionsausschuss gibt es (noch) nicht, ein Thema ist nach übereinstimmenden Angaben aus Koalitionskreisen aber bereits angemeldet: Die beschleunigte Planung von Infrastruktur.

In der Ampel ist man sich einig, dass Schienen, Brücken und Netze doppelt so schnell wie bisher genehmigt, geplant und gebaut werden sollen – Bundeskanzler Olaf Scholz mahnte zuletzt mehrmals ein Deutschlandtempo an. Doch uneins ist man sich darüber, ob dieses Tempo auch für den Neubau von Straßen gelten soll. Darauf pocht die FDP, die Grünen sind mit Verweis auf die verfehlten Klimaziele im Verkehrssektor dagegen. „Das ganze Thema Klimaschutz und Verkehr ist ungelöst in dieser Koalition“, sagte Dröge mit Blick auf ihre Erwartungen an den Koalitionsausschuss.

Aus Kreisen der SPD-Führung heißt es, beide Seiten müssten aufeinander zugehen, im Grunde sei man sich doch zu 98 Prozent einig. In der Grünen-Fraktion ist die Bereitschaft allerdings gering, den Liberalen hier weiter entgegenzukommen. Die Spitzen der Grünen spüren Druck von den eigenen Leuten und hätten bei zu weitreichenden Zugeständnissen Probleme, sich zu erklären. Und in der FDP versucht man sich mit diesem Thema bei den verbliebenen Wäh­le­r:in­nen zu profilieren.

Reizthema Heizungen

Wie eine Einigung aussehen könnte ist bislang unklar. Möglicherweise wird eine Liste, die in der Regierung kursieren soll, mit Autobahnprojekten die im Turbo gebaut werden, konkretisiert und gestutzt.

Ein weiteres Thema, welches in dieser Woche in einschlägigen Medien für fette Schlagzeilen sorgte, ist das schrittweise Aus für Gas- und Ölheizungen. Eigentlich hatte sich der Koalitionsausschuss bereits im vergangenen Jahr darauf geeinigt, dass ab nächstem Jahr neue Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden sollen. Der Einbau neuer Gas- und Ölheizungen hätte sich damit faktisch erledigt. Mit einer Hintertür, die jetzt zur Falltür werden könnte: „möglichst“, heißt es nämlich in der Einigung vom vergangenen Jahr. Bereit Anfang März erklärte FDP-Generalsekretär Bijan Djir Sarai, ein Verbot ab 2024 sei der falsche Weg.

Als Mitte der Woche der Gesetzentwurf aus dem Hause Habeck öffentlich wurde, platzte dem Hausherr der Kragen. Der Entwurf sei bewusst geleakt worden, um dem Vertrauen in der Regierung zu schaden. „So etwas passiert ja nicht aus Versehen“, so ein sichtlich empörter Habeck am Dienstagabend im Tagesthemeninterview. „Insofern bin ich ein bisschen alarmiert, ob überhaupt Einigungswille da ist.“

Der Minister sei auch selbst mit schuld, dass jetzt Stimmung gemacht werde – er hätte Übergangsfristen und Förderprogramme eben strategisch mit kommunizieren müssen, heißt es aus SPD-Kreisen. In der SPD hofft man, dass das Thema noch vor dem Koalitionsausschuss abgeräumt wird.

Ruf nach Kanzler Scholz

Denn Geld, um gebeutelte Häuslebesitzer und Mie­te­r:in­nen beim Heizungsumstieg zu unterstützen wäre ja da – im Klima- und Transformationsfonds sind 60 Milliarden Euro an Kreditermächtigungen hinterlegt, für genau solche Förderprogramme. Und wie Habeck darlegte, haben die Produzenten von Wärmepumpen sogar schon versprochen die Produktion hochzufahren.

Über all dem schwelt noch der Streit über den Haushalt. Abseits von bereits beschlossenen Schuldensondertöpfen will der Bund im nächsten Jahr fast ohne neue Kredite auskommen. Der Etat für 2024 ist derzeit in zweistelliger Milliardenhöhe überplant, auch ohne Extrawünsche, die alle Ministerien angemeldet hatten. Wobei als Extrawunsch auch die Kindergrundsicherung gilt, die derzeit in der Finanzplanung noch gar nicht auftaucht.

Finanzminister Christian Lindner wollte eigentlich schon vergangene Woche Eckpunkte für den Haushalt 2024 präsentieren, hatte den Präsentationstermin aber ersatzlos gestrichen. Wo man klotzt und wo man konsolidiert, dazu wollen sich die Koalitionsspitzen am Sonntag ebenfalls eine Meinung bilden. Mitte Juni will die Regierung dann einen Haushaltsentwurf beschließen.

Bei den Grünen ruft man nun unverholen lauter nach dem Kanzler. Der sei jetzt in der Verantwortung, so Dröge. Doch Scholz schweigt bislang zu dem Krach in seiner Koalition.

