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Rügenerin über Bau von LNG-Terminals„Wer kommt dann noch hierher?“

Vor der beliebten Ostseeinsel Rügen sollen im Meer LNG-Terminals entstehen. Stephanie Dobelstein, Sprecherin der Bürgerinitiative, warnt davor.

Protest gegen die LNG-Terminals vor Rügen Ende Februar in Baabe Foto: Stefan Sauer/dpa
Interview von Thore Rausch

Berlin taz | Die Pläne des Energiekonzerns RWE, vor der Küste der Ostseeinsel Rügen ein Flüssigerdgas-Terminal zu bauen, sorgen für Proteste. Umweltverbände sprechen vom größten fossilen Projekt Europas und warnen vor Überkapazitäten und den Gefahren für Tourismus und Umwelt. Es geht um vier stationäre schwimmende LNG-Terminals mit Regasifizierungsanlagen (FSRU) etwa 4,5 bis 6,5 Kilometer vor dem Badeort Sellin im Südosten Rügens. Hier sollen LNG-Schiffe festmachen können. In den FSRU soll das Gas umgewandelt und dann durch eine 38 Kilometer lange Pipeline zum Ostseehafen Lubmin und von dort ins Erdgasnetz gepumpt werden. Die Pipeline befindet sich bereits im Genehmigungsverfahren.

Frau Dobelstein, werden Touristen der Insel Rügen fernbleiben, nur weil etwa fünf Kilometer vor der Küste Schiffe mit Flüssigerdgas (LNG) liegen?

Stefanie Dobelstein: Die FSRU-Tanker, von denen bis zu vier anliegen könnten, sind mit knapp 300 Meter Länge, 43 Meter Breite und 50 Meter Höhe gigantisch groß. Dazu werden die Anlegetower etwa 20 Meter aus dem Boden ragen. Da können Sie sich vorstellen, was für eine Industrieanlage vor Sellin entstehen soll. An der Ostküste Rügens liegen weitere Seebäder, die viel Tourismus auf die Insel bringen. Die Anlagen sind beleuchtet und mit Diesel auf Schwerölbasis betrieben. Das werden Menschen, die sich hier an den Stränden erholen wollen, unmittelbar miterleben. Wer kommt noch nach Rügen, um auf eine Industrieanlage zu gucken?

Im Interview: Stefanie Dobelstein

48, Gründungsmitglied und Sprecherin der Bürgerinitiative „Lebenswertes Rügen“. Sie ist hauptberuflich Grundschullehrerin und lebt in Bergen auf Rügen.

Vor einigen Wochen haben Sie gemeinsam mit anderen Umweltverbänden zur Demonstration aufgerufen, 2.500 Menschen sind gekommen. Ist der Rückhalt der BürgerInnen groß?

Ich würde mir noch mehr wünschen. Aber viele Bürgermeister waren da, die Bürgermeister von Binz und Stralsund haben sogar eine Rede gehalten.

Auf der Nordseeinsel Borkum will man nicht auf Offshore-Windparks schauen, bayerische Gemeinden protestieren gegen den Mindestabstand von Windrädern. Jetzt will Rügen nicht auf Schiffe blicken. Entzieht man sich da einer Verantwortung für die Gesellschaft, die auf Energie angewiesen ist?

Erst einmal muss doch dringend geklärt werden, ob wir derzeit überhaupt noch einen Notstand bei der Gasversorgung haben. Laut den aktuellen Zahlen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung ist nicht mit weiteren Engpässen zu rechnen. Da müssen Fakten auf den Tisch: Niemand weiß, wie viele LNG-Terminals Deutschland eigentlich braucht. Außerdem reden wir hier über einen fossilen Energieträger, überwiegend handelt es sich um Fracking-Gas. Das ist keine klimafreundliche Technologie.

Im benachbarten Lubmin am Festland gibt es bereits ein LNG-Terminal. Spüren Sie das auf der Insel?

Um das Flüssiggas nach Lubmin zu transportieren, fahren in hoher Taktung Gastanker durch den Greifswalder Bodden an unserer Insel vorbei. Das ist ein Natur- und Vogelschutzgebiet und ein ohnehin bedrohter Lebensraum für Fischbestände. Außerdem haben wir erste Fotos von anthrazit-verfärbten Schaumkämmen und Ölklumpen an den Stränden gesehen. Der Nabu hat das zur Prüfung an die Gemeinden weitergegeben. Bewohner auf Mönchgut melden sich und finden den Lärm der Schiffe sowie den Geruch bei ungünstiger Windrichtung unerträglich.

Sie meinen, die Region ist nicht auf ein Projekt dieser Größe vorbereitet …

Ja. In Lubmin liegt ein riesiger Gastanker neben einem Atomzwischenlager. Ohne ausreichende Katastrophenschutzpläne. In einem Beschleunigungsverfahren kann so was nicht sorgfältig geprüft werden. Auch auf Rügen fragen wir uns: Sind wir ausreichend geschützt im Falle eines Unfalls? Wie schützen wir unsere Gäste? Da bleiben viele Fragen offen, die für die Sicherheit von Mensch und Natur entscheidend sind. Niemand muss sich dann wundern, wenn der Vorwurf aufkommt, Politiker würden im Interesse der Industrie handeln.

