Gaslieferungen durch die Ukraine: Russland liefert wieder mehr Gas

Die Preise für russisches Gas sinken. Es zeigt sich: Die Strategie des Kreml, Europa frieren zu lassen, ist nicht aufgegangen.

ein roter Gashahn an einer Pipeline, im Hintergrund geht ein Arbeiter

Kritische Infrastruktur: Gazprom-Leitungen an der russisch-ukrainischen Grenze Foto: Denis Sinyakov/reuters

KYJIW taz | Zum ersten Mal seit Beginn der Ukraine-Invasion hat Russland seine Mengen an Gas, die es durch das ukrainische Netz Richtung Westen leitet, wieder erhöht. Mitte des Monats, am 14. Februar, hatte Gazprom mit 42,1 Millionen Kubikmetern Gas durch die Ukraine Richtung Westen geleitet. Für 2023 war das bisher der gemessene Höchstwert. Dies berichtet das ukrainische Portal mind.ua unter Berufung auf den Betreiber des ukrainischen Gastransitnetzes, GTS. Zum Vergleich: Vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine lagen die Liefermengen bei 108 Millionen Kubikmeter pro Tag, berichtet der auf Wirtschaft spezialisierte ukrainische Telegram-Kanal Monopolist.

Über die Gasmessstation im russischen Sudscha geht das Gas nach Mittel- und Zentraleuropa. Es ist die einzige Pipeline, die Europa mit russischem Gas versorgt. 2022 hatte Russland über diese Pipeline, so die ukrainische Plattform expro.com.ua, die Slowakei, Moldau, Polen und Rumänien beliefert. Bisher waren die Liefermengen fallend. Seit Mai 2022 importieren Polen und die Slowakei überhaupt kein Gas mehr aus Russland, so expro.com.ua.

In einem 2019 geschlossenen Vertrag haben sich die Ukraine und Russland auf eine Mindestlieferung von 40 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus Russland durch das ukrainische Gasfernleitungsnetz pro Jahr geeinigt, das sind 109 Millionen Kubikmeter Gas pro Tag. Man hatte sich auf das Prinzip pump or pay geeinigt. Das bedeutet, Gazprom muss, wenn es tatsächlich weniger Gas durch die Pipeline schickt, für die Gasmenge, die unterhalb der vereinbarten Liefermenge von 40 Milliarden Kubikmetern Gas pro Jahr bleibt, bezahlen.

2022 hatte die Ukraine 20 Milliarden Kubikmeter russisches Erdgas durch sein Netz nach Westeuropa weitergeleitet. Das ist die niedrigste Menge seit 1991. 1996 und 1998 waren es gar 140 Milliarden Kubikmeter Gas gewesen. Und da Gazprom nicht für die vereinbarte Gesamtmenge von 40 Milliarden Kubikmetern Gas pro Jahr bezahlen will, trat der ukrainische Konzern Naftogaz im September den Gang zum Schiedsgericht der Internationalen Industrie- und Handelskammer in Paris an. Welche Summe man einklagen wollte, hatte der ukrainische Kläger verschwiegen.

Russland hat im vergangenen Jahr versucht, gezielt die Infrastruktur der ukrainischen Energieversorgung zu zerstören. Dass die Pipeline Richtung Westen unbeschadet geblieben ist, dürfte eigenen russischen Interessen geschuldet sein.

Und so rät der in Odessa lebende Blogger Wjatscheslaw Asarow auf seinem Telegram-Kanal: „Versteckt euch bei einem Angriff in der Nähe der Pipeline. Da wird man bestimmt nicht drauf schießen.“ So erfreulich der Umstand ist, dass die Gebiete, durch die die Pipeline verläuft, bisher von russischen Raketen verschont geblieben sind: Mit humanitären Überlegungen hat das russische Interesse, die Durchlaufmengen von russischem Gas durch die Ukraine zu erhöhen, nichts zu tun.

„Als der Gaspreis bei 3.000 Dollar pro tausend Kubikmeter gelegen hat und Russland offensichtlich Europa hat frieren sehen wollen, hat Russland die Liefermengen reduziert“, analysiert der Monopolist. Nun lägen die Preise bei 500 bis 600 Dollar pro tausend Kubikmeter, die europäischen Gasspeicher seien gut gefüllt und der Winter gehe zu Ende. Gazprom müsse sehen, dass es sein Gas verkauft bekomme.

2022, so berichtet das ukrainische Portal ua.korrespondent.net, haben sich die Exporte von Gazprom in Nicht-GUS-Länder auf 100,9 Milliarden Kubikmeter Gas halbiert. Dies ist ein Negativrekord in der Geschichte des Unternehmens.

Gestoppt hat Russland derweil am Wochenende die Lieferungen von Erdöl über die Druschba-Pipeline nach Polen. Das wird als Reaktion auf ein neues Sanktionspaket der EU ­gewertet.

Mitarbeit: Stanislaw Kibalnyk, Charkiw

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.