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Brüssel will mehr erneuerbare EnergienEU erhöht die Ausbauziele massiv

Bis 2030 sollen die Mitgliedsstaaten 42,5 Prozent ihrer Energie aus regenerativen Quellen beziehen. Der Ausbaubedarf ist sehr unterschiedlich.

Windrad in Berlin-Pankow: Erneuerbare Energien sollen in der gesamten EU ausgebaut werden Foto: dpa

Berlin taz | Die Europäische Union will den Ausbau der erneuerbaren Energien voranbringen und hebt die bisherigen Ziele dafür stark an. Bis 2030 sollen in den Mitgliedsstaaten 42,5 Prozent des gesamten Energieverbrauchs aus erneuerbaren Quellen wie Sonnen- Wind- oder Wasserkraft stammen, bislang lag das Ziel bei 32,5 Prozent. Hinzu kommen weitere 2,5 Prozent weiterer freiwilliger Ausbau in den Ländern oder in Form von Gemeinschaftsprojekten.

Darauf verständigten sich im sogenannten Trilogverfahren am Donnerstag Ver­tre­te­r:in­nen der EU-Kommission, der Mitgliedsstaaten der Union und des europäischen Parlaments. Das Trilogverfahren ist ein informeller Diskussionsprozess, dessen Ergebnis vom Europäischen Rat und dem Parlament formell bestätigt werden muss.

Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine hatte die EU-Kommission vorgeschlagen, die Erneuerbaren Energien auszubauen, um die Abhängigkeit von russischem Gas und Öl zu senken. Es geht aber auch um mehr Klimaschutz. Bis zum Jahr 2030 sollen in der EU klimaschädliche Emissionen im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent sinken, bis 2050 will die Union klimaneutral sein.

Die EU fixiert das neue Ausbauziel in der Erneuerbaren-Richtlinie (RED III), über die fast zwei Jahre verhandelt wurde. „Das wird zu einem großen Ausbau der erneuerbaren Energien in der gesamten EU führen“ sagte Wirtschaftsstaatssekretärin Franziska Brantner (Grüne) der taz. Deutschland hat das gesteckte Ziel erreicht, wenn bis 2030 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien gewonnen werden. Das haben sich SPD, Grüne und FDP ohnehin vorgenommen. „Die Richtlinie ist rechtlicher Rückenwind für den Koalitionsvertrag“, sagte Brantner.

Erneuerbare nicht nur für Strom

Der Ausbaustand der Erneuerbaren in der EU ist sehr unterschiedlich. Im Schnitt stammten 2021 22 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen. In Schweden waren es 63 Prozent, in Deutschland 18,8 Prozent und in den Niederlanden weniger als 13 Prozent. Erreicht ein Land die vereinbarten Ziele bis 2030 nicht, droht ein Vertragsverletzungsverfahren – was teuer werden kann. Damit der Ausbau schnell geht, wird die übergangsweise eingeführte Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für den Ausbau der Anlagen sowie der Netze auf Dauer festgeschrieben. So kann auf eine zweite Natur- und Artenschutzprüfung verzichtet werden, wenn es bereits bei der Planung eine gab.

Damit erneuerbare Energien nicht nur für die Stromerzeugung eingesetzt werden, legt die EU auch verbindliche Ziele für Gebäude, den Verkehr und die Industrie fest. In der Indus-trie zum Beispiel sollen bis 2030 mindestens 42 Prozent des verbrauchten Wasserstoffs aus erneuerbaren Quellen stammen. Diese Quote kann aber gesenkt werden, wenn Länder das Ausbauziel insgesamt erreicht haben. Dann kann Wasserstoff, der aus Atomenergie gewonnen wird, zum Zuge kommen – aber nicht als erneuerbare Energie angerechnet werden. Das ist ein Zugeständnis an Frankreich, das nach wie vor stark auf Atomenergie setzt.

Um­welt­schüt­ze­r:in­nen sind mit dem Ergebnis nicht zufrieden, etwa weil Biomasse als erneuerbare Energie gilt. Der Dachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) kritisiert die Möglichkeit der Industrie, den erforderlichen Anteil an grünem Wasserstoff durch mit Atomkraft erzeugten Wasserstoff drücken zu können. „Derartiges Greenwashing hat in einem Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien nichts zu suchen“, sagte DNR-Geschäftsführer Florian Schöne.

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10 Kommentare

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  • Megaministers Milchbubi-Rechnung



    "... wenn bis 2030 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien gewonnen werden" NUR, und immer wieder: WIEVIEL STROM werden wir 2030 (ver)brauchen, wieviel 2035, ... 2050 ? Ein Mehrfaches des jetzigen Verbrauchs ist das erklärte Ziel: Chemie, Stahl, Straßenverkehr, Gebäudeheizung - alles Dinge, die heute über Fossile laufen. Stromverbrauch (plus Solarthermie) in Endstufe = annähernd Gesamtenergieverbrauch Deutschland von heute. 4mal soviel Strom wie heut, oder mehr, trotz und mit Wärmepumpe. Wo soll ein Zwanzigfaches der heutigen Stromproduktion aus erneuerbaren (2021. 2/5 des bisherigen Stromverbrauchs, 2022 vorläufige Zahlen: ca. 1/2) denn herkommen? Alternative: Kohle-Stahl und Erdgas-Chemie künftig excl. aus China und Australien, Alu (bisher unser Strom) dann auch ? Europa deindustrialisisert. Klima isses egal.