Sie haben zusammen mit anderen 600 Einwendungen gegen die Pipeline zu den LNG-Terminals eingelegt.

Allein die Unterlagen für das Genehmigungsverfahren der Pipeline durch den Greifswalder Bodden umfassen 1.000 Seiten. Ohne die Unterstützung der Fachleute aus den Umweltverbänden fällt es uns schwer, einen wirksamen Widerspruch einzulegen, der im Verfahren nicht abgebügelt werden kann. Wenn das die Regel wird, schaffen wir unseren Rechtsstaat ab. Insbesondere bei großen Bauprojekten, die letztendlich Großkonzernen dienen, die ihre Gewinne maximieren wollen.

Wie geht es nun weiter?

Am Wochenende findet in Binz ein Protestfestival mit Umwelt-, Klimaschutzverbänden und der Gemeinde statt. Parallel laufen Petitionen, für die wir Unterschriften sammeln. Wir planen notfalls weitere Demonstrationen. Wichtig ist nun die Abstimmung mit Bürgermeistern, Vertretern aus Tourismus- und Umweltverbänden, um gemeinsam den Bau der LNG-Terminals zu stoppen.

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14 Kommentare

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  • Die Sprengung der Pipeline war schon eine grosse Umweltsauerei.



    ( Nein, damit zeige ich keine Sympathie für Putin)



    Jetzt kommt noch eine Einleitung von Chlor dazu.



    Die Ostsee ist schon extrem belastet durch Munition aus dem 2. Weltkrieg. Es tritt Giftgas aus. Phosphor wird an den Stränden angespült.



    Jetzt geben wir dem Ökosystem den Rest.

    • @Frau Flieder:

      Was ist die Alternative?

      Gas über Pipelines aus…Russland?

  • Über den stetig wachsenden Massentourismus, einhergehend mit einer immensen Blechlawine, die in zuverlässiger Regelmäßigkeit über die Insel walzt, wird dann doch lieber geschwiegen. Schützenswerte Natur hin oder her. Einem Ausbau des "Rasenden Roland" hat man von politischer Seite im letzten Jahr eine klare Absage erteilt. Da passt wohl so einiges nicht zusammen.

  • Meine Güte, einfach entsprechend gestalten, dann werden die Terminals selbst Attraktion.

  • Ich fasse es nicht, dass diese gewaltige Umweltsauerei von den Grünen erdacht und genehmigt wird.



    Diese Technologie mit Windrädern zu vergleichen gegen die sich die Bayern aussprechen, ist wohl gewollt naiv.

    Diese einzigartige Naturlandschaft mit Gas und Diesel zu zerstören macht fassungslos.

    • @Frau Flieder:

      Ich verstehe nicht, warum das nicht irgendwo vor der Schleswig-Holsteinischen Küste gebaut wird, zum Beispiel Travemünde. Irgendein Bundi entscheidet wieder mal, dass uns so was vor den Latz geknallt wird. Koloniales Gebaren!

      • @Leningrad:

        Aber das Gasterminal der Nordstream-Pipelines in Mukran war genehm, ja?

    • @Frau Flieder:

      Bedanken Sie sich bei Wladimir Putin und dem von ihm geführten Imperium, das sich im Krieg mit uns sieht.

      Ach nein, für den bzw das haben Sie ja erwiesenermaßen sehr viel mehr Verständnis als für die Grünen…

      • @Suryo:

        Bitte, lassen Sie diese Unterstellungen!



        Das zeugt nicht von einem fairen Austausch!



        Es geht hier um eine schützenswerte Umwelt. Auch um den Schutz der dortigen Einwohner. Diese Anlagen sind sehr, sehr laut.



        Wer diese Umweltsauerei positiv sieht ist unfassbar ignorant.

        • @Frau Flieder:

          Ich sehe sie ja nicht positiv, aber ich sehe auch, warum die nun mal irgendwo gebaut werden müssen.

          Ich unterstelle Ihnen gar nichts, ich kenne einfach nur ihre Kommentare.

          • @Suryo:

            Sie sagen hier die Unwahrheit.



            Das kann ich so nicht hinnehmen. Wo habe ich Verständnis für Putin gezeigt?

            • @Frau Flieder:

              Also bitte, ihre Kommentare zu Russland und Ukraine sind doch für jeden nachzulesen. Und warum die Unterstützung der Wagenknecht-Schwarzer-Demo eine Unterstützung Russlands ist, wurde in den deutschen Medien nun wirklich rauf- und runtererklärt.

  • „Heiliger Sankt Florian / Verschon’ mein Haus, zünd’ and’re an!“

    Sorry, aber auch Rügen braucht auch Strom und Gas. Warum sollten nur die anderen ein LNG-Terminal bekommen, das ach so schöne Touristen-Rügen aber nicht?



    Das ist die gleiche dumme Diskussion wie "keine Windräder im schönen Bayern".

    Wobei ich die LNG-Terminals wegen des Chlorproblems als sehr Umweltschädlich einstufe und meine wir sollten gar keine haben.

    • @Rudi Hamm:

      Genau deshalb hinkt der Vergleich mit des Windrädern.



      Chlor ist in diesem Bereich extrem gefährlich.



      Wir bauen uns hier eine Gefahr und klatschen dazu. War auch nei den AKWs so bis zum Gau.