Neuer Vorstand der AfD Berlin: Rechtsaußen ist noch ein bisschen Platz
Der neue Landesvorstand der AfD ist radikal wie nie. Die Vorsitzende Brinker sitzt fest im Sattel aufgrund ihres Bündnisses mit den Völkischen.
So erhielt Brinker mit ihren mehr als 80 Prozent und ohne Gegenkandidatur ein für AfD-Verhältnisse ausgesprochen gutes Ergebnis. 2021 musste sie noch in mehrere hauchdünne Stichwahlen gegen Beatrix von Storch. Mit ihr hat Brinker seither einen Burgfrieden geschlossen, der noch immer gilt: Von Storch schlug dieses Mal Brinker gar selbst zur Wahl vor.
Dabei stand von Storch, einst stellvertretende Bundessprecherin und gut vernetzte Verbündete des mittlerweile ausgetretenen Ex-Chefs Jörg Meuthen, in der AfD Berlin gemeinsam mit dem ehemaligen Vorsitzenden Georg Pazderski für einen „Berliner Kurs“. Dieser sollte die Selbstverharmlosung und Deradikalisierung der AfD mit dem Ziel der Koalitionsfähigkeit beinhalten. Dafür sollte der völkisch-nationalistische Teil der Partei ausgegrenzt werden.
Dieser innerparteilich ambitionierte Plan, um langfristig regierungsfähig zu werden, scheiterte allerdings sowohl auf Bundesebene als auch in Berlin krachend. Seitdem verharrt die AfD auf allen Ebenen in Fundamentalopposition. Rechtsextreme wie Björn Höcke, Chef der völkischen Störmung des nur offiziell aufgelösten Flügels, müssen sich seitdem kaum noch mit Widerständigen herumschlagen und geben den Ton an.
Alt Für die 50-jährige Brinker stimmten 169 der 211 anwesenden Mitglieder. Die Wahl des Vorstands lief harmonisch ab, Kampfkandidaturen gab es kaum. Weitere Beisitzer sind Martin Trefzer aus Treptow-Köpenick und Karsten Franck aus Tempelhof-Schöneberg
Neu Für eine kleine Überraschung sorgte Frank Scheermesser, der als Verbündeter des Rechtsextremen Andreas Wild gilt und nach einer schmissigen Rede eine Gegenkandidatur gegen einen Brinker-Kandidaten gewann und nun Beisitzer ist. Gegen Wild läuft ein Parteiausschlussverfahren. Ebenso ist Falk Rodig aus Lichtenberg neu im Vorstand. (taz)
Pakt mit den Völkischen
Ausgebootet hatte Brinker von Storch und Pazderski vor allem mit der Unterstützung der völkischen Netzwerker. Seither dringt von innerparteilichen Machtkämpfen nur wenig nach draußen. Doch diese Geschlossenheit hat ihren Preis: Flankiert wird Brinker im neuen Vorstand von so vielen Leuten aus der völkischen Strömung oder deren Umfeld wie noch nie in Berlin. Die meisten Vorstandsmitglieder schlug sie dabei selbst vor, Gegenkandidaturen gab es nur vereinzelt.
So ist Jeannette Auricht, eine Obfrau des ehemaligen Flügels in Berlin, weiter eine von mehreren stellvertretenden Parteisprecher*innen. Neben dem Pressesprecher Ronald Gläser sind nun auch Rolf Wiedenhaupt und Alexander Bertram zu Stellvertretern avanciert – letztere gelten ebenfalls als flügelnah. Ihre Namen fanden sich unter anderem auf einem geleakten Email-Verteiler der völkischen Strömung.
Besonders deutlich aber wird der erneute Landgewinn der Völkischen in der Position des Schatzmeisters: Hier ging Frank-Christian Hansel, der zuletzt auf Bundesebene mit einer Kampf-Kandidatur gegen das vom Flügel unterstützte Lager um den Co-Bundesvorsitzenden Tino Chrupalla deutlich gescheitert war. Nun gab Hansel auch im Berliner Landesverband das Amt des Schatzmeisters ab, indem er nicht mehr antrat. Stattdessen wurde Sebastian Maack gewählt, der Brinker 2021 maßgeblich zur Parteispitze verholfen hat.