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9 Kommentare

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  • "Von der Grünen-Fraktionsklausur aus Weimar beschwerte er sich darüber, dass es nicht sein könne, dass in einer Fortschrittsregierung nur einer für den Fortschritt verantwortlich sei (Die Grünen, Anm. d. Red.) und die anderen für dessen Verhinderung (SPD und FDP, Anm.d.Red.)." --> Darauf hätte der gute Robert aber auch vorher kommen können.

    Bei jeder Ampel dieser Welt steht "rot" für Stillstand, "gelb" für Bremsen und "grün" fürs Forankommen.

    Diese geradezu klassische Aufteilung beweist unsere Ampel-Regierung gerade par excellence.

    Wobei nur "grün" noch nicht heißt, dass man sich in die richtige Richtung bewegt. Man kann auch mit einer "grünen Welle" komplett in die falsche Richtung fahren. Ist aber ein anderes Thema.

    • 6G
      652797 (Profil gelöscht)
      @Kriebs:

      Rot und gelb können auch einen tödlichen Unfall verhindern.

      • 8G
        80410 (Profil gelöscht)
        @652797 (Profil gelöscht):

        Und allgemein ist eine Ampel natürlich immer noch besser als ein Polizist, der den Verkehr dirigiert :>

      • @652797 (Profil gelöscht):

        Wie gesagt, nur weil man sich fortbewegt, heißt das noch lange nicht, dass es in die richtige Richtung geht.

        Die "Fortschrittskoalition" zeigt das in vielen Projekten recht anschaulich.

  • Neuwahlen wären die Alternative. Aber wen? Die Union ist nach 16 Jahren Merkel immer noch ausgelaugt. Ausser Polemik, Stänkerei oder Vorteilsnahme fällt deren Granden nix ein. Die LINKE ist zerfleddert und die rechten sind nicht mal in der Lage ihre eigene Unfähigkeit zu erkennen. Au weia, wo leben wir nur????

  • „Das ganze Thema Klimaschutz und Verkehr ist ungelöst in dieser Koalition“

    Das ist wohl war. Allerdings sehe ich auch kein klares Konzept des Klimaministeriums.

    Habeck hat einige weitgehende, wohl auch grob sinnvolle Maßnahmen in Angriff genommen.

    Was jedoch fehlt, ist ein klares Konzept.



    Die aktuellen Maßnahmen sind ja nicht das Ende.



    Was kommt noch? Wann kommt es? Und: Funktioniert das überhaupt?

    Klimaschutz, so wie Habeck oder (vielleicht?) auch die ganze Koalition betreiben möchte, bedeutet nichts anderes als einen vollständiger Umbau von Wirtschaft und Konsum.



    Da ist es eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass die Bürger:innen im Voraus erfahren, wie der Weg dorthin denn aussehen könnte.



    Ein blindes Vertrauen, dass das schon irgendwie gut geht, kann keiner erwarten.

    Es ist ein berechtigtes Anliegen, dass wir erfahren, wie der erhöhte Strombedarf (z.B. durch Wärmepumpen und E-Autos) in 5 Jahren gedeckt wird.



    Falls die Lösung eine Menge Kohlekraft und Gas aus Katar darstellt, stellt sich Frage, wozu die Wärmepumpen und E-Autos?



    Wenn es hingegen um viel mehr Erneuerbare geht, bleibt die Frage nach der Speicherung. Und ob und wie der Ausbau in dieser Zeit überhaupt gelingen kann.

    Dazu ist die "Salami-Taktik" bei der Bekanntgabe von Maßnahmen, die vielen etwas abverlangen (siehe Heizungsstreit), taktisch äußerst ungeschickt.



    Auf diese Weise macht Habeck tatsächlich Stimmung gegen Klimaschutz!



    Besser sollte er alle Zumutungen auf einen Schlag bekannt geben.

    Dass Habeck bzw. sein Ministerium in diesem Punkt die Karten nicht offenlegen, ist bedenklich:



    Denn entweder wissen sie es auch nicht und hoffen, dass sich das schon irgendwie ergibt.



    Oder, was noch schlimmer wäre, es gibt einen Plan, doch der beinhaltet solche schweren Einschnitte für viele oder alle, dass sie sich die Vorstellung nicht trauen.

    In beiden Fällen wäre es dann leider tatsächlich das Klügste, die Maßnahmen zu stoppen.



    Noch hoffe ich, dass es einen sinnvollen Plan geben könnte.

  • Wie soll diese Regierung funktionieren ???



    Bei den Grünen wollen sich Habeck und Bearbock profilieren wer der nächste Kanzlerkandidat wird, Lindner und seine FDP kämpfen schlichtweg um ihr Überleben und bei der SPD sind alle froh das sie ihre Posten haben und "regieren" dürfen. Wer erwartet da noch große Fortschritte ???

  • Dass eine Dreier-Koalition schwierig ist, wundert nicht -



    und muss für die Ergebnisse nicht schlecht sein.



    Politik funktioniert nur mit - sachlichem - Streit, und die Beteiligten haben sich das freiwillig ausgesucht.



    Auf dieser Ebene ist also alles bestens.