    • @lesnmachtdumm:

      gottogott, wir brauchen ja nur das ZEHNfache an Erneuerstrom (von 2/5 auf 20/5). Dannisjakeinproblem!

  • Anteil erneuerbarer Energie in der Fernwärme in Berlin, laut aktueller Rechnung von Vattenfall Wärme: 2,70 %.

    • @Birdman:

      22



      Eine Illusion sind auch die 22 (und deutschen 18) Prozent Erneuerbaren im Gesamtenergieverbrauch. Die gibt's, obzwar ich andre Zahlen kenn, evtl. tatsächlich, aber nich mehr lang: Palmöl(im)diesel: ersatzlos gestrichen. Bioethanol(im)benzin: Energiepflanzen auf Dauer wo und woher ? Gilt genauso für Maissteppenmethan: Wir wolln Insekten retten, Moore wieder(teil)vernässen, Bioanbau, Tierwohl, Nahrungsmittelreserven, international Quellen diversifizieren (siehe Probleme wie Ukraine/Weltgetreide) und wir wollen x Prozent Naturschutzfläche verbindlich. Zugleich stehn wir mit unsrer und der weltweiten Nahrungsproduktion vor der Versteppung. Und Holzheizung: wie lange noch ? Der Biomasseanteil am Energiemix wird gegen Null gehen (müssen). Bald.



      [Nuramrande: Vielleicht dann doch erstmal alte aber intakte Propeller subventionieren, statt demontieren - wo wir mit Genehmigung, Produktion, Transport UND Montage der neuen eh nich hinterherkommen (werden).] Zahlen, sagt mensch so leichthin, lügen nicht. Ähem, also....

  • Solange nicht eine grundsätzliche Änderung des globalen Wirtschaftssystems stattfindet,wird man, um den Teufel Klimaerwärmung auszutreiben ,wohl kaum um den Beelzebub Atomkraft herum kommen.Mit ambitionierten Zielen alleine wird Emissionssenkung innerhalb des angestrebten Zeitraumes bei Beibehaltung des gewohnten Konsums - der ja zudem stetig ansteigt - nicht zu erreichen sein.



    Das ist eben der Zeitfrage geschuldet:Die Klimaerwärmung steht ja nicht nur vor der Tür und klopft,sondern hat schon mindestens einen Fuß im Türspalt.Die radioaktiven Abfälle sind so gesehen ein zukünftiges Problem.Auch ein lokaler bzw. regionaler GAU ist immer noch das vergleichsweise kleinere Übel als der globale Temperaturanstieg.



    Und ein radikale Änderung der Lebensweise innerhalb des zur Verfügung stehenden Zeitraumes, dürfte gleich nach dem Perpetuum Mobile und der Quadratur des Kreises kommen! :-(

    • @Mustardmaster:

      Naja die Lebenserwartung und der Wohlstand wächst ja auch in armen Regionen. Auch Menschen in Afrika wünschen sich, zurecht, mehr als nur satt zu werden und trocken zu pennen. Das kann man diesen Menschen nicht krumm nehmen.



      Insgesamt können wir in der ersten Welt gar nicht so weit schrumpfen, wie der Lebensstandard im Rest der Welt (so 3/4 der Weltbevölkerung) noch steigen wird und MUSS.

      Wir können nur versuchen das Wachstum ökologisch sinnvoller zu gestalten. Aufhalten können wir ihn nicht.



      In der warmen Bude vor dem Laptop, mit vollem Magen und genug Geld für geistige Bildung lässt sich immer leicht vom Verzicht fabulieren.

  • In sieben Jahren schreiben wir das Jahr 2030, und 42,5 ist das arithmetische Mittel zwischen 40 und 45.



    Was damit gemeint ist? Da hat die EU, um endlich zu einer Entscheidung zu kommen, mal wieder überhektisch und überambitioniert Ziele postuliert, die kaum zu erreichen sind, und die sich bei der numerischen Festlegung einer höchst anspruchsvollen, kaum nachvollziehbaren mathematischen Methode bedient.



    Und: In sieben Jahren sind die meisten der heutigen 'Entscheider' verstorben, verjagt, verrentet oder weggelobt, die Richtlinien liegen unratifiziert in diversen Nationen rum, und die neuen Politiker stellen zu ihrer großen Überraschung fest, dass die Zeiten sich doch entscheidend geändert haben.

  • Na, wir werden sehen. Auf der einen Seite die Theorie, auf der anderen Seite die Praxis. Zur Praxis gehören auch die Einwohner Europas die das ja umsetzen müssen (sollen). Den Zeitrahmen von 7 Jahren finde ich viel zu eng.



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    // Deutschland hat das gesteckte Ziel erreicht, wenn bis 2030 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien gewonnen werden//



    .



    Jetzt haben wir etwa 18%. Da sind aber schon die Biomasse und Wasserkraft dabei. Beides ist seit vielen Jahren stabil wird nicht mehr (viel) höher werden.

    • @Der Cleo Patra:

      80 % des Stroms sind nicht das gleiche, wie 18 % des Energieverbrauchs (hier ist der Zielwert 2030 ja 42,5 %). bei Strom liegt Deutschland aktuell bei knapp 50 % erneuerbarer Energie.

      • @Fuchs mit Brille:

        Aber der Stromverbrauch soll sich, geplantermaßen, vervielfachen, das wird bei der Rechnung "heute 50, morgen 80 Prozent" leider verschwiegen. Chemie, Stahl, Straßenverkehr, Heizung, alles bislang fossil oder in geringem Umfang Biomasse. Beides wird weitgehend wegfallen, alles soll Strom ....