Stadtrat gegen Flüchtlinge
Im Berliner Landesverband gilt Maack als radikaler Netzwerker. So hatte er eine Plattform namens „Kompetenz-Netzwerk“ gegründet, der neben der Landeschefin vor allem Völkische angehörten. Hansel nannte das Netzwerk damals „den Versuch, den aufgelösten Flügel in Berlin unter einem neuen Label wiederzubeleben“.
Maack wies das zwar zurück, allerdings ließ die personelle Zusammensetzung seines Netzwerks wenig Zweifel daran, dass es flügelnah ist. Am deutlichsten lässt sich das etwa am Abgeordneten Thorsten Weiß festmachen, der das Kyffhäuser-Treffen 2019 organisiert hatte und im Oktober Höcke zur Gründung der neuen völkischen Plattform „Idearium“ nach Berlin einlud. Als Reinickendorfer Stadtrat hatte Maack daneben dafür gesorgt, dass anerkannte Flüchtlinge, die wochenlang auf ihre offiziellen Papiere warteten, in der Zwischenzeit keinen Wohnberechtigungsschein erhielten.
Abgerundet wird das Bild vom völkisch dominierten Landesvorstand vom in Marzahn-Hellersdorf direkt gewählten Gunnar Lindemann: Er bleibt Beisitzer im Landesvorstand.
Durchaus offen für alles Radikale scheint auch der neue Beisitzer Antonín Brousek zu sein – ein Amtsrichter, der mittlerweile auch im Vorstand der Abgeordnetenhausfraktion sitzt. Ausweislich seiner Facebook-Seite besuchte Brousek kürzlich den Höcke-Gefolgsmann Maximilan Krah, gastierte in Schnellroda oder ließ sich mit David Bendels, dem Chefredakteur des rechtsextremen Deutschlandkurier, fotografieren, der die “Altparteien als politischen Feind“ betrachtet, gegen die er einen „Vernichtungsfeldzug“ führen möchte.
Antisemitische Codes
Brousek selbst redet gern mit antisemitischen Codes von „Globalisten“ oder raunt im Deutschland-Kurier-Interview vom großen „Austausch“. Beim Besuch von Björn Höcke im Herbst saß Brousek im Publikum – zwischen Lindemann und Auricht.
Berührungsängste zum völkisch-nationalistischen Spektrum kennt auch Brinker weiterhin keine. Im Gegenteil: Ihr Bündnis mit den Völkischen bleibt ihre Machtbasis. Zugleich soll sie nach außen wohl mit einem für AfD-Verhältnisse gemäßigten Auftreten einen Rest von bürgerlichem Antlitz wahren.
Der größte Verdienst Brinkers für den Landesverband dürfte dabei ihr organisatorisches Wirken sein: So hat sie zum zweiten Mal geräuschlos einen AfD-Parteitag organisiert, der nur kurzfristig bekannt wurde. Diesmal fand er im Spandauer Kant-Gymnasium statt. Gegenprotest blieb wegen der Kurzfristigkeit aus. Das war vor Brinker noch undenkbar: Davor suchte die AfD teils jahrelang vergeblich nach Orten für Parteitage – auch aufgrund organisierten Widerstands durch Initiativen wie „Kein Raum der AfD“.
Stiller Gegenprotest kam immerhin vom Schulleiter des Spandauer Gymnasiums Marc Vehlow. Der Bezirk hatte gegen seinen Willen verfügt, dass die AfD wie andere Parteien auch öffentliche Räume im Bezirk nutzen können. Aus Protest verhängte der Schulleiter den Namen des Gymnasiums mit einer Plane. Vehlow sagte im RBB: „Ich möchte, dass meine Schule weiter für Toleranz und gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit steht.“
Hinweis: Der Artikel wurde aktualisiert, 21.3.2023.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Orbán und Schröder in Wien
Gäste zum Gruseln
BSW in Thüringen auf Koalitionskurs
Wagenknecht lässt ihre Getreuen auf Wolf los
Jaywalking in New York nun legal
Grün heißt gehen, rot auch
Steinmeiers Griechenland-Reise
Deutscher Starrsinn
Unwetterkatastrophe in Spanien
Vorbote auf Schlimmeres
Schließung der iranischen Konsulate
Die Bundesregierung fängt endlich an zu verstehen